Protest gegen Arbeitgeberwillkür bei STS und Aachener Zeitungsverlag
Am Samstag, den 22. November 2014 spielten sich unübliche Szenen ab im Industriegebiet an der Dredener Straße in Aachen. Vor den Gebäuden des Zeitungsverlages Aachen standen Polizeifahrzeuge mit Blaulicht, eine Fahrspur war gesperrt.
von Marc Treude, SAV-Mitglied und aktiv in der LINKEN Aachen
Vor dem Haupttor standen knapp 50 DemonstrantInnen unter dem Banner: „Gegen Arbeitgeberwillkür, Scheinwerkverträge und sittenwidrige Löhne!“. Unangenehme Situation für die Geschäftsführung des Medienhauses, das unter anderem die beiden Tageszeitungen in Aachen herausgibt.
Tarifbindung und Arbeitsbedingungen zerschlagen
Hintergrund des Protestes, der vom Arbeitskreis „Betrieb&Gewerkschaft“ der Aachener LINKEN organisiert, und von DGB und ver.di unterstützt wurde, sind die Bedingungen für rund vierzig Beschäftigte der STS Medien Service GmbH, die seit einigen Jahren für den Zeitungsverlag arbeiten, und überwiegend in Nachtschichten Beilagen in die Zeitungen einlegen, konfektionieren und zum Teil Versandaufgaben übernehmen. Dies sind Arbeiten, die ursprünglich einmal von Beschäftigten des Zeitungsverlages selbst und tarifgebunden ausgeführt wurden. Heute gibt es im Hause des Zeitungsverlages allein 17 Gesellschaften, alles Töchter des Zeitungsverlages, der Betrieb wurde über fast zwanzig Jahre zerschlagen, Löhne drastisch gekürzt, Arbeitsbedingungen rasiert.
Die KollegInnen bei der Firma STS erhalten Löhne von 7,70 EUR/Stunde, mit Nachtzuschlägen von nur zehn Prozent. Erhöht wurde dieser Lohn seit mindestens zehn Jahren nicht.
Die STS-Beschäftigten arbeiten zum Teil mit Teilzeit-Verträgen ohne feste Stundenzahl, etwa die Hälfte sind allerdings: Tagelöhner! Juristisch angeblich sattelfest, werden diese überwiegend Studierenden mit migrantischem Hintergrund tagesspezifisch eingesetzt, und unterschreiben jeweils einen Tages-Arbeitsvertrag, natürlich die Klausel der Freiwilligkeit beinhaltend.
Kämpferischer Betriebsrat
Als im Mai diesen Jahres drei kämpferische Kollegen in den Betriebsrat gewählt wurden, kündigte der Zeitungsverlag den bestehenden Werkvertrag mit der STS Medien Service GmbH zum Jahresende, alle 40 KollegInnen sollten also zum 31. Dezember entlassen werden. In dieser Situation beschlossen die Betriebsräte, die Bedingungen bei STS und im Zeitungsverlag öffentlich anzuprangern. Im Juni veröffentlichte der Redakteur Albrecht Kieser von work-watch.de folgenden sehr lesenswerten Artikel: http://www.work-watch.de/2014/06/ststmi-im-zeitungsgeschaeft-einlegen-reinlegen/
Im Juli nahm der Betriebsratsvorsitzende auch Kontakt zum Aachener LINKE-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko auf, vor allem weil die Betriebsräte DIE LINKE als einzige Partei ansahen, die die Interessen von Lohnabhängigen und Ausgebeuteten verteidigt. Nach den ersten Gesprächen nahm sodann der wiedererweckte Arbeitskreis Betrieb&Gewerkschaft seine Arbeit auf, und diskutierte in vielen Sitzungen mit den Betriebsräten und anderen kämpferischen Gewerkschaftern die Möglichkeiten für Protest, Widerstand und mögliche Arbeitskämpfe. Dabei war auch von Anfang an der zuständige ver.di-Sekretär dabei, der die KollegInnen bei STS seit Jahren berät. Für Streikmaßnahmen schien den Betroffenen die Zeit zu spät, und der Organisationsgrad zu gering, also entschlossen sich die KollegInnen zu öffentlichem Protest vor dem Zeitungsverlag selbst. Zur Bekanntmachung dieser Demonstration nutzten der AK und die Betriebsräte viele Möglichkeiten. Flugblätter wurden bei der Demonstration gegen TTIP verteilt, genauso wie an die Delegierten der ver.di-Bezirkskonferenz, eine Solidaritätsaktion mit den streikenden Lokführern wurde organisiert. Bei all diesen Aktivitäten stand die gemeinsame Solidarität von Beschäftigten und Gewerkschaftern im Vordergrund. Und so wurde auch der Aachener DGB-Geschäftsführer auf die Situation bei STS aufmerksam, und lud die Betriebsräte zu einem Gespräch ein, um Möglichkeiten für Unterstützung zu besprechen.
Starker Protest vor dem Werkstor
Dies führte dazu, dass die Demo am 22.11. breit getragen war: RednerInnen waren Ralf Woelk, Geschäftsführer des DGB-NRW, Region Südwest, Franz Blatt, ver.di-Sekretär Fachbereich 8, Ellen Begolli, Mitglied des Stadrates DIE LINKE, Marc Treude, AK Betrieb&Gewerkschaft, Marcus Hesse für Linksjugend.solid und natürlich die drei Betriebsräte selbst. Verlesen wurde auch eine Solidaritätsadresse von Albrecht Kieser und Günter Wallraff. Beteiligt hatten sich viele weitere, auch einige KollegInnen, die bei STS arbeiten. Das Werkstor selbst war durch Sicherheitskräfte geschützt, und ein Mitglied der STS-Geschäftsführung versuchte inkognito den Protest zu verfolgen, wurde aber von einem Betriebsrat erkannt und verbal angegriffen. Dies trug zusätzlich zur kämpferischen Stimmung bei. Inhaltlich wurde skandalisiert, welche Arbeitsbedingungen durch die Hartz-Gesetze in Deutschland möglich geworden sind, Minijobs und Leiharbeit attackiert, wie auch das Geschäftsmodell des Zeitungsverlages. Zudem wurde Bezug genommen auf den Lokführerstreik, die Kämpfe bei Amazon, im Einzelhandel Ende 2013, und aktuell bei kik. Allen Anwesenden wurde so klar, dass Proteste und Kämpfe von Belegschaften notwendig sind und vernetzt werden müssen. Der Zeitungsverlag selbst hatte sich im Vorfeld nicht weiter geäußert, und natürlich euch keine Redakteure zur Berichterstattung geschickt. Somit müssen die Zustände dort eben von Linken und Gewerkschaftern verbreitet werden. Der Fall STS und Zeitungsverlag wird so wahrscheinlich auch in einer gerade begonnenen Studie des DGB-Hauptvorstandes verwertet werden, die 2015 veröffentlicht werden soll.