2000 SchülerInnen und Studierende protestieren für Flüchtlinge
von Michael Koschitzki, Berlin
„In Hamburg greift die Polizei noch richtig durch“ mag sich die Berliner Polizei gedacht haben. Dort wurden Flüchtlingscamps und Demos von der Polizei noch mehr schikaniert und Besetzungen nicht zugelassen. Zwischendurch wurde – auch wegen der Roten Flora – St. Pauli zum Gefahrengebiet erklärt. Die Berliner Polizei wollte dem nicht nachstehen und errichtete kurzerhand ihr eigenes kleines Gefahrengebiet in Kreuzberg.
Am 24. Juni wurden nach einer Entscheidung des Innenausschusses 1000 Polizisten rund um die ehemalige Gerhart-Hauptmann Schule in Kreuzberg zusammen gezogen. Sie wurde im Zuge der Flüchtlingsbewegung besetzt und auch zum Zentrum der Bewegung. Probleme in der Schule waren real. Viele lebten auf engstem Raum. Es gab nur eine Dusche für über 200 Menschen. Sie wurde auch der Ort einer Auseinandersetzung, die zum Mord eines Flüchtlings durch den anderen führte. Andere Probleme waren jedoch übertrieben, um die Stimmung der Bevölkerung gegen die Schule zu schüren. Über die politischen Diskussionen und Proteste wurde jedoch kaum noch berichtet.
Sie waren der Regierung ein Dorn im Auge. Das Camp am Oranienplatz haben sie zum Aufgeben bewogen – die Schule wollte das nicht.
Gefahrengebiet Kreuzberg
Dafür brauchten sie die 1000 Polizisten. Alle Straßen rund um die Schule wurden gesperrt und Hamburger Gitter errichtet. Ausweise von Anwohnern wurden kontrolliert – Busse mussten umgeleitet werden. Die Polizeipräsenz sollte die Flüchtlinge einschüchtern. Einige gaben auf – andere blieben und zogen sich auf das Dach zurück. Zwei drohten im Falle einer Räumung zu springen. Rund um die Uhr wurde für eine Woche die Polizeipräsenz aufrecht erhalten. Die Proteste der Anwohner nahmen zu. „Besatzer raus“ Plakate tauchten auf. Für die Räumung fehlte der Polizei aber noch die Zustimmung der grünen Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann. Ihr wurde ein Ultimatum bis zum 1. Juli gestellt.
Die Doppelmoral der Grünen wurde der ganzen Kreuzberger Bevölkerung vor Augen geführt. Noch im Mai hatten die Grünen, den Stadtteil mit Plakaten gegen „Fortress Europe“ und „I’m a refugee I’m europe“ voll gehangen. Doch monatelang schwankten sie hin und her. Ein Vorgehen gegen die Flüchtlinge wollten sie nicht ohne Weiteres akzeptieren, aber sich voll hinter sie stellen auch nicht. Beim Oranienplatz wurde getrickst, wo es ging. Zusagen der Grünen nicht eingehalten.
Am 1. Juli knickten sie endgültig ein und gaben der Polizei grünes Licht für die Räumung. Sie ging zu dieser Zeit mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen den Schülerstreik vor. Zwei Schülern wurden die Nasen gebrochen. Stuttgart 21 lässt grüßen. Eine BVV Sitzung am gleichen Tag wurde aus Angst vor Protesten abgesagt.
Refugee Schul- und Unistreik
Der Schul- und Unistreik war schon Monate im Voraus für den 1. Juli angesetzt. Es bestand die Gefahr, dass die Beteiligung stark bröckelt aber die Proteste für die Gerhart-Hauptmann Schule gaben neuen Aufschwung. Samstags zuvor demonstrierten mehrere tausend Menschen in Kreuzberg. So kamen zum Schul- und Unistreik auch 2000 TeilnehmerInnen, die sich auf dem Alexanderplatz versammelten. Der Streik wurde von mehreren linken Gruppen und Streikkomittees aus Schulen organisiert. Darunter war auch Linksjugend [’solid], die an mehreren Schulen Flugblätter verteilte und einen eigenen Lautsprecherwagen hatte. Von Linksjugend [’solid] und LINKE gab es mehrere Reden.
Man dachte, die Demonstration könnte zum Siegeszug für die Besetzung werden und dass die Polizei in den nächsten Stunden abziehen würde. So zog die Demonstration mit lauten Sprechchören und hervorragender Stimmung durch Kreuzberg. Angekommen an der Schule standen jedoch immer noch Absperrgitter. Man wollte zur Schule. Offenbar war die Polizei von der Demo überrascht und zog eilig Polizisten zusammen. Auf die SchülerInnen wurde dann losgegangen. Selbst den SchülerInnen, die einige Reihen entfernt standen, kratzte das Reizgas im Hals. Erst auf der Abschlusskundgebung verbreitete sich die Information, dass die Grünen, der Räumung zustimmen. Viele blieben noch. Bis zum Abend versammelten sich erneut 3000 Menschen an den Absperrgittern in Kreuzberg.
Durch die Presse ist derzeit zu lesen, dass die Flüchtlinge ein Angebot des Bezirks angenommen hätten. Demnach dürfen die 40 Flüchtlinge in der Schule bleiben, müssen sich jedoch auf die dritte Etage zurückziehen. Sie sollen aktiv daran mitarbeiten, dass außer ihnen niemand ins Haus kommt. Bewohnerausweise, Verriegelungssysteme und Sicherheitsdienst soll eingeführt werden. Laut Presseberichten haben drei Flüchtlinge stellvertretend zugestimmt. Gesicherte Informationen gibt es noch nicht. Für Samstag 14 Uhr ist eine weitere Demonstration für die Flüchtlinge am Hermannplatz angesetzt.