Bericht von der Mitgliederversammlung des KV Göttingen
Nach monatelangen Auseinandersetzungen hat am 15.9. eine Mitgliederversammlung des Kreisverbandes Göttingen mit der Wahl eines Kreissprecherrates (KSR) Chancen für einen Neuanfang geschaffen.
von Heino Berg und Eberhard Schmidt, Göttingen
Die seit einem halben Jahr aufgeschobene Kreismitgliederversammlung war mit 60 Anwesenden mehr als doppelt so gut besucht wie sonst. Von den drei KreissprecherInnen, die Anfang des Jahres durch die Nichtaufnahme eines solid-Mitglieds eine Spaltung des sechs-köpfigen Kreisvorstands hervorgerufen und anschließend nicht nur die Linksjugend und die Antikapitalistische Linke (AKL), sondern den Kreisverband insgesamt im Wahlkampf blockiert hatten, ist eine inzwischen aus der Partei ausgetreten, die beiden anderen (darunter der Medienverantwortliche Reitemeyer) traten nicht mehr zu den Neuwahlen an.
Ihre Gruppierung stellte aber zunächst den Antrag, nur Parteimitgliedern die Teilnahme zu erlauben und damit nicht nur viele solid-Mitglieder, sondern auch den Genossen Manuel Dornieden auszuschließen, dessen Nichtaufnahme in die Partei ja den Konflikt ausgelöst hatte. Dieser Antrag wurde jedoch mit großer Mehrheit abgelehnt.
Die anschließende Diskussion über die Ursachen der Krise des Kreisverbandes, die von Mitgliedern des Landesvorstands geleitet wurde, litt unter mangelhafter Vorbereitung. So konnte zwar ein Bilanzpapier von drei KreissprecherInnen verschickt werden, nicht aber Bewerbungsschreiben und politische Anträge der Antikapitalistischen Linken (AKL), mit denen die Mitglieder Einfluss auf die politische Arbeitsplanung des neuen KSR und Regeln für die innerparteiliche Diskussion hätten nehmen können. Da die Anwesenden diese Vorschläge und Anträge nicht kannten, wurden sie hinter die Wahlgänge verschoben und – wie der zum Fall Dornieden – dann gar nicht mehr behandelt. Die Kritik insbesondere von Dr. Joachim Bons an innerparteilicher Zensur und Ausgrenzungen, von denen nicht nur Linksjugend-, AKL- und SAV-Mitglieder, sondern auch Kreissprecher wie er selbst oder Ulrich Maschke betroffen waren, fand an diesem Abend breite Zustimmung. Beschlossen wurde allerdings nur eine Arbeitsgruppe, die dazu Vorschläge erarbeiten und einer weiteren KMV zur Abstimmung vorlegen soll. Auch das gegen den bisherigen Kreissprecher Maschke von seinem Sprecherkollegen Tegtmeyer beantragte Parteiausschlussverfahren zeigt, dass solidarische Umgangsformen im Kreisverband noch lange nicht selbstverständlich sind.
Für die Neuwahlen trat dann überraschend eine „Mannschaft“ von „neutralen KandidatInnen“ um das frühere Landesausschuss- und AKL-Mitglied Christoph Filler an, die vor allem damit warb, dass sie sich – im Gegensatz zu AKL-Mitgliedern – an den Konflikten im KV nicht beteiligt hätten. Durch diese erst am Vorabend der KMV ausgehandelte Liste sollte die „Entmachtung“ der untragbar gewordenen „Blockademeyers“ möglichst geräuschlos vollzogen werden, auch wenn aktive bisherige KreissprecherInnen sowie KandidatInnen des linken Parteiflügels in diesem Tableau keinen Platz haben sollten. Kristof S. Roloff, der für die Linksjugend kandidierte, und Max Westenthanner für die AKL konnten unter diesen Umständen mit 14 beziehungsweise elf Stimmen immerhin Achtungserfolge erzielen. Nachdem eine Erweiterung des Sprecherrates von bisher sechs auf acht Mitglieder abgelehnt wurde, sind AKL und Linksjugend in diesem „Übergangs-KSR“, der vor allem die Situation „beruhigen“, geeignete KandidatInnen finden und bis längstens Mitte 2015 amtieren soll, damit nicht vertreten, sollen aber auch nicht mehr wie bisher ausgegrenzt werden. Christoph Filler hatte sich schon in seiner Vorstellung für die Vorschläge der AKL bedankt und sie weitgehend für die Planung des Übergangs-KSR übernommen. Er sagte zu, dass Stellungnahmen in Verantwortung dieser Gliederungen künftig auf der Webseite und in den Mailverteilern nicht mehr zensiert würden.
Insgesamt haben sich damit die Bemühungen des linken KV-Flügels um eine Demokratisierung des Göttinger Kreisverbandes gelohnt: Zumindest die Voraussetzungen für antikapitalistische Initiativen und Diskussionen scheinen deutlich verbessert, auch wenn sich erst noch zeigen muss, wie tragfähig hastige Personalkompromisse sind, wenn sich die inhaltlichen Auseinandersetzungen in Bundes- und Landespartei – unter anderem über Regierungskoalitionenen mit Kriegs- und Kürzungsparteien – nach ihrem Desaster in Brandenburg wieder verschärfen sollten.
Dokumentiert: Pressemitteilung des neuen Kreissprecherrates vom 16.9.14
Erfolgreicher Verlauf der Kreismitgliederversammlung DIE LINKE. Kreisverband Göttingen – Neuer Sprecherrat gewählt, Transparenz für Mitglieder geschaffen und neue Veranstaltungsreihe auf den Weg gebracht
In der außerordentlich gut besuchten Mitgliederversammlung des Kreisverbands Göttingen der Partei DIE LINKE. wurden mit einer sehr großen Mehrheit die Weichen für eine personelle und organisatorische Neuaufstellung des Kreisverbandes gestellt.
In der grundsätzlich ruhig und sachlich geführten Aussprache über den Umgang innerhalb des Kreisverbands, wurde die aktive Teilnahme der Parteijugendorganisation LINKSJUGEND-solid gewürdigt und deutlich hervorgehoben, dass der Jugendverband, als festen Bestandteil der Parteigliederung, gesehen wird.
Als roter Faden zur Strukturierung der Diskussion dienten mehrere Konzeptpapiere und im Vorfeld an die Mitglieder verschickte Informationen der ehemaligen Mitglieder des Kreissprecherinnenrats und anderer Gliederungen des Kreisverbandes.
Im Ergebnis herrschte ein großer Konsens, dass es erforderlich ist, durch neue Strukturen und Organisationsformen zukunftsorientiert inhaltlich politisch zu arbeiten und der neue Kreissprecherinnenrat beauftragt, der nächsten Kreismitgliederversammlung einen Beschlussvorschlag für eine und ‚Nettiquette‘ für alle Mitglieder vorzulegen.
Ferner wurde auf Grundlage der Debatte der Sozialwissenschaftler Christoph Filler, die Studentin Sabrina Vache, der Ökonom Alexander Sohn, die selbstständige tätige Barbara Kunis und der Universitätsprofessor Wolfgang Krumbein zu Sprechern des Kreisverbandes gewählt.
Stellvertretend für die neue gewählten Sprecher des Kreisverbandes dankte Christoph Filler der Versammlung für die solidarische Diskussion und sagte zu: „Wir werden zeitnah neue Strukturen für Information, Diskussion und programmatische Inhalte setzen.“
Darüber hinaus wurde die Durchführung einer Veranstaltungsreihe – Der ROTE SALON – beschlossen, welche jeden ersten Montag im Monat mit Referentinnen und Referenten aus verschiedenen Strömungen der Partei Die Linke., unterschiedliche Ansätze und Konzepte zur Ausgestaltung einer nicht kapitalistischen Gesellschaft und aktuellen politischen Fragestellungen diskutiert.
Die Besucherinnen und Besucher der Mitgliederversammlung zeigten sich sehr zufrieden mit dem Verlauf und den Beschlüssen der Versammlung.