von Heino Berg, Göttingen
Der Artikel von Wolfram Klein unterschätzt aus meiner Sicht die Gefahren, die eine Erhöhung der Geldmenge über unbegrenzte staatliche Anleihenkäufe mittelfristig auch für die Stabilität einer Währung (hier: des Euro) hervorrufen kann. Die (noch moderate) Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar ist als Folge der EZB-Entscheidung bereits ein Hinweis darauf.
Der Tauschwert von Waren wird zwar durch die gesellschaftlich dafür notwendige Arbeitszeit bestimmt, ihr Ausdruck in Marktpreisen bzw. die „Stabilität“ der jeweiligen Geldeinheit hängt aber natürlich auch vom Verhältnis zwischen Güter- und Geldvolumen ab. Andernfalls könnten Staat und Zentralbanken unbegrenzt „Geld drucken“, ohne damit Inflationsgefahren hervorzurufen.
Richtig ist, daß der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB keine unmittelbare Geldentwertung auslöst. Die gigantische „Ausdehnung der Finanzmärkte und der Geldmenge zur Abwicklung dieser Geschäfte“ (Wolfram) beschränkt sich ja zunächst auf die Zirkulationssphäre und übt dadurch keinen unmittelbaren (Nachfrage)Druck auf die Preise von Gütern des täglichen Bedarfs aus, die im Warenkorb für die Inflationsrate gemessen werden. Die Überproduktionskrise, die den Mangel an kaufkräftiger Nachfrage wegen der niedrigen Löhne ausdrückt, bremst und überlagert die Tendenz zu allgemeiner Geldentwertung zusätzlich. In bestimmten Bereichen beginnt aber die ständige Erhöhung der Geldmenge im spekulativen Sektor auf die Preisentwicklung in der „Realwirtschaft“ zurückzuwirken. Das gilt z.B. für Rohstoffe, Nahrungsmittel und Immobilien auf den Weltmärkten. Sobald das Vertrauen in die Geldstabilität auch beim Kapital zu schwinden droht, sucht es nach „sicheren“ Häfen in Sachwerten und treibt dort die Preise. Um den inflationären Effekt zu begrenzen, muß das Kapital den Druck auf die Löhne in den Zentren der Weltwirtschaft verstärken bzw. die Produktion noch stärker in Billiglohnländer verlagern. Wenn die inflationären Folgen eines (durch Staats- und Privatkredite) aufgeblähten Geldvolumens noch nicht spürbar werden, heißt das nicht, daß sie unter der Oberfläche keine Rolle spielen würden.
Zu den Schranken für die keynsianischen Mittel, mit denen das Kapital auf den drohenden Zusammenbruch des Finanzsystems nach der Lehman-Pleite 2008 reagiert hat, nämlich die Flutung der Finanzmärkte mit billigem Geld der Zentralbanken, gehören jedenfalls auch die Gefahren für die Geldwertstabilität. Die Austeritätspolitik, mit der vor allem in Europa die Kosten der Bankenrettung auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden, ist ja nicht nur ein „Fehler“ verbohrter Neoliberaler, sondern der unvermeidliche Preis, der für keynsianische Anfangsphase kapitalistischer Krisenverzögerung fällig wurde. Als Sozialisten sollten wir die EZB-Anleihekäufe nicht nur wegen der damit verbunden Austeritätsauflagen ablehnen, sondern auch als weiteren Schritt in Richtung auf den Zusammenbruch der Euro-Zone verstehen.
Heino Berg, 23.9.12