Am 18. und 25. Mai stehen auch in Griechenland Kommunalwahlen an, die entscheidend für das Fortbestehen der Samaras-Regierung sein können und den Aufbau der Linken sein können. Xekinima, die griechische Schwesterorganisation der SAV, nimmt diesmal mit insgesamt 19 KandidatInnen in verschiedenen Wahlkreisen in Athen, Thessaloniki, Volos und anderen Orten teil.
Ein Gespräch mit Katerina Klitsa, Kandidatin im Bezirk Thermaikos, Kreis Thessaloniki
Mit der „Rückkehr an die Märkte“ versuchten die Samaras-Regierung und die Medien vier Wochen vor den Europawahlen und den Kommunalwahlen zu vermitteln, in Griechenland wäre endlich das Schlimmste überstanden, es ginge aufwärts. Ist da wirklich etwas dran?
Katerina: In Wahrheit hat sich natürlich nichts geändert für die Masse der Menschen in Griechenland, die Regierung inszeniert Wahlkampfshows und die meisten Leute wissen das auch. Die Staatsschulden sind gewachsen ( laut ElStat von 175,1% in 2010 auf 148,3% des BIP, Anm. d.A.) und bisher nicht bezahlt, dennoch hat die Regierung nun kurz vor den Wahlen damit begonnen, die „Sozialdividenden“, symbolische einmalige Geschenke an die Ärmsten der Armen von durchschnittlich 647 € pro Haushalt zu verteilen, um zu zeigen, dass jetzt alles besser werde. Aber die Hürden sind ziemlich hoch, nur ein Drittel der 800 000 AntragsstellerInnen war bisher erfolgreich. In vielen Fällen behielten die Banken die Zahlungen direkt zwecks Schuldentilgung ein. Die Wirtschaft schrumpft weiter, es gibt keine Jobs.
Wie zur Bestätigung sind im Büro von Xekinima gerade zwei junge AktivistInnen von der Arbeit gekommen. Mariana, Diplompsychologin, arbeitet in einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung, mit Zuschuss vom Arbeitsamt. Sie berichtet, ihr Arbeitgeber habe ihr eine Teilzeitstelle für 250 € im Monat angeboten. „Das ist echt nicht viel, ich überlege, ob ich das Angebot annehmen oder doch versuchen soll, etwas anderes zu finden.“ Marianas Dilemma sollte sich ein paar Tage später aufgelösen, da in diesem Bereich des Gesundheitswesens 2,1 Millionen an öffentlichen Geldern gekürzt und damit Beschäftigte entlassen statt eingestellt werden. Stavroula arbeitet seit einem Monat in Teilzeit als Verkäuferin in einem Wäschegeschäft in der City und präsentiert ihre Lohnabrechnung – 299 € netto für 105 Arbeitsstunden. Stavroula überlebt, weil sie in der Eigentumswohnung ihrer Eltern wohnt und einen Mitbewohner gefunden hat.
Wie agieren die linken Kräfte im Wahlkampf und wie werden sie wahrgenommen?
Katerina: Die linken Parteien und besonders SIRIZA und seine Führung haben bei vielen Themen Kompromisse geschlossen. Noch 2012 waren sie gegen das Memorandum, heute sprechen Tsipras und andere führende Köpfe von einer „Neuverhandlung“. Da ist es kein Wunder, dass selbst über 60 % ihrer WählerInnen nicht glauben, dass SIRIZA wirklich mit der Troika-Politik Schluss machen wird. Wenn wir die Leute auf der Straße mit Slogans wie „Die Kommunen in die Hände der Linken!“ ansprechen, dann stimmen dem zwar viele zu, sind aber skeptisch, ob sich mit SIRIZA-Mehrheiten in den Stadträten wirklich was bewegen lässt. Zurzeit liegt SIRIZA in den Umfragen ein bis zwei Prozentpunkte vor Nea Dimokratia (konservative Regierungspartei, Anm. d.A.), was wirklich ihre Grenzen aufzeigt. Zwei Jahre nach den Parlamentswahlen, wo SIRIZA ihren Durchbruch hatten, sollte die Popularität einer linken Kraft wie dieser mehr gewachsen sein.
Aber auch die anderen linken Kräfte bieten kaum Lösungen an, Wahlkampfreden und Publikationen bestehen zu 90% aus Kritik an der Regierung und nur zu 10% aus programmatischen Vorschlägen. Die KKE wettert im Wahlkampf in erster Linie gegen SIRIZA anstatt sich durch radikaleres Programm abzuheben. Sie geben der griechischen Gesellschaft keine klare Perspektive und das macht es der Regierung leichter, mit ihrer Propaganda fortzufahren, sie seien die einzigen, die das Land stabilisieren könnten.
Ausserdem profitieren nach wie vor die faschistische Chrysi Avgi („Goldene Morgenröte“), die zur Wahl zugelassen wurden, obwohl sechs ihrer Kader im Gefängnis sitzen. Sie genießen immer noch große Unterstützung – zwischen 3,5 und 6,5% der Stimmen-, auch wenn sie erwiesenermaßen Mörder sind. Die Troika-Politik ist der Grund, warum sie einfach nicht verschwinden. Zurzeit droht keine Kommune von einem faschistischen Bürgermeister regiert zu werden, aber Chrysi Avgi versucht nach wie vor, Fuß in der Gesellschaft zu fassen, auch in Thessaloniki, wo sie bisher allerdings wenig in Erscheinung getreten sind.
Wie kam es zu eurer Entscheidung, eigene KandidatInnen bei den Kommunalwahlen auf Listen von SIRIZA aufzustellen?
Katerina: Es reicht nicht aus, nur gute Ideen und Vorschläge zu haben, es sind auch Menschen nötig, die diese Ideen vertreten. Xekinima tritt für ein koordiniertes Vorgehen der Linken in Griechenland ein. Wir haben bei den Versammlungen von KKE, SIRIZA und ANTARSIA dazu aufgerufen, sich bei der Wahl abzustimmen und den Vorschlag gemeinsamer Listen, auch mit anderen Organisationen der außerparlamentarischen Linken, bei den Kommunal- und Europawahlen gemacht. Das hätte den Blick der Gesellschaft auf die Linke und ihre Erwartungen total verändert. Leider lehnen vor allem KKE und ANTARSIA nach wie vor eine solche Zusammenarbeit ab und stellen die ideologischen und politischen Unterschiede über den Kampf gegen die Troika und den Aufbau der Arbeiterbewegung. In unseren Augen ist das ein großer Fehler, denn die gesamte Linke wird unter der enormen Enttäuschung leiden, wenn die regierende Nea Dimokratia die Mehrheiten bekommt.
SIRIZA ist die mit Abstand stärkste linke Kraft, eine SIRIZA-Regierung würde die Leute motivieren, für ihre Forderungen zu kämpfen, Bewegungen einen neuen Schub geben. Die Führung SIRIZAs ist nicht so radikal und konsequent, wie sie sein sollte, es ist aber an der Gesellschaft, an uns, zu kämpfen und diese Führungen nach links zu drücken, auch wenn wir ihnen nicht trauen. Deswegen beschäftigt sich der größte Teil unseres Flugblattes mit unserem Programm und was wir für die Aufgaben einer linken Kraft halten und wofür wir als Xekinima stehen. Wir werben bei den Leuten für unser Programm, und nicht für das von SIRIZA.
In einigen Orten allerdings stellt SIRIZA leider ehemalige PAZOK-Funktionäre als Kandidaten auf, oder hat sich einen schlechten Ruf auf lokaler Ebene erworben haben und vertritt letzten Endes kein linkes Programm mehr. Dort suchen wir nach anderen linken Kräften, und treten z.B. für das kleinere Bündnisses ANTARSIA an.
Was sind eure wichtigsten programmatischen Punkte?
Katerina: Wenn linke Parteien die Kommunalwahlen gewinnen, sollten sie sich dem Memorandum entgegenstellen und die Menschen gegen diese grausame Politik mobilisieren, sollten für mehr Geld der Regierung für die Kommunen kämpfen, jegliche Entlassungen von Kommunalbeschäftigen verhindern. Die täglichen Grundbedürfnisse der Menschen müssen über die Einrichtung kommunaler Läden, Einrichtungen und die Unterstützung der Solidaritätsbewegungen erfüllt werden, z.B. der Solidarischen Gesundheitsversorgung. Außerdem müssen Gemeindesteuern für Großunternehmen erhöht werden. Linke Bürgermeister sollen bei jedem Kampf dabei sein, sei sollten sich z.B. gegen jede Kürzung der privaten Stromversorgung der Menschen und gegen das gesamte Kallikratis-Programm stellen, dass die Mittel der Kommunen begrenzt und jeden Cent kontrolliert. Wir brauchen eine demokratische Entscheidungsfindung und Kontrolle seitens der Einwohnerinnen, z.B. durch Nachbarschaftsräte. Linke Kommunalregierungen müssen antifaschistische Kommunen aufbauen, in denen faschistische Ideen und Parteien keinen Platz haben, und sich in antifaschistischen Aktivitäten engagieren.
Kannst du schon eine Perspektiven geben, wie es nach den Wahlen weitergeht?
Es gibt viele Möglichkeiten, abhängig davon, ob SIRIZA oder Nea Dimokratia die meisten Stimmen bekommen, alles ist offen. Wenn SIRIZA die Europawahlen gewinnt, besonders mit einem großen Abstand zu ND, könnte das zu einem Rücktritt der Regierung und zu kurzfristigen Neuwahlen führen. Wenn aber auf der anderen Seite die Regierungspartei gewinnt, wird das ihr Selbstvertrauen stärken, mit ihrer Politik fortzufahren. Deswegen rufen wir bei den Europawahlen dazu auf, für SIRIZA zu stimmen, damit wir die Regierung besser unter Druck setzen können, ihr klar machen können, dass sie keine große Zukunft hat. Dies würde die Arbeiterbewegung stärken und den einfachen Menschen zu zeigen, dass es eine Alternative gibt.
Der Ausgang der Kommunalwahlen wird sehr gemischt sein. Die Kommunen, wo die Linke den Sieg davon trägt, sollten ein gemeinsames Netzwerk aufbauen, um den Kampf gegen das Troika-Diktat besser führen und Verbesserungen leichter gemeinsam umsetzen zu können.
In jedem Fall geht der Kampf weiter, gegen die Regierung, gegen die verheerende Troika und die Krise, die täglich die Gesellschaft zersetzt. Das heißt auch der Kampf für eine Zusammenarbeit der Linken und eine linke Regierung, die eine Antwort auf die kapitalistische Krise präsentiert, und ein Programm zur Entmachtung der Banken und Konzerne mit dem Ziel einer sozialistische Gesellschaft ohne Ausbeutung entwickelt.