Rückblick auf die Konferenz „Erneuerung durch Streik“ in Hannover
Mit über 650 TeilnehmerInnen war die zweite Konferenz unter dem Motto „Erneuerung durch Streik“ in Hannover ein großer Erfolg.
von Angelika Teweleit, Berlin
Im Vergleich zur ersten Konferenz im März 2013 waren etwa 150 mehr KollegInnen dabei. Das lag vor allem an der positiven Resonanz, die von der ersten Konferenz ausging. Es spiegelt zudem ein starkes Bedürfnis von linken und kämpferischen AktivistInnen in den Gewerkschaften wider, sich mir anderen auszutauschen: zum einen, um von den Erfahrungen anderer zu lernen, aber auch, um über Alternativen zu Methoden, die häufig als bürokratisch verkrustet gesehen werden, zu diskutieren.
Zustand der Gewerkschaften
In verschiedenen Beiträgen wurde positiv festgehalten, dass die Gewerkschaften trotz allgemeiner Schwächung keine „Dinosaurier“ sind, sondern teilweise sogar ein gewisses Comeback erleben. Das betrifft vor allem die Bereiche, die traditionell nicht so stark organisiert sind. Gerade die Auseinandersetzung im Einzelhandel hat deutlich gemacht, dass es auch möglich ist, in schlecht organisierten Bereichen Arbeitskämpfe zu führen und darüber auch zu wachsen. Dabei wurde auch die enorme Kampfbereitschaft der KollegInnen hervorgehoben. Positiv wurden auch die Beispiele von Charité und Amazon hervorgehoben. KollegInnen der Charité hatten ein Flugblatt dabei, mit dem der Kampf auch in anderen Orten und insbesondere in weiteren Krankenhäusern bekannt gemacht werden kann.
Bernd Riexinger, Vorsitzender der Partei DIE LINKE und ehemaliger ver.di-Geschäftsführer in Stuttgart, stellte in seinem historischen Abriss über die Geschichte gewerkschaftlicher Kämpfe in Deutschland viele wichtige Thesen auf. Wichtig war seine Kritik an der Politik der Gewerkschaftsführungen, dass auch das „Nichtführen von Kämpfen“ zu einer Schwächung geführt habe. Hier bezog er sich vor allem auf das Ausbleiben einer ernsthaften Mobilisierung gegen die Agenda 2010. Es ist wichtig festzustellen, dass die Durchsetzung der neoliberalen Angriffe durch Regierung und Arbeitgeber auch ein Resultat der fehlenden Gegenwehr aufgrund der Politik der Gewerkschaftsführungen war. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn es um die nun anstehenden Herausforderungen geht. Eine Fortsetzung dieser Politik in Form von Zusammenarbeit mit der Regierung zum Beispiel bei TTIP und Tarifeinheit sollte bekämpft werden. Riexinger verwies auch auf die Notwendigkeit, die Frage der Arbeitszeitsverkürzung und damit verbunden der Arbeitsbedingungen wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Hans-Jürgen Urban, Mitglied im IG Metall-Vorstand, sprach ebenfalls darüber, dass TTIP zur Nagelprobe für die Gewerkschaften werde. Es wäre wichtig gewesen, diese Punkte sowie Vorschläge für gemeinsame Initiativen im Plenum diskutieren zu können. Eine solche Debatte war diesmal leider nicht vorgesehen und es wäre gut, wenn diese Möglichkeit beim nächsten Mal gegeben ist.
Resolution gegen gesetzliche Regelung der Tarifeinheit
Die geplante Einführung des Tarifeinheitsgesetzes durch die große Koalition und der damit verbundene Angriff auf das Streikrecht wurden in einer Resolution von der Konferenz klar abgelehnt: http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2014/10/tarifeinheitsresolution1014.pdf
Angesichts der Zustimmung der DGB-Spitze ist dies ein wichtiges Signal. Es kommt nun darauf an, in möglichst vielen Untergliederungen die in der Resolution enthaltenen Forderung nach klarer Positionierung der Gewerkschaften gegen diesen faktischen Angriff auf die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht sowie nach bundesweiten Protesten einzubringen. Unterschriften sollen bis zum 30.11. gesammelt und dann übergeben werden. Daran sollten sich alle beteiligen.
Schade ist, dass in der Resolution nicht konkret auf die aktuellen Arbeitskämpfe von Cockpit und besonders der GDL Bezug genommen wurde und dass KollegInnen, die jetzt in diesen Arbeitskampf gehen, nicht auf der Konferenz vertreten waren. Im Zusammenhang mit der geplanten Gesetzesänderung ist Solidarität mit den kämpfenden KollegInnen bei der Bahn umso wichtiger.
Zusätzlich wurde auf der Konferenz Protest gegen die Räumung des DGB Hauses Berlin-Brandenburg, das wenige Tage zuvor von Flüchtlingen besetzt wurde, zum Ausdruck gebracht. Auch hierzu gibt es eine Resolution und Unterschriftenliste: http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2014/10/dgbberlin_protest.pdf
Vernetzung
Bernd Riexinger sprach in seiner Rede auch von der Notwendigkeit einer Vernetzung in den Gewerkschaften. Es wurden Branchentreffen angeboten, um eine Vernetzung auf dieser Ebene anzustoßen. Es ist wichtig, dass eine branchen-weite Vernetzung von den jeweiligen Aktivistinnen in den Gewerkschaften bzw. Fachbereichen weiter geführt wird. So können Absprachen zu tarifpolitischen Forderungen oder Vorbereitung auf Arbeitskämpfe getroffen werden.
Diesmal gab es leider keine lokalen Vernetzungstreffen. Eine branchen-übergreifende Vernetzung wäre jedoch auch sinnvoll, um auf die Gewerkschaftspolitik (wie zur Frage von Widerstand gegen TTIP, Einschränkung des Streikrechts etc.) Einfluss nehmen zu können. So könnte man gemeinsam Initiativen ergreifen und an gemeinsamen Projekten arbeiten. Man könnte besprechen, in welchen Gremien man die Resolution zur Tarifeinheit einbringen oder auch auch mögliche Protestaktionen gegen das geplante Gesetz anstoßen kann. Man könnte überlegen, wie man die drohenden Angriffe durch TTIP in den Betrieben oder in den Gremien thematisiert. Eine weitere Möglichkeit wäre, sich gemeinsam auf die bevorstehenden Tarifrunden im nächsten Frühjahr vorbereiten und zu diskutieren, ob man eine Ko-ordinierung von Protesten und Streiktagen anstoßen kann.
Die Beteiligung an der Konferenz war gut, dennoch war ein Schwachpunkt, dass noch zu wenige junge betriebliche AktivistInnen (im Vergleich zu einer größeren Anzahl von jüngeren GewerkschaftssekretärInnen) anwesend waren. Deshalb sollte auch diskutiert werden, wie man neue Aktive in den Betrieben aufbauen und für eine Erneuerung der Gewerkschaften gewinnen kann.
Ziel sollte ein bundesweiter Zusammenschluss von kämpferischen und linken KollegInnen aus Betrieben und Gewerkschaften sein, wo Diskussionen zu gemeinsamen Forderungen und den nächsten Mobilisierungsschritten geführt und Beschlüsse gefällt werden. Die LINKE und die Rosa-Luxemburg-Stiftung können eine gute Rolle spielen, um den Anstoß für Vernetzung zu geben. Zusätzlich sollte jedoch eine partei-unabhängige demokratische Vernetzungsstruktur von kämpferischen Gewerkschaftsuntergliederungen, Betriebsgruppen und KollegInnen aus den Betrieben selbst organisiert werden. Linke und SozialistInnen sollten eine Rolle bei der Bildung solch einer Vernetzung spielen und gleichzeitig die gesellschaftspolitischen Fragen und Forderungen in die Diskussion bringen.