Auf dem Stadtparteitag in Dresden wurde am Dienstag einer rot-rot-grünen Kooperationsvereinbarung mit großer Mehrheit zugestimmt
Seit der Kommunalwahl im Mai 2014 gibt es im Dresdner Stadtrat eine knappe Mehrheit für LINKE, SPD, Grüne und Piraten. Die Linkspartei ging deshalb auf die anderen Parteien zu und initiierte Verhandlungen über eine sogenannte Kooperationsvereinbarung. Das Ergebnis wurde gestern in einem kurzfristig anberaumten Parteitag zur Abstimmung vorgelegt.
Zur Abstimmung standen nur zwei Anträge: die Beschlussvorlage des Stadtvorstandes und der Antrag von zwei GenossInnen, die Vereinbarung abzulehnen.
Ohne diesen Gegenantrag wäre der Parteitag vermutlich nach einer Stunde voller Lobreden beendet gewesen. Die Stimmung der ca. 150 Anwesenden wirkte wie vor 25 Jahren: Es wurden mit pathetischen Gesten verkündet, dieser oder jene Stadtbezirk stehe geschlossen hinter der Vereinbarung und der Gegenantrag sei eine Provokation. „Wollte ihr etwa ein „Weiter so“? „Wenn wir diese Vereinbarung ablehnen, treiben wir SPD und Grüne der CDU geradezu in die Arme!“ „Wie wollt Ihr den Wählern erklären, dass wir den Auftrag, den sie uns gegeben haben, nicht annehmen?“ Auch der Jugendverband äußerte sich sehr zustimmend und erfreut über das Projekt und wiederholte die an diesem Abend zigmal ausgerufene Wahlparole: 25 Jahre CDU seien genug.
Was ist Inhalt der Vereinbarung?
Es seien viele gute Kompromisse gefunden worden, wurde immer wieder betont. So sei die Rechtsformänderung der Krankenhäuser vom Tisch, eine neue städtische Wohnungsgesellschaft soll gegründet werden und es soll ein Sozialticket eingeführt werden, das seinen Namen auch verdient. Die Liste der Vorhaben klingt nicht schlecht. Auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass die Vorhaben sehr allgemein formuliert sind, jegliche Radikalität fehlt und keine Konkretisierungen vorgenommen wurden.
Beispiel städtische Krankenhäuser: „Die Defizite unserer kommunalen Krankenhäuser wollen wir abbauen, die Umwandlung der Krankenhäuser Friedrichstadt und Neustadt in eine private Rechtsform lehnen wir ab.“ Dorit Wallenburger gab in ihrem Redebeitrag zu bedenken, dass sie ebenfalls den Erhalt der Eigenbetriebe für unverzichtbar hält, wenn Qualität der Versorgung und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten erhalten bleiben sollen. Ein Abbau des Defizits bedeutet aber bei der aktuellen Finanzierungslage der Krankenhäuser vor allem Stellenabbau und höhere Belastung der Beschäftigten. Schon jetzt werden permanent Stellen abgebaut. „2012 haben wir den Erhalt der Eigenbetriebe heldenhaft erkämpft, gegen alle Prophezeiungen und gegen den Widerstand der Grünen. Und jetzt sollen ihre Zustimmung zu dem Ziel ein Verhandlungserfolg sein, für den wir sogar noch Opfer bringen?“
Zum Beispiel städtische Wohnungsgesellschaft:“Es muss ein Wohnungskonzept entwickelt werden, zu dem auch der Wiederaufbau eines kommunalen Wohnungsbestands gehört.“ Das Bürgerbegehren, für welches schon seit einiger Zeit halbherzig Unterschriften gesammelt werden, ist damit hinfällig. Die drei Parteien sind sich einig, eine städtische Wohnungsgesellschaft zu gründen. Doch kein Wort über die Finanzierung. Keine Angabe zur geplanten Anzahl der Wohnungen, den Zeitraum oder wie sie verwendet werden sollen.
In den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ vom 27.08. verlautbarte der Vorsitzende der Dresdner Stadtratsfraktion der LINKEN, André Schollbach, die neue Wohnungsbaugesellschaft solle eine Tochter der Stadt werden. Doch auch hier schwieg er wieder zur genauen Rechtsform und kündigte gleich an, man werde lange Zeit brauchen, um eine marktrelevante Anzahl von Wohnungen zu schaffen. Die Stadt würde die Tochtergesellschaft mit Grundstücken als Kapitalgrundlage ausstatten.
Von mehreren Rednern der Befürworter wurde geäußert, dass die Ziele der Vereinbarung nur in Zusammenarbeit mit der Basis und den außerparlamentarischen Bewegungen umgesetzt werden können. Aber es gibt keinen Plan, wie das geschehen soll. Im Gegenteil ist die Hoffnung fast schon irrational, dass man nun mit dieser Vereinbarung den wichtigsten Schritt zur Umsetzung gehen würde.
Als Steve Kühne vorschlug, eine Konferenz einzuberufen, in der alle Beschäftigtenvertreter der städtischen und sozialen Einrichtungen gefragt werden, was ihr Bedarf ist, rief ein Parteimitglied ihm zu: „Na dann mach das doch!“ Immerhin erhielt er einigen Beifall, als er erklärte, dass sozialistische Kommunalpolitik im Kapitalismus vor allem auch bedeute für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen zu kämpfen. „Wer den Reichen nichts nimmt, kann den Armen nichts geben“, müsse die Leitlinie dieser Politik sein. Dabei erinnerte er an den Liverpooler Stadtrat der 80er Jahre und die Sozialistin Kshama Sawant aus Seattle, die mit Erfolg in ähnlicher Weise verfahren seien. Im Gegensatz dazu hätte „Rot-Rot“ in Berlin Sozialabbau betrieben.
Ausgeglichener Haushalt
„Wir werden den Doppelhaushalt 2015/2016 gemeinsam verabschieden. Der Haushalt wird ohne die Aufnahme von Krediten ausgeglichen.“
Obwohl sich in den Redebeiträgen auch die Befürworter gegen die Schuldenbremse aussprachen, ist dieser Teil der Vereinbarung die vielleicht dickste Kröte, die geschluckt werden soll. Dass wir mit Zustimmung zu einem Haushalt ohne Kredite unsere vereinbarten Ziele gar nicht umsetzen können, wollte niemand richtig wahrhaben. Zumal das Abkommen nicht die Forderung stellt für eine bessere finanzielle Ausstattung der sächsischen Landeshauptstadt durch Land und Bund zu erkämpfen.
Auftretende oder steigende Defizite in städtischen Unternehmen würden so schnell Einsparungen nach sich ziehen. Aktuell ist es der erst vor einem Jahr aus dem Eigenbetrieb Sportstätten ausgegründete Bäderbetrieb, der tief im Minus steht. Aber auch die zwei Krankenhaus-Eigenbetriebe schreiben rote Zahlen. Was, wenn die SPD im Bund weiteren Kürzungen im Gesundheitsbereich zustimmt. Dann wäre die Dresdner LINKE gezwungen sie in der Kooperation umzusetzen, denn mehr Geld will man nicht erkämpfen, Kredite aber ebenfalls nicht aufnehmen.
Auch Jens Matthis vom Stadtvorstand der Partei hielt fest, dass unsere Bedenken „ernst zu nehmen seien.“ Und es ökonomisch und politisch unsinnig ist sich auf ein Verzicht zur Aufnahme von Krediten festzulegen. Es gäbe auch die Gefahr des „grandiosen Scheiterns.“ Das Abkommen sollte der Parteitag aber dennoch annehmen.
Die gesamte Spitze der Dresdner LINKEN räumte ein, dass das Abkommen über eine ganze Reihe von Themen schweige und die dargelegten Inhalte noch konkreter werden müssten, man wolle da auch weiter verhandeln. Der Parteitag musste also die Katze im Sack kaufen.
Trotzdem verabschiedete der Parteitag das Abkommen gegen lediglich zwei Gegenstimmen. Schaut man auf die bisherigen Erfahrungen mit „Rot-Rot“ dürfte aus Sicht der lohnabhängig Beschäftigten das „grandiose Scheitern“ wohl vorprogrammiert sein.