Erklärung der Sozialistischen Alternative (SAV)-Köln zur Nazi- und Hooligan-Randale am 26. Okt. in der Kölner Innenstadt
Letzten Sonntag, 26. Oktober, konnten sich Tausende Nazis, Rassisten und extrem rechte Schlägertypen zu einem der größten rechten Aufmärsche der letzten Jahrzehnte in Deutschland formieren. Am Breslauer Platz neben dem Hauptbahnhof, nahe des stark von KölnerInnen mit türkischen oder kurdischen Wurzeln geprägten Eigelsteinviertels, konnten der rechte Mob stundenlang saufen, pöbeln, rassistische Parolen brüllen und Menschen attackieren. Das wiederholte sich beim Marsch Richtung Ebertplatz, danach zogen die „Hooligans gegen Salafisten“ noch stundenlang durch die Kölner Innenstadt.
Auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs, auf dem Bahnhofsvorplatz am Dom, protestierten ca. 1000 Menschen, vor allem von linken Organisationen und antirassistischen Zusammenschlüssen, gegen den rechten Mob.
Für die TeilnehmerInnen dieser Gegendemo war die Situation bizarr und beängstigend zugleich: während weit kleinere rechte Veranstaltungen weiträumig mit Tausenden PolizistInnen abgesperrt werden, konnte jeder am Sonntag ungehindert zu beiden Ausgängen im Bahnhof und dazwischen herum spazieren. Rechte konnten sich ungehindert mit Bier versorgen und sogar zu der antifaschistischen Gegenkundgebung gelangen. Übergriffe konnten die AntifaschistInnen zum Glück unterbinden. Viele RednerInnen auf der Antifa-Kundgebung betonten ihre Solidarität mit dem kurdischen Widerstand gegen den IS in Rojava und Kobanê. Sie erklärten, dass die Nazi-Hooligans von „Ho.Ge.Sa“ sich keinesfalls um die Auseinandersetzung mit dem rechten politischen Islam scheren, sondern den Slogan „gegen Salafisten“ lediglich als Label benutzen, um möglichst unbehelligt rassistische Parolen verbreiten und MigrantInnen angreifen zu können. Den Beweis dafür lieferten die Nazis und rechten Hooligans mit ihrem Verhalten nur wenige Meter entfernt auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs. Nachdem die rechten Schläger trotz ihrer offensichtlichen Gewaltbereitschaft ihren Marsch starten konnten, bildeten die AntifaschistInnen eine Demo zum Friesenplatz.
Ergebnis der Politik
Die Ereignisse in Köln sind Ergebnis einer jahrelangen Politik. Seit Jahren betreiben die etablierten Parteien ihre Hetze gegen alle Menschen aus islamisch geprägten Ländern. Während der US-Imperialismus dem djihadistischen Terror den Boden bereitet hat, haben in Deutschland Regierung und etablierte Parteien alle hier lebenden Menschen aus islamisch geprägten Ländern unter den Generalverdacht des Terrorismus gestellt. Diese Saat ist aufgegangen, das war (nicht erst) am Sonntag zu sehen.
Dieser Sonntag lehrt einmal mehr, dass es unverantwortlicher Leichtsinn wäre, im Kampf gegen das Nazi- und Rassisten- Pack auf die Regierung, etablierte Parteien oder die Polizei zu vertrauen. Selbst nach den Ereignissen von Sonntag, zeigen sie alle unmissverständlich, dass sie weder Willens noch fähig sind, das Problem anzugehen. Innenminster de Maizière sieht keinen Anlass, das Verhalten der Polizei zu kritisieren. Der Kölner Polizeipräsident Albers spricht von einem „taktisch klugen“ Vorgehen, was selbst aus den Reihen der eingesetzten Hundertschaften anders gesehen wird.
Die Behauptung von NRW-Innenminister Jäger (SPD), „Das war keine politische Demonstration, da wurde eine Plattform für Gewalt geschaffen“ (Kölner Stadtanzeiger, 28.10.2014), ist eine Lüge. Hundertfach wurde der Hitlergruß gezeigt, tausendfach ausländerfeindliche und nationalistische Parolen gerufen – das war eine gewalttätige, eindeutig politische Demonstration der extremen Rechten.
Versagen oder Absicht?
Warum standen diesen Massen von Nazis und Rassisten nur 1300 Polizisten gegenüber? Warum wurden nicht bereits die ersten Verstöße gegen Demoauflagen genutzt, um die rechte Kundgebung aufzulösen? Warum wurden nach einer derartigen Randale nur 17 Personen festgenommen? Warum wurde es versäumt, die Personalien eingekesselter Hooligans festzuhalten? Warum wurde der Breslauer Platz nicht abgeriegelt? Und, warum wurde eine Demo von Nazis und rechten Hooligans dort überhaupt genehmigt?
Sollte die Duldung rechten Krawalls möglicherweise dafür sorgen, AntifaschistInnen und Linke einzuschüchtern, weil antifaschistische Gegenmobilisierungen mehrfach Nazi-Aufmärsche erfolgreich verhindern konnten, zuletzt Anfang September in Dortmund ? Oder sollen die Nazi-Krawalle von Köln als Vorwand dienen, das Demonstrationsrecht demnächst weiter einzuschränken, was in der Praxis dann, wie gehabt, vorzugsweise gegen linke Demos genutzt würde? Oder gibt es in der Spitze des Polizeiapparates vielleicht Sympathien für den rechten Mob?
Alles wichtige Fragen, zumal linke und antifaschistischen Demonstrationen mit all dem immer wieder konfrontiert sind, besonders wenn es um das Verhindern faschistischer und rassistischer Aufmärsche geht. Als in Köln im Januar 2012 ein paar Dutzend Anhänger von ‚ProKöln‘ durch Kalk marschieren wollten, hatte die Polizei den Stadtteil in eine Festung verwandelt. 2000 Polizisten waren im Einsatz, doppelte Drängelgitter, Räumpanzer, Pferde wurden aufgeboten, nur um zu gewährleisten, dass Nazis und Rassisten ungestört ihre Hassparolen verbreiten konnten.
Noch rabiateres Vorgehen der Polizei haben wir mehrfach gegen Antifaschisten in Dresden gesehen, einschließlichlich deren anschließender Kriminalisierung und strafrechtlichen Verfolgung.
Aus Fehlern lernen
Dass 3000-4000 besoffene, pöbelnde, grölende rechte Hooligans, darunter viele Nazis, durch Köln ziehen und MigrantInnen und Linke bedrohen, jagen und verprügeln können, ist eine neue Qualität an rechter Gewalt und darf sich weder hier noch anderswo wiederholen. Das kann nur durch breite Gegenmobilisierung verhindert werden. Da gibt es viel zu tun.
Gewerkschaftsfahnen waren bei der Gegendemonstration vor dem Bahnhof leider kaum zu sehen, die DGB-Führung glaubt offenbar, mit einer Unterschrift unter einem Demo-Aufruf und ein paar Statements vom DGB-Vorsitzenden sei ihre Pflicht erfüllt. Nachdem Die Gewerkschaftsführung jahrelang kaum Anstrengungen zur Mobilisierung ihrer Mitglieder unternommen haben, fehlt vielen vielleicht die Vorstellung davon, was die Gewerkschaften mit ihren zehntausenden Mitgliedern in jeder Stadt leisten könnten. Aber es wäre möglich und nötig, die Mitglieder über die Gefahr zu informieren, die das Erstarken und massenhafte Auftreten von Nazis und Rassisten für die Arbeiterbewegung bedeutet; es wäre möglich und nötig, alle Gewerkschaftsmitglieder über soziale Netzwerke, Mails, Briefe, Aushänge, Flyer und Aufrufe in den Betrieben zu mobilisieren, eigene Ordner zum Schutz der antifaschistischen Demo aufzubieten, usw. Das müssen wir in den Gewerkschaften einfordern.
Die LINKE war auf der Antifa-Demo vertreten, aber leider viel zu schwach. Es reicht eben nicht, drei Tage vor der Demo ein mail rum zu schicken. Das ist alles viel zu wenig im Vergleich zu den Möglichkeiten dieser Partei und ihren Aufgaben. Mobilisieren heißt, eigene Flugblätter erstellen, Verteilaktionen und Infostände organisieren.
Und wenn Nazis und Rassisten überregional mobilisieren dann müssen antifaschistische Organisationen, Gewerkschaften und LINKE das selbstredend ebenfalls tun.
Was tun!
Die Rechten haben bereits weitere Kundgebungen angekündigt haben, u.a. für den 9. November (dem Jahrestag der Reichspogromnacht) in Berlin und am 15. November in Hamburg. Gewerkschaften, DIE LINKE, alle antifaschistischen und antirassistischen Organisationen müssen die Konsequenzen aus der Niederlage am 26. Oktober ziehen und sofort mit aller Kraft dagegen mobilisieren, nicht nur mit einer mail oder Presseerklärung, sondern mit Flyern vor Betrieben, Schulen, Berufsschulen, Unis, in den Stadtvierteln.
In Köln gilt es, diese rechte Machtdemonstration nicht im Raum stehen zu lassen, sondern mit einer gut vorbereiteten und breit mobilisierten, großen antifaschistischen Demonstration zu beantworten.
Doch selbst das allein wird nicht reichen. Kapitalismus und Imperialismus sind der Nährboden sowohl für Faschismus wie auch für den wahnwitzigen Terror des IS. Es ist kein Zufall, dass die Ereignisse von Köln zeitgleich stattfinden mit der Häufung von Kriegen in der Welt und der weiteren Militarisierung deutscher Außenpolitik. Der Kampf gegen Rassismus und Faschismus, gegen Imperialismus und Krieg muss verbunden werden mit dem Kampf für eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft. Sozialismus oder Barbarei – diese Worte von Rosa Luxemburg sind höchst aktuell.