Statt Aufklärung beherrscht Verdunkelung und scheibchenweise Aufhellung die NSA-Affäre
Die zukünftigen Regierungsparteien waren sich am 18. November in der anderthalbstündigen Aussprache im Parlament zur Spionageaffäre weitgehend einig: Auch die Bundesregierung war ein Opfer der NSA. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) meinte klarstellen zu müssen, dass das dennoch besonnene Verhalten der Bundesregierung die Herrschenden in den USA zum Einlenken bewegt habe. So sei die US-Administration nun zu einem „No-Spy-Abkommen“ mit Deutschland bereit.
von Steve Kühne, Dresden
Die Krise des kapitalistischen Systems organisiert die Verarmung ganzer Landstriche in Europa. Armut, die in ihren Formen nicht selten an Erscheinungen in der sogenannten „Dritten Welt“ erinnert, öffnet nicht nur die Schere zwischen Arm und Reich weiter, sondern lässt auch Zehntausende auf die Straße gehen: In Griechenland, Portugal und Spanien jagt ein (General-)Streik den anderen, eine Großdemo löst die nächste ab.
Die Angst der Herrschenden
Die Herrschenden fürchten um ihre ureigensten Interessen: Besitz, Macht, Geld … Das Bedürfnis, jede drohende Opposition zu kennen und am Besten frühzeitig abzuwürgen, drängt die Herrschenden auch zur Spionage.
Die Dimensionen des von Edward Snowden aufgedeckten Skandals sind schier gigantisch: Allein in Spanien wurden in der Zeit um das Neujahrsfest 60 Millionen Menschen ausspioniert. In einem bestimmten Monat wurden 70 Millionen Telefongespräche in Frankreich abgehört. In England schnüffelte der US-Geheimdienst NSA seit 2007 massiv im Privatleben völlig unschuldiger Menschen herum – laut der britischen Zeitung „Guardian“ mit Wissen der britischen Regierung.
Und Deutschland?
In Anbetracht dessen drängt sich die Frage auf, was die deutsche Bundesregierung gewusst hat. Die diesbezüglichen Verlautbarungen eignen sich kaum dazu, den Verdacht auszuräumen, dass eben auch der Bundesnachrichtendienst (BND) von Ergebnissen der NSA-Spionage profitiert hat oder gar direkt mitschnüffelte. Hans-Peter Uhl, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bemerkte auf die Affäre angesprochen: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei eine „Idylle aus vergangenen Zeiten“. Mit einem Schulterzucken werden Grundrechte und – wie in diesem Fall – Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts abgetan, die doch angeblich geheiligte Güter sein sollen.
Parallelen zur Affäre um den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) drängen sich auf. In beiden Fällen geht es im Kern um das Handeln staatlicher Organe – staatlicher Organe, die sich eben weil sie Geheimdienste sind, jeder öffentlichen Kontrolle entziehen.
Noch Ende August versicherte Friedrich im Interview, Snowdens Enthüllungen gehörten – was Deutschland betreffe – ins Reich der Mythen. US-Spionage habe es hier nicht gegeben. Inzwischen ist klar, dass selbst die Kanzlerin abgehört wurde und dass Millionen Deutsche, ebenso wie Spanier, Franzosen, Engländer … ins Visier der NSA geraten waren.
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, warf in der Tageszeitung „junge Welt“ zu Recht die Frage auf, „inwiefern das angebliche Versagen der Bundesregierung beziehungsweise ihrer Geheimdienste eine Folge nicht ihrer Unfähigkeit, sondern ihrer Komplizenschaft mit ihren amerikanischen ,Partnern‘ ist“. Selbst der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar meldet inzwischen deutliche Zweifel an der so oft betonten Bindung der Geheimdienste an das Grundgesetz an, spricht gar von „kontrollfreien Räumen“, in denen BND und Verfassungsschutz tun könnten, was sie wollen.
Asyl für Snowden!
Aufklärung wäre das Recht all derer, die ohne jede Begründung bespitzelt wurden. Wer könnte über die Verknüpfung von BND und NSA berichten? Wer könnte sagen, was und ob die Bundesregierung wusste? Edward Snowden! Und so wäre es natürlich im Interesse der wirklichen Aufarbeitung der ganzen Affäre, wenn Snowden Asyl bekäme. Das deutsche Asylrecht sieht die Aufnahme aus genau diesen Gründen explizit vor. Dass die deutsche Bundesregierung sich so schwer tut, Snowden ins Land zu lassen, liegt sicher daran, dass die Beziehungen zu den USA nicht leiden sollen. Nicht zuletzt aber wohl auch daran, dass sie weitere Veröffentlichungen fürchtet. Das wiederum macht die Frage drängender und scheint sie beinahe zu beantworten: Was tat der BND? Frau Merkel, Herr Friedrich, was haben Sie gewusst?
Wir fordern:
- Asyl für Edward Snowden
- Nein zu der von CSU-Innenminister Friedrich geplanten weiteren Stärkung und Zentralisierung der Behörden und Geheimdienste
- Rücknahme aller „Anti-Terror-Gesetze“. Nein zur Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung, Videoüberwachung, Lauschangriff und Abbau demokratischer Rechte
- Ersatzlose Auflösung aller Geheimdienste
- Kein Bundeswehreinsatz im Inneren