Angepasste Mehrheit setzt sich durch
Bei der Wahl der Kandidaten-Liste der LINKE.Köln für den Stadtrat wurde der Partei-Linke Claus Ludwig nicht gewählt. Er unterlag im Kampf um Platz eins gegen Fraktionsführer Jörg Detjen mit 57:80 Stimmen. Auch auf Platz vier fiel die Wahl mit 56:68 Stimmen gegen Claus Ludwig aus.
von Georg Kümmel, Köln
Damit hat sich in Köln der Flügel der Partei durchgesetzt, der für eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen steht und für den die Arbeit in den Parlamenten Priorität hat gegenüber den Kämpfen und Bewegungen auf der Straßen und in Betrieben. Zweifellos ist das eine Niederlage für die Parteilinke. Durchgesetzt hat sich ein Zweckbündnis aus SL, einzelnen Mitgliedern der parteirechten Strömungen FDS und EmaLi sowie einer Gruppe kommunalpolitischer „Realos“.
Das am selben Tag beschlossenen Kurzwahlprogramm für die Kommunalwahl am 25. Mai ist sehr lau. Zwar wurden kleinere vom linken Flügel angeregte Änderungen aufgenommen, aber der Kern des Programms blieb unverändert. Während darin einige soziale Forderungen enthalten sind, welche deutliche Unterschiede zu den etablierten Parteien aufzeigen, fehlt jede Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen und vor allem jegliche inhaltliche Zuspitzung.
Im zentralen Feld Wohnen/Mieten sind die Schwächen auf den ersten Blick erkennbar. Die LINKE.Köln fordert den Bau von 2.000 Sozialwohnungen jährlich, sagt aber nicht, wer diese Wohnungen bauen soll, erwähnt nicht, dass die privaten Investoren genau dies nicht tun werden. Unterschiede zu SPD und Grünen sind für die WählerInnen kaum erkennbar. Die AKL um Claus Ludwig forderte hingegen, die Wohnungspolitik auf die Frage des kommunalen Wohnungsbaus zu fokussieren und festzuschreiben, dass die Stadt keine Grundstücke an Investoren verkaufen, sondern diese für eigenen Wohnungsbau nutzen soll.
Diese Schwäche, keine eindeutigen und mobilisierungsfähigen Forderungen herauszuarbeiten, zieht sich durch das gesamte Kurzwahlprogramm.
Claus Ludwig, Mitglied der SAV und der Antikapitalistischen Linken (AKL), war seit 2004 im Stadtrat. Zunächst als Vertreter des linken Bündnis „gemeinsam gegen sozialraub“ und dann für die LINKE.Köln. Der Vorstand der Partei in Köln wollte unbedingt verhindern, dass er erneut Teil der Fraktion werden würde. Die LINKE hat derzeit vier Sitze im Rat. Claus Ludwig wurde vom Vorstand nicht erneut vorgeschlagen, weder auf einem vorderen, noch auf einem hinteren Listenplatz. Es gab sogar vorher schon den Versuch seitens des Mehrheitsbündnisses, ihn als Direktkandidat in seinem Wahlkreis im Stadtteil Kalk zu verdrängen. Das alles, obwohl er dort immer sehr gute Ergebnisse für die Partei erzielt hatte.
In den verschiedenen linken sozialen Bewegungen in Köln genießt Claus hohes Ansehen. Er gilt als ehrlicher Kämpfer, weil er praktisch immer dabei ist, wenn Menschen in der Stadt auf die Straße gehen. Sei es im Kampf gegen Nazis und Rassisten, bei Protesten für den Erhalt von Schwimmbädern oder gegen Ausbeutung von privatisierten Reinigungskräften in den städtischen Kliniken. Und übrigens auch, weil er Monat für Monat seine Aufwandsentschädigung komplett an die LINKE und für politische Zwecke gespendet hat. Aktuell ist er aktiv in der Initiative „Recht auf Stadt“, die eine Kampagne gegen eine drohende Zwangsräumung organisiert.
Dass er nun nicht wieder aufgestellt wurde, passt leider zu den bundesweiten Bestrebungen, die LINKE unbedingt „koalitionsfähig“ zu machen.
Für viel Empörung sorgte die Wahl der parteilosen „Sozialrechtsanwältin“ Güldane Topyürek auf Platz fünf der Liste. Ihre Berufsbezeichnung klingt nett, in der Realität ist sie aber Juristin des Jobcenters Mönchengladbach und vertritt dieses im Rechtsstreit gegen Hartz-IV-EmpfängerInnen. In der Partei organisierte Erwerbslose und die unabhängige Gruppe „Kölner Erwerbslose in Aktion – KEAs“ protestierten zu Recht gegen diese Entscheidung.
Als Ergebnis dieses Wahl-Parteitages gibt es ein erdrückendes Übergewicht des „Realo“-Flügels auf den ersten Listenplätzen. Lediglich Hamide Akbayir, Mitglieder der AKL und Sprecherin der kurdischen Organisation YEK-KOM, wurde auf Platz 3 gewählt.
Aber es gibt dennoch sehr viel, wenn man so will, Positives in dieser Niederlage. Die Parteilinke, hauptsächlich repräsentiert durch die AKL, hat sich hervorragend geschlagen. Obwohl nur ganz wenig Zeit für die Debatte um das Kurzwahlprogramm und für die Kandidatenvorstellungen zur Verfügung standen, konnten die unterschiedlichen Konzepte noch einmal deutlich gemacht werden:
„Veränderung durch Opposition“ statt Illusionen in Koalitionen mit Rot/Grün. Primat des außerparlamentarischen Kampfes, ergänzt durch die Präsenz im Parlament (das Parlament als Tribüne) statt sich im Klein-Klein des Ratsbetriebes zu verlieren.
Beiden Kandidaten, Claus Ludwig und Jörg Detjen war die Frage gestellt worden, wo sie eigentlich mit der LINKEN hin wollten, wo die LINKE in einiger Zeit stehen sollte. Dankenswerterweise erklärte der Fraktionsvorsitzende Detjen unumwunden, dass er sich die LINKE grundsätzlich nur als die kleinere Partei neben der SPD vorstellen könne und wie wichtig auch deshalb der permanente Versuch sei, parlamentarische Mehrheiten herzustellen.
Claus Ludwig betonte hingegen, dass man alle etablierten Parteien durch Forderungen und Unterstützung von Bewegungen unter Druck setzen müsse und könne. Auf diesem Wege könne die LINKE mehrheitsfähig werden, bei den abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen, deren Interessen sie zum Ausdruck bringt. Er könne sich sehr wohl vorstellen, dass die LINKE mit klarer Opposition gegen das Establishment irgendwann nicht nur breite Zustimmung wie für ihre Forderungen bekommt (wie beim Mindestlohn), sondern auch auf der Wahlebene die SPD überholt.
Wie sehr man sich mit der Hoffnung auf eine Linkswende der SPD in die politische Sackgasse begibt, zeigte dann auch die Reaktion auf einen Passus in der Vorstellungs-Rede von Claus Ludwig.
Er erinnerte daran, dass sich dieses Jahr der Beginn des I. Weltkrieges zum 100 mal jährt und damit auch der historische Verrat der SPD. Die SPD gehöre auf den Müllhaufen der Weltgeschichte. Das fanden einige Vertreter der rechten Flügels ziemlich unmöglich. Als ob sie die Verantwortung der SPD für Jugoslawien-Krieg, Afghanistaneinsatz und alle anderen Auslandseinsätze der Bundeswehr vergessen hätten. Aber selbst wer ein sehr kurzes Gedächtnis hat, hätte sich erinnern können, dass SPD-Außenminister Steinmeier unisono mit dem Bundespräsidenten auch militärisch noch „mehr Verantwortung“ für Deutschland in der Welt fordert. Das lag nämlich nur wenige Stunden zurück. Aber so vergesslich wird man notgedrungen, wenn man keine Perspektive über den Kapitalismus und die pro-kapitalistische SPD hinaus hat.
Claus Ludwig hat als Sozialist und Kandidat der AKL für die von ihm repräsentierte Politik immerhin 40 bzw. 45 Prozent der Stimmen bekommen. Der Kampf geht weiter, denn es gilt zu zeigen, dass Opposition gegen die prokapitalistischen Parteien besser ist als Koalition mit einigen von ihnen.
Immerhin dominieren auf der Liste für die Bezirksvertretung im rechtsrheinischen Stadtbezirk Kalk Kandidatinnen und Kandidaten des linken Parteiflügels.