Für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik
Die beiden Konferenzen „Erneuerung durch Streik“ sind ein großer Fortschritt, um Erfahrungen aus den Betrieben und Gewerkschaften auszutauschen und nutzbar zu machen. Ausgehend von der diesjährigen Konferenz sollten lokale und Branchen-Vernetzungstreffen geplant werden, um gemeinsame Initiativen zu ergreifen und eine kämpferische Politik in den Gewerkschaften zu stärken.
von Angelika Teweleit, Berlin
Viele AktivistInnen sind mit dem Problem konfrontiert, dass wenige KollegInnen Bereitschaft zeigen, sich aktiv einzubringen.
Positive Beispiele
Auf der letzten Konferenz wurde erklärt, wie es bei ver.di Stuttgart oder auch an der Charité in Berlin mit den Methoden von Beteiligung der Streikenden Ansätze gelangen, um die Kampfkraft zu steigern. Die meisten Menschen sind nur bereit sich zu engagieren, wenn sie sehen, dass es sich auch lohnt. Die Schaffung von solchen und anderen positiven Beispielen zeigen, was mit einer kämpferischen Ausrichtung erreicht werden kann. Dabei sollten Ansätze wie die der „Partizipation“ weiter verbessert werden. Diskutiert werden kann, wie die streikenden KollegInnen die maßgeblichen Entscheidungen über nächste Kampfschritte und Abschlüsse selbst treffen und wie eine demokratische Entscheidungsfindung auch überregional organisiert werden kann. Die Gewerkschaften müssen insgesamt als Kampforganisationen erfahrbar werden, um die Identifikation der Beschäftigten mit ihnen zu stärken und um erfolgreiche Kämpfe zu führen. Es müssen auch Strategien überlegt werden, wie eine kämpferische Politik in den Gewerkschaften durchgesetzt werden kann.
Sozialpartnerschaft oder Überwindung des Systems?
Noch immer vermitteln die Führungen der Gewerkschaften in Deutschland – bei allen Unterschieden zwischen ihnen – die Vorstellung, als könnten mit der Kooperation mit Arbeitgebern und Regierung die Interessen der abhängig Beschäftigten am besten durchgesetzt werden. Dieses Bild konnte durch die wirtschaftliche Sonderentwicklung Deutschlands nach der großen weltweiten
Krise 2007-2009 gestärkt werden. Das ist aber – wenn überhaupt – nur eine vorüber gehende Erscheinung. Angriffe der Kapitalseite werden nun zum Beispiel über das Freihandelsabkommen TTIP vorbereitet. Die grundsätzliche Bereitschaft der DGB-Führung und das gemeinsame Positionspapier mit den Bundeswirtschaftsministerium zu den TTIP-Verhandlungen ist ein Skandal und manifestiert die Haltung: die Interessen der Beschäftigten sind das eine, die Wettbewerbs- und Standortinteressen der Wirtschaft sind dabei aber (prioritär) zu beachten. Eine solche Politik führt zu Niederlagen für die Beschäftigten und dagegen ist Opposition erforderlich.
Die Logik der so genannten Sozialpartnerschaft kann letztlich nur durchbrochen werden, wenn das kapitalistische Profitsystem insgesamt in Frage gestellt wird. Eine Debatte über die Notwendigkeit eine grundsätzliche Systemveränderung in Richtung einer sozialistischen Alternative sollte in den Gewerkschaften wieder intensiviert werden.
Tarifrunden 2013/2014 – Chancen nicht genutzt
In den letzten beiden Jahren haben die Gewerkschaftsführungen erneut Chancen für Mobilisierungen nicht genutzt. Die IG Metall-Führung verzichtete 2013, wie schon in den Jahren seit 2002, auf Streik. In der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen in diesem Jahr konnte – auch durch Druck von unten – endlich ein Sockelbetrag durchgesetzt werden. Dennoch wäre auch hier die Chance gewesen, mit Urabstimmung und Streiks mehr herauszuholen.
Leider gibt es keinerlei Anstrengungen der Führungen der Einzelgewerkschaften, die einzelnen Tarifkonflikte durch das Zusammenführen von Protesten und Mobilisierungen der Beschäftigten aus den verschiedenen Branchen in eine breitere gesellschaftliche Bewegung münden zu lassen. Alleine die Bereiche Bund und Kommunen, Einzelhandel, Telekom, Amazon und andere hätten in diesem Jahr ko-ordiniert werden können. Auf diese Weise hätte die Möglichkeit bestanden, die Stimmung aufzugreifen, dass der massiven Umverteilung zugunsten der Reichen ein Riegel vorgeschoben werden muss. Das hätte das Vertrauen vieler in die Gewerkschaften wieder beleben und eine Politisierung in den Betrieben bewirken können.
Erneuerung der Gewerkschaften – als Kampforganisationen
Wie kann die Politik der Gewerkschaften hin zu einem kämpferischen Kurs verändert werden? Wie kann die Zusammenkunft auf der Konferenz genutzt werden, um diesen Prozess voran zu treiben?
Der Aufbau gewerkschaftlicher Strukturen im eigenen Betrieb, die Schaffung von betrieblichen oder regionalen kämpferischen Hochburgen ist Voraussetzung für alles weitere. Um kämpferische Ansätze zu verbreitern und um in aktuellen Auseinandersetzungen eine kämpferische Strategie durchzusetzen, ist es auch nötig, sich besser zu ko-ordinieren. Das könnte beispielsweise im Einzelhandel helfen, um Zugeständnisse durch die Teile der ver.di-Verhandlungsführung bei der Prozessvereinbarung zu verhindern, sowie einen möglichen Arbeitskampf 2015 noch besser vorzubereiten.
Es wäre sinnvoll, gemeinsame Projekte und Forderungen zu entwickeln, um Alternativen aufzuzeigen. Ein mögliches Projekt wäre, sich gemeinsam auf die Tarifrunden 2015 vorzubereiten.
Tarifkämpfe zusammen führen und politisieren
Eine wichtige Auseinandersetzung wird die Tarifrunde in den Erziehungsdiensten. Dieser Arbeitskampf wird eine starke Solidaritätsbewegung aus der arbeitenden Bevölkerung (insbesondere Unterstützung von Eltern) erfordern. Die Auseinandersetzung fällt zusammen mit der Tarifrunde TV-L (Länderbeschäftigte) und eventuell gibt es im Frühjahr auch eine Neuauflage des Arbeitskampfes im Einzelhandel. An der Berliner Charité geht Anfang nächsten Jahres der Kampf für mehr Personal in die nächste Runde. Darüber hinaus läuft die Tarifrunde in der Metallindustrie.
Es wäre ein großer Schritt nach vorn, wenn eine stärkere Ko-ordination der Tarifkämpfe, gemeinsame Protestkundgebungen (als erster Schritt auf lokaler Ebene) gelänge, um Solidarität, Selbstbewusstsein und Kampfkraft der Beschäftigten zu stärken.
Solch eine Koordinierung der Tarifrunden hin zu einer breiten Mobilisierung ist von den jetzigen Führungen der Einzelgewerkschaften nicht zu erwarten. Was aber möglich ist, wenn sich linke und kämpferische AktivistInnen koordinieren, zeigt das Beispiel aus Großbritannien: trotz jahrelanger Blockade von einigen Gewerkschaftsführungen wird im Herbst nun schon der zweite Streik des gesamten öffentlichen Dienstes stattfinden.
Die Konferenz in Hannover sollte genutzt werden, sich abzustimmen, um über die bundesweiten Treffen hinaus handlungsfähig zu werden. So könnten – ausgehend von der Konferenz – lokale Treffen im November/Dezember organisiert werden, um eine Vorbereitung auf die Tarifauseinandersetzungen , die Organisierung von Solidaritätskomittees und die Möglichkeiten für Solidarität unter den Betrieben, eine Koordination durch gemeinsame Proteste und wie man vor Ort durchsetzen könnte, besprochen werden. Diese Treffen könnten auch helfen, um sich für eine Kampagne der DGB-Gewerkschaften gegen die Einschränkung des Streikrechts beziehungsweise gegen TTIP zu organisieren.
Angelika Teweleit ist Mitglied der Bundesleitung der SAV und verantwortlich für den Bereich „Betriebe und Gewerkschaften“
Dafür setzt sich die SAV ein:
- Schluss mit Co-Management und Akzeptanz der Wettbewerbslogik durch die Gewerkschaftsführungen!
- Widerstand gegen TTIP, Privatisierungen, Arbeitsplatzabbau, Einschränkung des Streikrechts
- Kampf für ein Investitionsprogramm und mehr Arbeitsplätze in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Bildung; 30 Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich; schnelle Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ohne jede Ausnahme
- Für branchen-übergreifende Proteste (z.B. gemeinsame Mobilisierungen bei zeitgleichen Tarifrunden)
- Demokratische Streikführung durch Streikversammlungen und demokratisch gewählte Streikleitungen (örtlich und überregional)
- Wähl- und jederzeitige Abwählbarkeit aller Gewerkschaftsfunktionen
- Begrenzung von Funktionärsgehältern auf einen Durchschnittslohn
- Für eine politische und personelle Alternative zur jetzigen Gewerkschaftsführung
- Vernetzung von kämpferischen Betriebsgruppen, Gewerkschaftsuntergliederungen und AktivistInnern
- Verbindung der gewerkschaftlichen Kämpfe mit dem Kampf für eine Überwindung des kapitalistischen Profitsystems