Berlin „löst” Unterbringungsprobleme auf Rücken von Kindern und Jugendlichen
von Holger Dröge, Berlin
Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Berlin, in den letzten Jahren wurde durch den Berliner Senat versäumt ausreichende Unterkünfte zu schaffen. Die Privatisierung von Gebäuden und Grundstücken führt nun zu Problemen bei der Schaffung von neuen Unterkünften. Nun sollen Containersiedlungen in Berlin entstehen in denen rund 2400 Flüchtlinge untergebracht werden können. In Berlin-Moabit sollen für die kurzfristige Unterbringung zwei Traglufthallen errichtet werden. Das wird nötig, denn in Berlin wird es kalt und damit gibt es wieder Probleme für Obdachlose. Um Platz für diese in der Kältehilfe der Berliner Stadtmission zu schaffen, müssen 100 Flüchtlinge, die derzeit in Räumen der Stadtmission untergebracht sind, diese verlassen. Für die Flüchtlinge, die kurzfristig unterkommen müssen, sind nun die genannten Traglufthallen als Lösung bis Ende Mai 2015 angedacht. Diese Traglufthallen werden auf einem Sportplatz errichtet. Dagegen gibt es Vorbehalte unter Sportvereinen und AnwohnerInnen.
Vorbehalte gegen Traglufthallen, nicht gegen Flüchtlinge
Der Bezirk Mitte, vertreten durch Stadträtin Sabine Smentek und das Landesamt für Gesundheit und Soziales, vertreten durch Franz Allert luden für Dienstag, den 28. Oktober zu einer Informationsveranstaltung in Moabit. Schon in der letzten Woche hatte die Ankündigung der Einrichtung eines Flüchtlingslagers für viele Diskussionen unter SportlerInnen und AnwohnerInnen gesorgt. Bei Sport, beim Spazierengehen mit dem Hund oder im Gespräch mit Nachbarn: Immer war das geplante Flüchtlingslager Thema. Moabit-Ost ist ein Stadtteil mit vielen sozialen Problemen und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sorgen kursierten, angesichts der kaum vorhandenen Informationspolitik, dass Probleme im Kiez entstehen würden. Rund 150 Menschen kamen denn auch zur Informationsveranstaltung. Positiv hervorzuheben ist, dass sich niemand auf der Versammlung gegen die Flüchtlinge aussprach. Mehrere RednerInnen betonten, dass den Flüchtlingen geholfen werden muss und das auch in Moabit. Die Kritik richtete sich ausschließlich gegen zwei Dinge: Die unmenschliche Art der Unterbringung in der Traglufthalle und gegen den konkreten Standort auf einem der wenigen Sportplätze in Moabit. Der Sportplatz, der jetzt geräumt werden muss, wird von 5 Vereinen mit 10 Kinder- und Jugendmannschaften genutzt. Dutzende Kinder, viele mit migrantischen Hintergrund, trainieren hier jeden Tag. Und es ist offen wie es für sie weitergehen wird.
Bund und Land machen es sich einfach
Franz Allert, Leiter des Landesamts für Gesundheit und Soziales (zuständig für die Unterbringung von Flüchtlingen), wies auf die dramatische Lage hin. Alleine in Berlin-Mitte seien bereits 1600 Flüchtlinge in provisorischen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht worden. Angesichts der vielen Krisenherde weltweit sei ein Ende nicht abzusehen. Dann kam auch die gleich die große Überraschung, dass nicht zu garantieren sei, dass die Traglufthallen im Mai 2015 abgebaut werden. Damit droht der Sportplatz dauerhaft für Kinder und Jugendliche verloren zu gehen. Auch wurde von Allert angekündigt, dass die Flüchtlingen in der Halle nur für wenige Tage unterkommen sollen, bevor sie dann in weitere Unterkünfte kommen, aber gleichzeitig von ihm gesagt, dass „die gute Infrastruktur für den Schulbesuch von Flüchtlingskindern” ein Grund für die Standortwahl sei. Hier scheint das Land Berlin also auch andere Pläne zu haben. Wahrscheinlich soll die Möglichkeit bestehen Flüchtlinge länger in diesen Traglufthallen unterzubringen.
Allert gab auf Nachfragen zu, dass die Nutzung von Liegenschaften des Bundes für Notunterkünfte von der zuständigen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben blockiert wird. Aber auch das Land Berlin macht es sich einfach, so verweigert sich wohl die Justizbehörde Gebäude zur Verfügung zu stellen.
Es gibt Alternativen
Schon im Vorfeld hatten sich AnwohnerInnen in Moabit auf die Suche nach Alternativen für die Unterbringung von Flüchtlingen gemacht und waren fündig geworden. In unmittelbarer Nähe des jetzt geplanten Standorts gibt es davon tatsächlich auch einige: Ein ehemaliges Abschiebegefängnis, ein Frauengefängnis und ein Polizeigebäude. Alle diese Gebäude stehen leer, das ehemalige Abschiebegefängnis wird gelegentlich (meist nur am 1. Mai) als Gefangenensammelstelle genutzt „Bestandsimmobilien haben zwar Priorität“, stellte eine Sprecherin des Sozialsenators klar. Aber die Gebäude in der Lehrter Straße seien weder vom baulichen Zustand her noch ihrer Art her geeignet für eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge. AnwohnerInnen vertreten hier allerdings eine andere Sicht. Denn erstens ist eine Renovierung der Gebäude nicht geplant. Aber es werden weiterhin Flüchtlinge nach Berlin kommen und Unterbringung brauchen. Warum werden also diese Gebäude nicht instandgesetzt? Gitter von Gefängnisfenstern lassen sich abmontieren und die Stromversorgung kann wieder hergestellt werden. Sollen sie etwa noch privatisiert werden? Denn in Moabit entstehen zur Zeit viele neue Wohnungen im „höheren Preissegment” und diese leerstehenden Gebäude (allesamt schöne Altbauten) lassen sich sicherlich gut verkaufen.
Polizeisportplatz für Alle öffnen
Aber auch die Polizei in Berlin könnte helfen, wenn sie denn wollte. Direkt gegenüber des geplanten Standorts liegt die Polizeidirektion 3, Polizeidirektion Zentrale Aufgaben, sowie fünf Hundertschaften der Bereitschaftspolizei. Ein riesiges Gelände, das einen Vorzug aufweist. Zitieren wir aus der 21° Ost (Sommer 2014, Zeitung des Quartiersmanagements): „Auf dem perfekt gepflegten Sportplatz drehen die Polizisten ihre Runden, trainieren auch in der gerade sanierten Sporthalle und im Schießkeller. „Der Sportplatz entstand erst nach dem Krieg, darunter liegt der Schutt zerstörter Gebäude“, berichtet Horst-Michael Maaß und zeigt historische Aufnahmen der ehemaligen NS-Kriegs-Akademie. „Manchmal kommen sogar Oberligamannschaften auf den Platz. Zuletzt war es der VfB Stuttgart, der die ruhige Atmosphäre genoss.“
Seit Jahren versuchen Sportvereine vergebens zu erreichen, dass dieser Sportplatz für die Öffentlichkeit geöffnet wird. Denn schon jetzt gibt es viel zu wenig Sportflächen in Moabit. Daher fordern AnwohnerInnen und Sportvereine, dass der Polizeisportplatz endlich – über die bisher wenigen Kooperationen hinaus – für Alle geöffnet wird. Die Polizei sollte ihre mobilen Flutlichtanlagen hier aufstellen anstatt bei Demonstrationen und so eine Nutzung des Platz in den Abendstunden gewährleisten. Damit wäre eine Alternative zu dem durch die Traglufthallen belegten Platz gegeben.
Es geht weiter
Bis Ende März 2015 konnte für die meisten Vereine und Gruppen eine Übergangslösung im Form von Hallentraining vom Sportamt des Bezirks organisiert werden. Das ist erst Mal gut und nimmt viel Druck aus der Diskussion. Aber ab April, wenn alle wieder auf die Sportplätze wollen, kann es eng werden. Dann stellt sich die Frage nach Alternativen erneut. Hier gilt es also den Druck zu erhöhen.
Letztlich ist das gesamte System der Sammelunterkünfte problematisch und menschenunwürdig. Wir brauchen mehr staatlichen Wohnraum in Berlin, nicht nur für Flüchtlinge, sondern für alle in Berlin. Es muss Schluss damit sein, Flüchtlinge gegen AnwohnerInnen auszuspielen. Dazu bedarf es gleicher Rechte für Alle hier lebenden Menschen.
Der Autor ist Mitglied der LINKE Moabit, Anwohner und Mitglied im Allgemeinen Sportverein in Moabit