Wahlergebnis für die SP könnte zum Ausgangspunkt für massenhaften Kampf gegen Kürzungen werden
Dieser Artikel erschien zuerst am 31. März auf der englischsprachigen Webseite socialistworld.net
von Pieter Brans, „Socialistisch Alternatief“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in den Niederlanden), Amsterdam
Nach den Kommunalwahlen in den Niederlanden, die am 19. März stattgefunden haben, liegen drei Dinge klar auf der Hand: Erstens haben die beiden Parteien der niederländischen Koalitionsregierung, die rechtsliberale „Volkspartij voor Vrijheid en Democratie“ (VVD) und die „Partij van de Arbeid“ (PvdA) eindeutig die rote Karte gezeigt bekommen. Bedauerlicherweise sind die „Liberaldemokraten“ von D66, die zwar nicht Teil der Regierung sind aber dennoch die Kürzungs- und Austeritätspolitik unterstützen, in Amsterdam, Den Haag und Utrecht zur stärksten Kraft geworden. Zweitens ist die populistische und ausländerfeindliche „Freiheitspartei“ von Geert Wilders nur in Den Haag und Almere angetreten und musste in beiden Städten Stimmen einbüßen. Wilders´ Versuche, im Wahlkampf Stimmung gegen MarokkanerInnen zu machen, haben nicht funktioniert. Drittens kann die „Socialistische Partij“ nun in mehreren Städten und Gemeinden auf eine stärkere Basis verweisen, um gegen die Austerität zu kämpfen. In einigen Städten ist die SP jetzt die stärkste Partei. Das bedeutet, dass es dort nun eine stärkere Plattform geben sollte, um gegen die von der Regierung beschlossenen Kürzungen vorzugehen. Schließlich müssten diese Einschnitte oft erst durch die jeweiligen Kommunen umgesetzt werden.
Von Anfang an stand fest, dass die Politik der Regierung – unabhängig vom Ausgang dieser Wahlen und unabhängig davon, wie wenig beliebt diese ist – genauso fortgesetzt würde. Zwar war erwartet worden, dass die Stellung sowohl der VVD als auch der PvdA Risse bekommen würde. Dank der Formation D66 werden die Kürzungen auf Regierungsebene jedoch weitergeführt und überall dort, wo diese Partei eine starke Position inne hat, auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Jetzt, da die Christdemokraten, die für die herrschende Klasse in den Niederlanden einst die wichtigste Partei waren, an Bedeutung verlieren, ist die kapitalistische Klasse zur Erkenntnis gekommen, dass Parteien wie D66 und kleinere christliche Parteien eine Rolle spielen können, wenn es darum geht, die Regierung auf Kurs zu halten.
Die herrschende Elite kann sich in Sicherheit wähnen: Ihre Politik des Abladens der durch die Krise entstandenen Lasten auf die Schultern der Beschäftigten (durch Kürzungen, Mieterhöhungen, Verkauf kommunalen Wohnraums, Streichungen bei der Pflege usw.) wird weitergehen. Nicht zuletzt wird bei den niederländischen etablierten Parteien das neoliberale Denken sicher verhaftet bleiben. In absehbarer Zeit werden die Kürzungen und die Austertät auf Landes-, Provinz- und kommunaler Ebene fortgesetzt. Das Anhalten der Wirtschaftskrise, die langfristigen Aussichten hinsichtlich der Massenerwerbslosigkeit (die derzeit bei neun Prozent liegt, wobei erst für 2024 von einer Beruhigung der Lage ausgegangen wird), die Stagnation der niederländischen Wirtschaft und auf dem Wohnungsmarkt werden nachhaltig am Selbstbewusstsein der prokapitalistischen Parteien nagen.
Im Laufe des Wahlkampfs zeigte Geert Wilders, dass er vor keiner Form der rassistischen Propaganda zurückschreckt. Bei einem Wahlkampfauftritt in Den Haag mimte er den Dirigenten einer Menschenmenge, die laut anstimmt: „Weniger, weniger, weniger Marokkaner“. Eine deutsche Presseagentur verglich ihn mit Goebbels. Später versuchte Wilders zu sagen, dass er „weniger kriminelle Marokkaner“ gemeint habe und forderte die freiwillige Zurückführung und zwangsweise Abschiebung „krimineller“ MarokkanerInnen.
Allgemeine Empörung über rassistische Bemerkungen
Wilders ist bereit, jede reaktionäre Haltung aufzugreifen, um in den Medien Aufmerksamkeit und Stimmen zu bekommen. In der Bevölkerung wurde aber vielfach mit Empörung auf seine rassistischen Ausfälle reagiert. In einigen Städten gingen die Leute massenweise zur Polizei, um sich über die diskriminierenden Äußerungen zu beschweren. Einige Mitglieder der „Freiheitspartei“ – darunter auch Parlamentsabgeordnete – traten aus dieser rechtspopulistischen Partei aus.
Wilders hat keine Lösung für die Krise, von der die arbeitenden Menschen betroffen sind. Das zeigen auch die enttäuschenden Ergebnisse, die die „Freiheitspartei“ bei den Wahlen eingefahren hat. Er konnte keinen Boden gutmachen und die Position seiner Partei als Oppositionspartei ist geschwächt worden. Bislang ist Wilders fest entschlossen, mit den verbliebenen „Getreuen weiter zu kämpfen“. Er hat immer noch die Unterstützung vieler WählerInnen. Ein noch so hohes Maß an moralischer Empörung wird Wilders – auch wenn sie noch so berechtigt und nachvollziehbar ist – nicht dazu führen, dass er aufgehalten wird. Am Ende wird nur eine starke Bewegung der Arbeiterklasse in der Lage sein, dies zu schaffen. Die SP und die Gewerkschaften können mehr an Unterstützung bekommen, wenn sie zu massenhaften Widerstandsaktionen gegen die Kürzungen der Regierungskoalition mobilisieren. Sie müssen sich entschlossen und mutig gegen Austerität und Kürzungen stellen sowie gegen die Auflösung des Sozialstaats. Gleichzeitig müssen sie für Arbeitsplätze für alle kämpfen, ein angemessen finanziertes Bildungssystem und Gesundheitswesen und für bezahlbare Wohnungen. Wenn die Großbanken und die Schlüsselindustrien in öffentliches Eigentum überführt und unter die demokratische Kontrolle und Geschäftsführung durch die Beschäftigten gestellt werden, dann könnten die gewaltigen Ressourcen der Gesellschaft genutzt werden, um den Bedürfnissen der Menschen aus der Arbeiterklasse zu entsprechen.
Dass die „Socialistische Partij“ gestärkt aus diesen Wahlen hervorgeht, verschafft eine festere Basis, um gegen Kürzungen zu kämpfen und die Anhängerschaft für die Partei zu verbreitern. Dort, wo die SP jetzt zur stärksten Partei geworden ist und dort, wo sie nun eine stärkere Rolle inne hat, kann der Widerstand nun effektiver geführt werden. Dies liefert der SP das Potential, zur wichtigsten Oppositionspartei zu werden. So sagte ein lokale SP-Größe: „Es ist unsere Pflicht, zu der Stimme des Widerstands zu werden“. Das wäre das beste Resultat dieser Wahlen. Eine neu sich entwickelnde Kampfbereitschaft der Gewerkschaften rund um eine Kampagne für eine dreiprozentige Lohnerhöhung und gegen die weitere Streichung von Arbeitsplätzen, die größer werdende Unterstützung für die SP auf kommunaler Ebene und die stärker werdende Stimmung gegen Rassismus – all dies deutet auf positive Veränderungen hin.
Um daraus aber das beste zu machen, muss die niederländische „Sozialistische Partei“ ein klar sozialistisches Programm annehmen. Vor einiger Zeit hat die SP in den Umfragen stark zugelegt, um später, als sie die ArbeiterInnen enttäuscht hat, weil sie keine klare sozialistische Alternative vorangebracht hat, wieder abzusacken. Die Partei muss jeden Ansatz, mit Parteien, die Kürzungen betreiben, in eine Koalition einzutreten, zurückweisen. Stattdessen muss die SP eine Kampagne gegen die Kürzungen starten und sich selbst das Ziel setzen, an Macht zu gewinnen, indem sie an der Basis ansetzt und sich ein sozialistisches Programm gibt. Damit das Realität werden kann, muss im Inneren der SP einiges verändert werden: Ein Problem sind die stark zentralistisch ausgerichteten Strukturen und eine von oben nach unten ausgerichtete Kontrolle. Außerdem muss eine Partei aufgebaut werden, die demokratisch und kampfbereit und daher attraktiv ist für eine größere Zahl an ArbeiterInnen und junge Leute.
Die Ergebnisse der niederländischen Kommunalwahlen im einzelnen:
Lokale Parteien und Wahlbündnisse erzielten 33 Prozent der Stimmen. Der „Christdemokratische Aufruf“ wurde landesweit zur stärksten Kraft auf kommunaler Ebene und erreichte 14 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die Liberaldemokraten von D66 und die SP („Socialistische Partij“) verzeichneten im Vergleich zu den Wahlen von 2010 ebenfalls signifikante Stimmengewinne. Sie kamen auf 12 Prozent bzw. sieben Prozent. Die VVD (Liberal-Konservative) büßten im Vergleich zu vor vier Jahren stark ein, obwohl sie auf Landesebene auf Rang drei rangieren. Jetzt kamen sie auf 12 Prozent der Stimmen. Der große Verlierer dieser Wahlen ist allerdings – und das ist unstrittig – die PvdA (Sozialdemokraten). Sie kamen auf zehn Prozent der Stimmen und verloren ihre Mehrheit in Amsterdam. Das bedeutet, dass die Verluste für die Parteien besonders gravierend waren, die im Haager Parlament die Regierungskoalition bilden: die VVD und die Sozialdemokraten von der PvdA.