Von Heiligendamm nach Elmau
Am 7. und 8. Juni 2015 kommen im bayrischen Kreis Garmisch-Partenkirchen die Regierungschefs der führenden kapitalistischen Staaten auf Schloss Elmau zum G7-Gipfel zusammen, um sich in einer informellen Runde über politische und weltwirtschaftliche Themen zu beraten.
von Daniela Weber, Dortmund
Durch den andauernden Konflikt in der Ukraine zwischen den imperialistischen Staaten findet der Weltwirtschaftsgipfel unter Ausschluss Russlands statt. Schon letztes Jahr, als Russland die G8-Präsidentschaft inne hatte, entschieden sich die Regierungschefs der anderen Staaten, nicht am geplanten G8-Gipfel in Sotschi teilzunehmen und tagten kurzerhand im reduzierten Format als G7 in Brüssel.
Verlogene Agenda
Themen auf der Agenda der Repräsentanten von nicht einmal 10% der Weltbevölkerung sind voraussichtlich: nachhaltiges Wirtschaften verbunden mit der Frage von Lebensqualität, Klimaschutz und die Weiterentwicklung der Millenniumsziele zu denen die Bekämpfung von extremer Armut und Hunger zählen.
In einem Interview sagt Angela Merkel: „Wir sind verantwortlich Krisen zu bekämpfen.“
Verlogener geht es kaum, denn dass die mächtigsten Vertreter des kapitalistischen Systems mit ihrer Politik selbst für die größten Krisen in der Welt verantwortlich sind, fällt dabei unter den Tisch.
Auch die anderen Themen sind reine Heuchelei. Wenn es um den Handel geht, geht es immer um dessen Liberalisierung und um Privatisierung. Das System, welches von den Tagenden vertreten wird, führt dazu, dass trotz enormer Reichtümer in den Händen weniger immer noch zig Millionen Menschen Hunger leiden, Milliarden sind unterernährt.
Die Kürzungspolitik der Troika, als Reaktion auf die jüngste Krise des Kapitalismus, entzieht Millionen von Menschen in Europa ihre Existenzgrundlage und wirft sie in Armut, Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit.
Nachdem Merkel es nicht für nötig gehalten hatte zum Klimagipfel nach New York zu fahren, da sie lieber dem Ruf des Lobbyverbandes BDI zum „Tag der deutschen Industrie“ folgte, bekundet sie nun, wie wichtig es sei das Klimaabkommen im Rahmen des Gipfels voranzubringen. Sie würde alles dafür tun, dass Ziele verabschiedet werden können. Was aber dafür getan wird, dass diese Ziele auch umgesetzt werden, ist fraglich. Hier spiegelt sich wieder, was für die G7 Priorität hat, nämlich die Interessen des Kapitals. Es werden Ziele vereinbart und Lippenbekenntnisse abgegeben, aber umgesetzt wird am Ende nur, was der Wirtschaft, was den Profiten der Banken und Konzerne nutzt.
Erfahrungen von Heiligendamm
Einer Politik, die für Ungerechtigkeit steht und Armut, Ausbeutung, Abschottung und Krieg bedeutet, wollen wir uns entgegenstellen. Bereits 2007, zum letzten G8-Gipfel in Deutschland, zogen wir – wie Tausende andere GlobalisierungskritikerInnen – nach Heiligendamm, um den Mächtigen lautstarken Protest entgegenzubringen. Trotz massiver Repression durch die Polizei beteiligten sich etwa 80.000 Menschen aus vielen verschiedenen Ländern an der Großdemonstration, die den Auftakt für eine bunte Woche mit vielen verschiedenen Protestformen bildete.
Trotz des Verbots des Sternmarschs, welches im Nachhinein vom Oberverwaltungsgericht Greifswald 2012 für rechtswidrig erklärt wurde, machten sich Tausende von DemonstrantInnen auf den Weg, um die Zufahrtswege zum Tagungsort zu blockieren. Obwohl die Polizei Zivilpolizisten einsetzte, die versuchten, die BlockadeteilnehmerInnen zu Straftaten zu animieren und Falschmeldungen über die Bewaffnung von Blockierenden verbreitet wurden, blieben die Proteste seitens der Demonstrierenden friedlich.
Am Rande einiger Veranstaltungen kam es jedoch zu einzelnen Beschädigungen, wie etwa zerstörte Glasscheiben von Sparkassenfilialen. Manche Gruppen der Autonomen argumentierten hier, dass das Beschädigen von Gegenständen eine legitime Protestform sei, um überhaupt die Aufmerksamkeit der Medien zu erlangen. Diese wird dann aber nur auf die Zerstörungen gelenkt. Der Polizei ermöglicht dies, leichter die Proteste zu kriminalisieren und einzuschreiten. Das schreckt auch Menschen davor ab, sich zu beteiligen.
Protest-Fahrplan
Wie schon im Vorfeld des G8-Gipfels 2007 wird auch jetzt schon versucht, die GegnerInnen des Gipfeltreffens zu kriminalisieren und bei den AnwohnerInnen Ängste zu schüren. Bauern wurden dazu angehalten, ihre Grundstücke nicht für die Protestcamps zur Verfügung zu stellen, da diese sonst angeblich gewaltbereite Menschen unterstützen würden. Zur Zeit wird vom bayrischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) versucht, die Camps gar ganz zu verbieten.
Das Bündnis „Stop G7 Elmau“ plant bereits vielfältige Proteste in Sicht- und Hörweite zum Tagungsort, sowie eine Großdemonstration in München. Durch die Verschiebung des Gipfels vom 4. und 5. Juni um drei Tage nach hinten werden auch die Termine für die Protestveranstaltungen bei der nächsten Aktionskonferenz des Bündnisses am 13./14. Dezember neu besprochen. Wie bereits im Rahmen der Protestwoche 2007 wird es auch diesmal wieder einen Alternativgipfel geben, bei dem sich die Gipfel-GegnerInnen darüber austauschen können, wie für sie eine andere Gesellschaft aussehen soll.
Das sind gute und wichtige Schritte. Aber nur auf die Missstände aufmerksam zu machen und über Alternativen zu diskutieren, reicht nicht. Die Proteste müssen mit konkreten Forderungen und Bewegungen verknüpft werden: Gegen Krieg und Waffenexporte, gegen TTIP, für Entschuldung, Reichtumsbesteuerung und Bankenverstaatlichung, für Bleiberecht und gegen Repression.
Darüber hinaus muss es Raum geben, auch im Rahmen der Gipfel-Proteste eine sozialistische Alternative zum bestehenden kapitalistischen System aufzuzeigen, für eine demokratisch geplante Wirtschaft, in der für die Bedürfnisse aller statt für die Profite weniger produziert wird.
Sie sind nur G7 – wir sind sieben Milliarden
Zudem müssen Überlegungen angestellt werden, wie man den Kreis der Protestierenden erweitern kann, wie man ArbeiterInnen, Jugendliche und Erwerbslose miteinbeziehen und für antikapitalistische Positionen gewinnen kann. Würden die Gewerkschaften ihre Millionen Mitglieder mobilisieren, wäre es wohl möglich, dass das Gipfeltreffen nicht nur massiv gestört, sondern auch verhindert wird.
Leider hielten sich 2007 einige Organisationen und auch die Gewerkschaften zurück, zu Blockaden aufzurufen, und auch fürs nächste Jahr ist es fraglich, wie viele Menschen sich an den Protesten und Blockaden beteiligen. Selbst ob sich die „üblichen“ Kapitalismus- und Globalisierungs-GegnerInnen auf den Weg zum Gipfel nach Bayern machen, ist ungewiss. Mit der Verschiebung der Neueröffnungsfeierlichkeiten der Europäischen Zentralbank (EZB) auf das Frühjahr 2015 und einer damit einhergehenden erneuten Mobilisierung zu einem Tag X sind viele Kräfte der kapitalismuskritischen Bewegung bereits stark in den Vorbereitungen zu den geplanten Blockupy-Protesten eingespannt.
Doch zumindest die Polizei rechnet mit einer großen Anzahl an DemonstrantInnen und bereitet sich bereits vor. Mehr als 10.000 Polizisten sollen in der Zeit um den G7-Gipfel zum Einsatz kommen und allein Bayern gibt für das Treffen 130 Millionen Euro aus, die Kosten für den Bund sind noch nicht bekannt. Anstatt dieses Geld zu verpulvern, um sich von den Protesten derer abzuschotten, die die VerliererInnen dieses Systems sind, sollte es dahin gehen, wo sonst nie genug Geld zur Verfügung steht, wie etwa Gesundheit, Bildung und Soziales.