Kann im Rahmen des Kapitalismus überhaupt eine Lösung für die Situation gefunden werden?
von Hassan Taiwo Soweto, Democratic Socialist Movement (Sektion des CWI in Nigeria)
Die Entführungen von mehr als 200 Schülerinnen einer Mittelschule in Chibok, einer kleinen Stadt im Bundesstaat Borno am 14. April durch Boko Haram, hat einen internationalen Aufschrei ausgelöst. International wurde scharfe Kritik geäußert und nahezu die ganze Welt verfolgt die schreckliche Situation in Nigeria, auch, weil täglich von internationalen Medien über diese berichtet wird. Gemeinsam mit einer großen Kampagne welche in den sozialen Medien unter dem Hashtag #BringBackOurGirls viele UnterstützerInnen fand, wurden und werden in einigen Städten innerhalb und außerhalb Nigerias Proteste und Demonstrationen abgehalten.
Während die prominenteste Forderung die Rückkehr der entführten Mädchen betrifft, kann es keinen Zweifel daran geben, dass viele Menschen voller Wut sind und ein sofortiges Ende von Boko Harams Aufstand, deren tödliche Angriffe seit dem 14. April ohne Ende andauern, anstreben.
Die “Demokratisch Sozialistische Bewegung” (Democratic Socialist Movement, CWI in Nigeria) unterstützt die Forderung nach der Rückkehr der entführten Mädchen rückhaltlos. Der Schmerz und die Angst der Eltern und Familien dieser Mädchen ist schwer auch nur vorstellbar, vor allem da diese nicht einmal Trost finden können in dem Versprechen dass die Regierung effektiv genug sei, um deren Rettung zu garantieren.
Die Ursprünge Boko Harams
Diese Krise hat noch einmal das Versagen, die Schwäche und Ineffektivität von Präsident Jonathans Regierung gezeigt. Nichtsdestotrotz dürfen die arbeitenden Massen und die Jugend nicht den Fehler machen zu glauben, dass alles, was es brauchen würde um Boko Harams Aufstände zu zerschlagen, ein starker Präsident wäre. Das Versagen und die Schwäche von Präsident Johnson spiegelt letztlich das Versagen und die Schwäche des neo-kolonialistischen Kapitalismus in Nigeria wieder. Das bedeutet auch, dass Boko Harams Aufstand eine Folge der vom Kapitalismus ausgelösten Zustände, wie Massenelend, Hoffnungslosigkeit, Arbeitslosigkeit und Armut inmitten des Überflusses, ist.
Der Großteil der NigerianerInnen wurde wahrscheinlich das erste Mal im Jahr 2009 auf Boko Haram aufmerksam, nachdem deren Führer Jusuf Mohammed, vom Militär gefangen genommen worden und der Polizei übergeben worden war. Nachdem man ihn im Fernsehen vorgeführt hatte wurde er ohne Prozess von der Polizei hingerichtet. Vor diesem Zeitpunkt existierte die Gruppe als seine fundamentalistische religiöse Sekte, welche von der restlichen muslimischen Gemeinschaft und den Menschen Großteils toleriert wurde. Der offizielle Name der Gruppe lautet “Jama’atu Ahlis Sunna Lidda’awati wal-Jihad” was Arabisch für “Menschen die sich zur Verbreitung der Lehren des Propheten und des Dschihad verpflichten” ist. Doch wie in der Geschichte der meisten fundamentalistischen religiösen Gruppen bot Boko Haram mehr als nur religiöser Hasstiraden. Die Gruppe verurteilte auch soziale und ökonomische Ungerechtigkeit und die Korruption, vor allem der nord-nigerianischen herrschenden Oligarchie, welche Boko Haram als “Ungläubige” anprangert.
Hinter der korrupten kapitalistischen Elite Nigerias stehen oft westliche imperialistische Staaten wie die USA oder europäische Mächte. Und deren internationale Finanzinstitutionen wie der IWF und die Weltbank unterstützen zum Ziel ihrer eigenen strategischen und ökonomischen Interessen korrupte Regimes in Nigeria, Afrika, Lateinamerika sowie dem Nahen und Mittleren Osten. Nun nützen die westlichen Mächte – weil sie befürchten, dass die Kombination von sozialer Krise und einer korrupten, unfähigen Regierung ganz Westafrika destabilisieren könnte – Chibok als Vorwand, um zu intervenieren. Es gibt bereits Berichte über kleinere Einheiten von US-Truppen in Abuja und in Borno. Sie werden von manchen begrüßt werden in der Hoffnung, dass sie effizienter sind als die nigerianischen Streitkräfte. Doch, im Gegensatz zu ihrer Propaganda, sind sie nicht auf einer humanitären Mission hier. Die humanitären Sorgen des Westens sind stets eng verbunden mit ihren strategischen Interessen. Als die westlichen Mächte in der Vergangenheit das Regime von Obasanjo unterstützt haben, haben sie sich nicht über das Massaker in Odi/Bayelsa beschwert (im November 1999 hatte das nigerianische Militär ein Massaker an der Zivilbevölkerung eines kleinen Ortes als Vergeltungsmaßnahme im Konflikt um Öl und Umweltschutz im Nigerdelta durchgeführt, bei dem hunderte, nach manchen Quellen bis zu 2500, Menschen ermordet wurden, Anm.Übersetzung). Aber heute sehen sie, dass Nigeria in einem sehr prekären Zustand ist.
Jahrelang hat sich die US-Regierung Sorgen um Nigeria gemacht und geglaubt “das die nigerianischen Regierungen an sich instabil sind wegen der wirtschaftlichen und religiösen Spaltungen des Landes. 2008 hat das Army War College in Pennsylvania ein Kriegsspiel durchgeführt in dem die nigerianische Regierung am Rande des Zusammenbruches steht und die USA interveniert um das Öl-Angebot zu schützen.“ (Guardian, London, 9. Mai 2014). Diese Krise hat wieder einmal sowohl die Schwäche der Peoples Democratic Party (PDP) auf Bundesebene als auch der vom All Progressives Congress geführten Regierung Bornos gezeigt. Vor diesem Hintergrund wollen die westlichen Mächte ihre Präsenz in Nigeria stärken. Das ist der Grund, warum es bereits Berichte darüber gibt das „es erwartet wird dass die Amerikaner und andere ausländische Truppen bis nach den Wahlen 2015 im Land bleiben” (Punch, Lagos, 10, Mai 2014).
Die Lösung von Boko Haram war die Einführung der Sharia. Solange keine alternative ideologische Antwort der ArbeiterInnenklasse angeboten wird, kann diese Art von religiös-fundamentalistischen Lehren eingefärbt mit etwas Radikalismus, Unterstützung bekommen unter der breiten Schicht von Armen und meistens ungebildeten Jugendlichen im Norden die das Gefühl haben, dass ihnen der Reichtum des Landes vorenthalten wird. Darüber hinaus bietet die Sekte auch Unterkünfte, Essen und Versorgung für die Armen und die vertriebenen Jugendlichen die ihnen zuströmen. Sie wuchs rasch und wurde zu einer großen Sekte mit einer großen jugendlichen AnhängerInnenschaft so dass die PolitikerInnen im Bundesstaat Borno ihren Drang nach politischer Macht nicht ignorieren konnten.
Es wird berichtet, dass 2002 der ehemalige Gouverneur des Bundesstaates Borno, Ali Modu Sheriff, Boko Haram um Wahlunterstützung gebeten hätte im Abtausch für die Einführung der islamischen Sharia Gesetzgebung im Bundesstaat. Auch wenn diese Geschichte heftig bestritten wird ist es Realität, dass es der Staat war, der buchstäblich das Feuer für den Aufstand von Boko Haram gelegt hat. 2009 begannen die staatlichen Truppen mit einem harten Vorgehen gegen die Sekte um ihr die Flügel zu stutzen. Die Ermordung von Jusuf Muhammed ohne Gerichtsurteil und die Verhaftung und Inhaftierung der Frauen und Angehörigen von Mitgliedern von Boko Haram die der Verhaftung durch die Polizei entkommen waren wurde zum Ruf zum Dschihad. Rasch fiel die Gruppe unter die Führung von noch extremeren Fundamentalisten wie Shekau und hat sich im Anschluss in Ansaru und andere Gruppen aufgesplittert die eine gewisse Unabhängigkeit besitzen.
Misere für die Massen dank Kapitalismus
Boko Haram ist ein Zeugnis dafür, das der Kapitalismus nicht in der Lage war, Nigeria aufzubauen und weiter zu entwickeln sowie der Jugend Nigerias eine Zukunft zu geben. Die herrschenden Eliten des Nordens regierte Nigeria mehr als die Hälfte der Zeit, seit das Land die Unabhängigkeit von Großbritannien errungen hatte. Während schon insgesamt sehr wenig dafür getan wurde, um Bildungseinrichtungen, ein Gesundheitssystem oder Arbeitsplätze zu schaffen, wurde im Norden noch weniger unternommen. Vor diesem Hintergrund entstand eine Bewegung aus dem Norden, die die Legitimität westlicher Bildung anzweifelt, sowohl von einem religiösen Standpunkt aus als auch weil die korrupte, herrschende Elite selbst auch zum Großteil im Westen ausgebildet wurde. Dieses Paradox ist nur möglich aufgrund der Jahrzehnte langen Plünderung des Reichtums Nigerias durch die regional herrschenden, kapitalistischen Eliten aus verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen, die in Verbindung mit ihren imperialistischen Meistern stehen.
Obwohl Nigeria über zahlreiche Bodenschätze und Arbeitskräfte verfügt, stellt das profitgierige System des Kapitalismus sicher, dass über 80% des Öl-Reichtums in die Taschen einiger Weniger fließt, während der restliche Teil der Bevölkerung darum kämpfen muss, an die übrigen 20% zu kommen. Neuesten Statistiken zufolge ist Nigeria im Moment die größte Wirtschaft in Afrika. Noch dazu ist die reichste Person in Afrika ein Nigerianer. In Nigeria gibt es hunderte privater Jets um den exotischen Lebensstil der Reichen zu ermöglichen, doch über 100 Millionen NigerianerInnen (ungefähr 70%) leben in Armut. Über 50 Millionen Jugendliche sind arbeitslos und die Zahlen jener, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, sind nicht bekannt. Am 15. März 2014 kamen über eine halbe Million HochschulabsolventInnen auf Ämter im ganzen Land um sich für weniger als 5.000 ausgeschriebene Stellen im Nigeria Immigration Service (NIS) zu bewerben. Dabei wurden tragischerweise mehr als 20 Menschen nieder getrampelt und fanden den Tod.
Entfremdung und Massenelend kamen zusammen um die Bedingungen zu schaffen, unter denen Boko Haram und andere gewaltsame Aufstandsgruppen gedeihen. Aufstände und Gewalt, wie wir sie bei Boko Haram beobachten können, werden nicht aufhören bis die Wurzel dieses Übels, das System des Kapitalismus das auf Ausbeutung basiert und Massenelend und Hoffnungslosigkeit erzeugt, die aus der Armut und der Arbeitslosigkeit der großen Mehrheit entstehen, beseitigt ist.
Im Kapitalismus gibt es keine Lösung
Gerade vor diesem Hintergrund sind die Antworten auf diese Krise von so genannten “Oppositionsparteien”, aber auch von den Organisationen der ArbeiterInnenbewegung in Nigeria, erbärmlich. Sie machen deutlich, dass die Bedrohung durch Boko Haram sich sogar noch verschlimmern kann, wenn es keine Alternativen gibt, weder aus der bürgerlichen Opposition noch aus der ArbeiterInnenbewegung. Als zum Beispiel in Nyanya erneut eine Bombe explodierte, veröffentlichte der NLC, der Nigeria Labour Congress, nur eine belanglose Stellungnahme mit der fatalistischen Position “Gemeinsam werden wir das überwinden” die die Regierung aufforderte, für Sicherheit zu sorgen. Weil die Führung des NLC nicht in der Lage ist, eine Alternative und Führung aus der ArbeiterInnenklasse anzubieten, wirkt der NLC genauso ratlos wie die herrschende Elite. Zum Zeitpunkt als diese Stellungnahme verfasst wird, hat der NLC die imperialistische Militärintervention nicht abgelehnt sondern hat, wie schon in der Vergangenheit, ein stärkeres militärisches Vorgehen im Nordosten von Nigeria befürwortet.
Es ist verständlich, das sich viele NigerianerInnen und Menschen auf der ganzen Welt hoffen, dass eine militärische Intervention die sichere Rückkehr der Schülerinnen der Chibok Schule und ein Ende der Gewalt mit sich bringen wird. Aber weder wird eine zunehmende Militarisierung das Problem lösen, noch das Einmischen durch SicherheitsexpertInnen und Truppen aus den westlichen, imperialistischen Ländern USA, Großbritannien und Frankreich.
Zuerst muss einmal festgestellt werden, dass trotz des Ausnahmezustandes, der in drei Staaten im Nordosten ausgerufen wurde und trotz der Milliarden von Naira die bereits für Militärausrüstung, Training und Einsätze ausgegeben wurden, der Aufruhr von Boko Haram nur an Kraft gewonnen hat. Nicht nur, dass die Attacken und Tötungen durch die Sekte zum Großteil ungebrochen fortgesetzt wurden, ist es Boku Haram auch gelungen, Angriffe außerhalb ihres Territoriums, im Nordosten, durchzuführen. Straßenkontrollen, Patrouillen und Überwachungsteams innerhalb der Stadt Abuja konnten Boko Haram nicht daran hindern, Angriffe in der Hauptstadt des Bundesstaates durchzuführen.
Das liegt daran, dass Militäraktionen ohne aktive Unterstützung der Bevölkerung nicht in der Lage sind einen Aufstand dieses Ausmaßes auszumerzen. Wegen der typischen Brutalität und den Gräueltaten des Militärs in den nordöstlichen Bundesstaaten, wo sie positioniert wurden, kann sich die Regierung nicht auf die Sympathie der Bevölkerung stützen um die notwendigen Informationen zu erhalten, um die Aufständischen von Boko Haram aufzuspüren und zu bekämpfen. Grund dafür ist, dass viele Menschen im Nordosten das Gefühl haben, zwischen zwei Fronten geraten zu sein, wobei sie für keine der beiden Parteien auch nur ein Quäntchen Sympathie haben. Amnesty Internation gibt an, dass an einem einzigen Tag im März sechshundert unbewaffnete Häftlinge von der Armee ohne Gerichtsverfahren erschossen wurden. Aber selbst in Situationen, wo es Opfern möglich war, Armee und Sicherheitskräfte über geplante oder gerade stattfindende Überfällen durch Boko Haram zu alarmieren, wurden diese ZeugInnen der mangelnden Effektivität des Militärs – was in starkem Kontrast zur überheblichen Selbstdarstellung von Präsident Jonathan in den Medien stand.
Bis jetzt hat die Militarisierung nur zu einer Stärkung der repressiven Möglichkeiten des Staates geführt und zu Angriffen auf die demokratischen Rechte der arbeitenden Massen. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung verbietet die Regionalregierung regelmäßig Proteste und zerschlägt sogenannte “unbewilligte Zusammenkünfte”. Eine weitere Militarisierung zu befürworten, wie es die BürokratInnen der ArbeiterInnenorganisationen tun, könnte fatale Folgen für die ArbeiterInnenbewegung und die arbeitenden Massen nach sich ziehen.
Imperialistische Intervention
Die USA, Großbritannien, Frankreich und andere imperialistische, kapitalistische Staaten sind ebenfalls verantwortlich für den Wachstum und die Verbreitung des islamisch-fundamentalistischen Terrors auf der ganzen Welt. Dies ist das Ergebnis von brutalen Kriegen die instrumentalisiert wurden für die Kontrolle über Erdöl und Mineralstoffreserven der Länder des Nahen Ostens sowie um andere, imperialistische, geo-politische Ziele zu verfolgen. In Folge der Angriffe vom September 2001 auf das Pentagon und das World Trade Center, kam es zu einer Invasion des US-Militärs in Afghanistan um den “Terrorismus” besiegen zu können und dann, unter dem Vorwand nach Massenvernichtungswaffen zu suchen, in Irak. Diese imperialistische Aggression war der endgültige Auslöser für ein Gefühl von Unterdrückung unter Moslems und Muslimas auf der ganzen Erde. Das wiederum stärkte Al Kaida und führte zum Erstarken des islamischen Fundamentalismus und von Al Kaida Ablegern im Nahen Osten bis nach Afrika. Das Töten von Osama bin Laden durch die Obama Administration im Jahr 2012 hat die Kettenreaktion, die die imperialistische, militärische Aggression in Afghanistan und Irak ausgelöst hatte, nicht stoppen können. Wenn aber die imperialistischen Staaten USA, Großbritannien und Frankreich Teil des Problems, des Aufstiegs des islamischen Terrorismus sind, kann man nicht erwarten das sie Teil der Lösung sein werden.
Die Geschichte von Interventionen durch westliche, imperialistische Ländern in die Innenpolitik anderer Länder, ist vor allem für Nigeria sehr aufschlussreich. Von Irak bis Afghanistan, von Somalia bis Libyen, hat der Imperialismus nationale Probleme nur noch verstärkt. Keines der zuvor genannten Länder hat sich wieder stabilisiert, seit westliche imperialistische Truppen unter dem Vorwand „Ruhe und Ordnung“ herzustellen, intervenierten. Das liegt daran, dass imperialistische Staaten nur darauf aus sind, ihre eigenen ökonomischen Interessen und die Profite ihrer multinationalen Betriebe zu wahren. Wie ein Kolumnist des britischen Guardian es treffend formuliert hat “Ein westlicher Eingriff wird Nigeria in ein afrikanisches Afghanistan verwandeln”.
Die einzige Unterstützung, die die ArbeiterInnen Nigerias in ihrem Kampf gegen Boko Haram akzeptieren sollten, ist die internationale Solidarität der ArbeiterInnenklasse und der Jugend anderer Staaten. Aber das Annehmen jeglichen so genannten “Beistandes” durch ausländische kapitalistische Regierungen wird früher oder später zur Festigung der Krise beitragen.
Für eine sozialistische Lösung
Diejenigen, die auf eine militärische Lösung oder eine Intervention von außen hoffen, haben nicht verstanden: selbst wenn Boko Haram schwächer wird, oder in den Untergrund gedrängt oder zerschlagen wird, werden immer wieder tödliche Formen von religiösem Fanatismus und Barbarei aus dem Boden sprießen, solange die schrecklichen Zustände von Massenverelendung und Hoffnungslosigkeit – verursacht durch den Kapitalismus – bestehen bleiben. Mit der Verschärfung von Ausbeutung und Armut und solange die ArbeiterInnenbewegung keine klare sozialistische Alternative präsentiert, werden alle Formen der Barbarei zunehmen.
Wir können jetzt schon klare Anzeichen dafür beobachten. In den vergangenen Wochen wurden die Bundesstaaten Plateau und die Zamfara Region von sogenannten „Stammeskonflikten“ heimgesucht, was zu hunderten Toten führte. Im Südwesten Nigerias ist eine alte Plage wieder zu Tage getreten – das Entführen und „rituelle Töten“
In Ibadan, im Bundesstaat Oyo, wurde das Lager einer Bande von Menschen, die entführen und „rituell“ morden, aufgedeckt. Es wurden nicht nur verrottete und verstümmelte Leichen entdeckt, sondern einige Opfer in unterschiedlichen Stadien des Verhungerns konnten noch lebend gerettet werden. Die Medien werden fast täglich mit blutigen Berichten von Lynchmorden an mutmaßlichen KidnapperInnen und Anhängern ritueller Morde überflutet.
Das Entführen für Lösegeld ist das Werk von verzweifelten und barbarischen Menschen, um in einem ungerechten kapitalistischen System reich zu werden. Das öffentliche in Brand stecken von mutmaßlichen KidnapperInnen ist ebenfalls ein barbarischer Akt, der von immer verzweifelteren Menschen ausgeführt wird. Das muss als Warnung gesehen werden, dass noch mehr Brutalität und Barbarei ganz Nigeria oder große Teile des Landes erfassen kann, wenn die katastrophale Lage der Massen in diesem enormen Umfang weitergeht.
Diese Erfahrungen bestätigen, dass nur durch die Beendigung des Kapitalismus und sein Ersetzen durch ein demokratisches sozialistisches System, dass den überwältigenden Reichtum Nigerias einsetzt um die Armut zu beseitigen und um Arbeitsplätzen zu schaffen – dass nur ein so der Nährboden für die Plage Boko Haram sowie allen anderen Formen der Barbarei beseitigt werden kann.
Die einzig effektive Strategie, die die ArbeiterInnenbewegung anbieten kann ist zu beginnen, die ArbeiterInnen und die unterdrückten Massen zu mobilisieren, damit diese ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Es gibt keine Armee oder Terroristengruppe, die mächtiger ist als die mobilisierte und organisierte ArbeiterInnenklasse. Ein erster Schritt kann sein, dass die ArbeiterInnenbewegung zu einem eintägigem Generalstreiks und Massenprotesten aufruft – dass ist eine deutliche Botschaft sowohl an die herrschende kapitalistische Elite sowie an Boko Haram, dass die Menschen bereit sind sich gegen die Angriffe beider zu wehren. Durch einen Generalstreik und Massenproteste kann die ArbeiterInnenbewegung zeigen, dass sie in der Lage ist, Armut, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit zu bekämpfen, jene Probleme, die der Nährboden dafür sind, dass Jugendliche sich Boko Haram oder anderen reaktionären Kräften anschließen. Dieses Zeichen ist von zentraler Bedeutung um damit zu Beginnen, die Basis für die Unterstützung von Boko Haram und ähnlichen Kräften zu unterminieren. Die organisierte ArbeiterInnenklasse kann sowohl terroristischen Organisation das Wasser abgraben, als auch den Interessen der herrschenden Klasse entgegentreten. Während des Generalstreiks im Jänner 2012 gegen die Abschaffung der Treibstoffsubventionen und die Erhöhung der Spritpreise explodierte keine einzige Bombe in Nigeria.
In den nordöstlichen Bundesstaaten, sowie in allen anderen Regionen in denen die Gefahr von Angriffen durch Boko Haram und dergleichen herrscht, muss die ArbeiterInnenbewegung die Führung in der Mobilisierung der ArbeiterInnen, der armen Massen und der Jugendlichen übernehmen, damit diese die Verantwortung für den Schutz ihrer Gemeinden gegen mögliche Angriffe in die eigenen Hänge nehmen. Dies wird nur möglich sein durch den Aufbau von von demokratischen, stammesübergreifenden und multi-religiösen Selbstverteidigungskomitees. Diese Komitees, demokratisch legitimiert und kontrolliert durch die gesamte Bevölkerung, wären verantwortlich für das Patrouillieren der Nachbarschaften, das Beschaffen von Informationen, sowie die Kooperation mit Sicherheitsfirmen, welche selbst unter demokratische Kontrolle gestellt werden müssen. Um die längerfristige Wirkung solcher Schritte zu garantieren, müssten diese mit einem gemeinsamen Kampf der ArbeiterInnen, Mittellosen und Jugendlichen in ganz Nigeria verbunden werden – einem Kampf, der auch das Ende der ökonomischen und sozialen Krise, die durch den Kapitalismus existiert, zum Ziel hat. Nur das könnte den Beginn dafür setzen der Unterstützung in Teilen der Bevölkerung für Boko Haram die Grundlage zu entziehen und auch zu verhindern, dass ArbeiterInnen untereinander um Ressourcen wie Wasser und Land kämpfen müssen.
Leider ist die jetzige Führung der ArbeiterInnenbewegung nicht bereit, diesen Weg zu gehen, da sie keine Vorstellung, kein Ziel einer besseren Gesellschaft außerhalb der Logik des Kapitalismus haben. Viele von ihnen orientieren aktuell auf Jonathan und unterstützen seine erneute Wahl zum Präsidenten nächstes Jahr. Das gilt z.B. für die Führungsriege der (fälschlicherweise so benannten) „Labour Party“. Diese BürokratInnen genießen ein privilegiertes Leben und schrecken davor zurück, irgendwelche Schritte in Richtung Aktionen zu setzen die die herrschende korrupte Elite unterminieren könnte und die die Herrschaft des Kapitals gefährden könnten. Sie fürchten, dass die Massen der ArbeiterInnenklasse und die Jugendlichen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen könnten und den Kapitalismus damit Zerstören könnten. Tatsächlich war die Führung der ArbeiterInnenorganisationen erschüttert über den enormen Zuspruch, den die Massenproteste und der Generalstreik im Jänner 2012 fanden. Sie fürchteten, dass ArbeiterInnen und Arme weitergehen könnten um dieses verrottete System hinweg zu fegen.
Das Democratik Socialist Movement (DSM) hingegen strebt genau das an. Wir stehen für eine soziale Revolution und damit das Ende des korrupten kapitalistischen Systems in Nigeria. Denn es ist genau dieses System, das verantwortlich ist für die katastrophalen Missstände – und das obwohl Nigeria ein reiches Land ist – die die Basis sind, auf der der Aufstand von Boko Haram entstehen und bestehen kann. Wir sind davon überzeugt, dass nur eine neue Regierung gebildet aus der ArbeiterInnenklasse und bewaffnet mit sozialistischer Politik in der Lage ist, Nigeria wieder aufzubauen und sicherzustellen, dass der enorme Reichtum des Landes genutzt wird, um die Lage der Massen der Bevölkerung zu verbessern.
Um dies zu erreichen ruft das DSM seit langem für eine Massenpartei der ArbeiterInnenklasse mit einem sozialistischen Programm auf. Als einen Schritt in diese Richtung haben wir damit begonnen, die „Socialist Party of Nigeria“ (SPN) zu registrieren (was in Nigeria mit enormen Hürden verbunden ist, Anm. Übersetzung). Dies würde den Massen der nigerianischen ArbeiterInnenklasse und Jugend eine Plattform geben um sich zu organisieren. Das gibt ihnen ein Werkzeug um den Kampf zu führen um der korrupten kapitalistischen Elite die politische Macht zu entreißen.