Flugblatt der SAV
- Solidarität mit dem Widerstand
- Kein Vertrauen in die Imperialisten
- Für Massenmobilisierungen und den Aufbau einer multiethnischen Arbeiterbewegung
Die Truppen des „Islamischen Staats“ (IS) ziehen mordend, vergewaltigend und brandschatzend durch den Irak. Hunderttausende sind auf der Flucht. Vor allem die JesidInnen, aber letztlich alle Menschen, sind bedroht.
Viele Menschen, darunter auch einige Linke, hoffen, dass die Luftschläge der USA eine Hilfe im Kampf gegen die Dschihadisten sind. Auf den ersten Blick erscheint das nachvollziehbar. Wieso auf Hilfe verzichten, wenn dadurch ein drohender Völkermord verhindert werden kann? Doch Luftschläge der USA und/oder anderer westlicher imperialistischer Staaten könnten mehr negative als positive Folgen für die Menschen im Irak haben.
Verantwortung der Imperialisten für IS-Aufstieg
Der IS ist das Frankenstein-Monster des US-Imperialismus. Er ist ein Ableger von Al Qaida, die bekanntlich aus den islamistischen Mujaheddin hervorgegangen sind, die gegen das sowjetfreundliche und nichtkapitalistische Regime in Afghanistan in den 1980er Jahren kämpften – und direkt von den USA ausgebildet und finanziert wurden. Als die Sowjetunion Geschichte wurde, wandten sich die Islamisten gegen die USA und die USA gegen die Islamisten, die ein Hindernis bei der Ausbeutung und neokolonialen Dominanz über den Nahen und Mittleren Osten wurden. Auf den Krieg gegen das Taliban-Afghanistan folgte der Krieg gegen den Irak unter Saddam Hussein.
Der Krieg der USA war ein Krieg für die Kontrolle über die irakischen Ölquellen (wie schon der so genannte erste Golfkrieg 1991). Er wurde mit dem Versprechen auf Demokratie und Freiheit geführt. Ergebnis ist der Zerfall und Niedergang des Irak, Bürgerkrieg, religiöse Spaltung – und der Aufstieg des IS. Die Lehre daraus ist: die imperialistischen Staaten handeln niemals im Interesse der Völker des Nahen und Mittleren Ostens! Auf sie ist kein Verlass!
Während unter Saddam Hussein die schiitische Bevölkerungsmehrheit ausgegrenzt und diskriminiert wurde, drehte sich der Spieß unter den neuen Machthabern von US-Gnaden um. Unter dem schiitischen Präsidenten Al-Maliki sind es die Sunniten, die sich entrechtet fühlen. Deshalb erhält der IS auch Unterstützung von Kräften der früheren Baath-Partei Saddam Husseins.
Aufbau einer Massenbewegung nötig
Natürlich müssen die Truppen des IS gestoppt werden. Aber der notwendige militärische Kampf muss politisch begleitet werden mit einer Strategie, die die einfachen sunnitischen ArbeiterInnen und Bäuerinnen und Bauern erreichen und eine Einheit der einfachen Bevölkerung des Irak von unten herstellen kann. Nach den Erfahrungen der letzten elf Jahre ist klar, wer diese nicht wird erreichen können: die USA und ein wie auch immer zusammen gesetztes pro-kapitalistisches Regime in Bagdad. Nötig ist der Aufbau einer multiethnischen Arbeiterbewegung, die Selbstverteidigungsmilizen schafft, um den Kampf gegen den IS und andere reaktionäre Kräfte führen zu können.
Jede US-Bombe mag in diesem Zusammenhang möglicherweise ein unmittelbares militärisches „Argument“ gegen den IS sein, politisch wird sie aber die Propaganda des IS stärken: „Seht her, schon wieder wollen die USA einen selbständigen Irak durch Bombenterror verhindern!“
Hinzu kommt, dass es alles andere als sicher ist, dass die von den USA geführten Luftschläge tatsächlich eine Zerstörung des IS zum Ziel haben, noch ist es sicher, dass sie nicht – wie die angeblich gegen die Hamas gerichteten Bombenangriffe in Gaza – das Leben unschuldiger ZivilistInnen fordern werden. Es sollte nicht vergessen werden, dass der NATO-Partner Türkei sehr wahrscheinlich unterstützend für den IS wirkt. Und eine Niederlage der Dschihadisten würde in der gegenwärtigen Situation einer Stärkung der linken kurdischen Befreiungsbewegungen gleich kommen – etwas, das die USA ganz sicher nicht anstreben.
Rojava
Diesen ist es in Rojava gelungen, eine autonome Region zu begründen, die erste Schritte zur Durchsetzung demokratischer und sozialer Maßnahmen versucht. Die in Rojava dominierenden Kräfte der PYD haben im syrischen Bürgerkrieg deutlich gemacht, dass sie keinen Kampf entlang ethnischer oder religiöser Linien führen. Die Volksverteidigungseinheiten der YPG (in Syrien) und HPG (im Irak) und die mit ihnen verbundene PKK in den Kurdengebieten der Türkei stellen zur Zeit die Hauptkraft dar, die einen fortschrittlichen Anspruch hat und nicht mit dem westlichen Imperialismus paktiert (wie der Kurdenführer Barzani im Nordirak) oder religiöses Sektierertum vorantreibt und die das Potenzial hat, dem IS militärisch wirkungsvoll etwas entgegenzusetzen. Viele Linke und KurdInnen setzen verständlicherweise ihre Hoffnungen auf den Kampf der YPG-, HPG- und PKK-KämpferInnen.
Gleichzeitig ist die zukünftige Entwicklung der PKK, PYD und der mit ihnen verbundenen militärischen Kräfte alles andere als sicher. Sie vertreten kein klares sozialistisches Programm und als vor allem nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Kräfte laufen sie Gefahr, dass sie bürokratische bzw. undemokratische Top-Down-Strukturen in von ihnen kontrollierten Gebieten reproduzieren.
In einem Interview hat der Chefkommandeur der YPG, Sipan Hemo, außerdem unter anderem den Eindruck erweckt, dass die Ziele der YPG mit denen des Westens übereinstimmen würden, sollte dieser tatsächlich eine demokratische Entwicklung in der Region wollen. Letzteres erwägend, fordert er die USA und den Westen zur Unterstützung der KurdInnen und der YPG auf. Vor einer solchen Orientierung auf die westlichen imperialistischen Mächte kann man die KurdInnen nur warnen. Der US-Imperialismus hat nur seine eigenen Interessen im Blick. Diese sind nicht Demokratie, sondern Kontrolle über die Ölvorkommen und größtmögliche Dominanz über den Nahen und Mittleren Osten.
Deshalb ist der Weg im Kampf gegen den Islamischen Staat weder durch eine Zusammenarbeit mit den USA zu führen, noch mit den reaktionären Kräften der irakischen Regierung oder der pro-imperialistischen kurdischen Parteien des Nord-Irak KDP von Barzani und PUK von Talabani.
Die KämpferInnen der PKK und der YPG/HPG vertreten den Anspruch für alle vom IS bedrohten Menschen zu kämpfen. Mit diesen und mit solchen Kräften in der irakischen Bevölkerung, die sich gegen die Dschihadisten und die korrupte Maliki-Regierung stellen, sollte nicht nur der militärische Kampf geführt werden, sondern vor allem auch an den Aufbau einer multiethnischen, sozialistischen Bewegung gegangen werden. Ohne eine demokratisch strukturierte multiethnische und multireligiöse Massenbewegung, die in der Lage ist, die soziale Basis des IS und seiner Verbündeten in der sunnitischen Bevölkerung zu untergraben und eine Einheit von unten auf Klassenbasis herzustellen, wird es für die Bevölkerung im Irak keine Zukunftsperspektive von Frieden und sozialer Entwicklung geben können. Stattdessen wird die Gefahr wachsen, dass nationale und religiöse Spaltungen sich vertiefen, der Irak zerfällt und neue Diktaturen Fuß fassen.
Dass es für den Aufbau einer Massenbewegung sehr wohl ein Potenzial in diesem urbanisierten und industrialisierten Land gibt, zeigten gemeinsame Demonstrationen von Schiiten und Sunniten gegen Al-Maliki vor einigen Jahren. PKK, PYD und YPG/HPG sollten sich deshalb nicht auf den militärischen Kampf beschränken, sondern Appelle an die einfache Bevölkerung des gesamten Iraks richten und diese zum gemeinsamen Kampf gegen des „Islamischen Staat“ und für ein freies, demokratisches und durch soziale Gleichheit bestimmtes Land aufrufen und einen Beitrag zum Aufbau demokratischer Massenorganisationen leisten. Dazu ist ein Programm gegen die Dschihadisten, gegen die lokalen Warlords und das Regime in Bagdad, gegen den westlichen Imperialismus und für eine sozialistische Demokratie nötig.
Rolle Deutschlands
Die Bundesrepublik spielt eine Rolle bei der Unterstützung für den Islamischen Staat: durch die Zusammenarbeit mit der Türkei, durch Waffenexporte an Saudi-Arabien und durch das hier geltende Verbot der PKK. Gleichzeitig versuchen Kräfte im Bürgertum, die eine größere Rolle Deutschlands in der Weltpolitik anstreben, den Vormarsch des IS zu nutzen, um ein stärkeres deutsches „Engagement“ einzufordern.
Deshalb fordern wir:
- Nein zu einem Bundeswehreinsatz im Irak und zu Waffenlieferungen an die irakische Armee
- Weg mit dem PKK-Verbot in der Bundesrepublik; Streichung der PKK von der Liste terroristischer Organisationen durch die EU
- Schluss mit Waffenexporten an die Türkei und Saudi-Arabien
- Hilfslieferungen an die autonome Region Rojava und die Flüchtlinge im Nordirak
- Schluss mit dem Vorgehen des türkischen Staats gegen die Solidaritätsbewegung mit Rojava
- Aufhebung des Embargos durch die Türkei und die Nordirakische Kurdenregion gegen Rojava
- Schließung der türkischen Grenze für Kämpfer des IS