Einigung im UN-Sicherheitsrat bringt Region dem Frieden nicht näher
„Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“, verkündete dereinst der französische Sozialist Jean Jaurès. Vielleicht müsste man angesichts der syrischen Tragödie noch hinzufügen: Wie auch immer er sich dreht und wendet.
von Steve Kühne, Dresden
Inzwischen sind im syrischen Bürgerkrieg 150.000 Menschen zu Tode gekommen, fünf Millionen sind auf der Flucht. Weiterhin ist nicht bewiesen, wer den Giftgasangriff mit mehreren Hunderten Toten bei Damaskus am 21. August zu verantworten hat. Dass der syrische Präsident Baschar al-Assad gegen die Bevölkerung seines Landes auch Giftgas einsetzen könnte, liegt angesichts des Charakters dieses Regimes absolut im Bereich des Möglichen. Allerdings bleibt die Frage, was Assad sich zu diesem Zeitpunkt davon hätte versprechen sollen. Schließlich brachte der Chemiewaffen-Einsatz das Land zunächst näher an eine mögliche von den USA-geführte militärische Intervention.
Erst das Abkommen, …
Nachdem seitens der Regierenden in den USA und Frankreich wochenlang die Kriegstrommeln gerührt wurden, hatten sich die Präsidenten von Russland und den USA, Wladimir Putin und Barack Obama, im September auf die Inspektion der syrischen Chemiewaffenarsenale und die anschließende Zerstörung derselben verständigt; worauf das Weiße Haus im Gegenzug – erst einmal auf Luftschläge verzichtete.
Sieht man einmal davon ab, dass dieses Abkommen ausschließlich die Spitze des Eisberges der Menschenrechtsverletzungen zum Thema machte, erscheint die Kontrolle von 45 Produktions- und Lagerstandorten sowie von 1.000 Tonnen Chemiewaffen in einem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land reichlich ambitioniert. Das Abkommen bedeutet unmittelbar einen Prestigegewinn für den Kreml und hilft dem Regime Assads, sich zu konsolidieren. Kein Wunder, dass dessen bürokratischer Wasserkopf das Übereinkommen demonstrativ feierte.
… dann die Einigung im UN-Sicherheitsrat
Am 27. September verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) erstmals seit dem Beginn von Revolution, Konterrevolution und Bürgerkrieg in Syrien vor mehr als zweieinhalb Jahren eine Resolution zu dem Konflikt. Das 15 Mitglieder umfassende Gremium fordert das Regime in Damaskus darin einstimmig auf, alle Chemiewaffen herauszugeben und vernichten zu lassen. Im Text wird die Option von Sanktionen erwähnt. Für Strafmaßnahmen – ob ökonomische oder militärische – wäre indes eine neue Resolution vonnöten; wogegen Russland jederzeit ein Veto einlegen könnte. Gelöst ist damit nichts. Aber worum geht es eigentlich?
Interessen der Großmächte
Sollte Assad gestürzt werden, würde Moskau seinen bedeutendsten Verbündeten im Nahen Osten einbüßen und damit den Zugriff auf eine Region, die geostrategisch zentral ist, für Russland einen großen Waffenmarkt darstellt und nach wie vor voller Öl steckt. Vor allem aber ist Putin daran gelegen, den Wirkungsradius seines Kontrahenten Obama zu beschränken und sich als Faktor im Weltgeschehen zu präsentieren.
Dem US-Imperialismus hingegen geht es darum, weiter als militärisch entscheidende Macht zu agieren. Nach den Pleiten in Afghanistan und im Irak ist ihnen um ihren weiteren Einfluss im Nahen Osten gelegen. Die ständigen Unruhen in der Region haben auch den negativen Nebeneffekt, immer wieder den Ölpreis in die Höhe zu treiben (wobei die Ölproduktion Syriens selber bei einem Anteil von 0,4 Prozent auf dem Weltmarkt kaum ins Gewicht fällt). Ein den USA höriges Regime in Damaskus käme den Herrschenden in Nordamerika natürlich mehr als gelegen.
Und Deutschland?
Eine direkte Beteiligung der Bundeswehr bei einem möglichen von der US-Regierung geführten Militärschlag stand zwar nicht zur Diskussion. Trotzdem wäre Deutschland mit seinen Patriot-Abwehrraketen in der Türkei bei einem syrischen Angriff mit von der Partie. Erinnert werden sollte jedoch auch daran, dass jeder auch nur indirekten Unterstützung solcher angeblich „humanitären Missionen“ eine ganz andere Politik vorausging: So lieferten deutsche Firmen jahrelang Giftgasbestandteile nach Syrien. Dass ein Regime wie jenes von Assad diese Stoffe zum Morden – gegebenenfalls auch in den eigenen Landesgrenzen – einsetzen würde, war wohl auch damals schon jedem sonnenklar.
Welche Alternative für die arbeitenden Massen in Syrien?
Aus Sicht der Unterdrückten in Syrien bekämpfen sich mit Assad und der „Syrischen Nationalen Koalition“ (SNC) so etwas wie Teufel und Beelzebub! Über Assads Verbrechen muss kaum noch informiert werden. Allein sein Vorgehen gegen friedliche Demonstrationen spricht Bände.
Assads Gegenspielerin, die SNC, ist ein völlig zerklüfteter Dachverband aller möglichen Gruppen und Einzelpersonen: Schriftsteller und stinkreiche Industrielle wie Riad Seif, reaktionäre Rebellengruppen und so weiter. Es spricht für sich, dass Ende September 13 Gruppierungen diese Koalition in Form einer gemeinsamen Erklärung verlassen haben – darunter auch Vertreter der Freien Syrischen Armee (FSA) und die Al-Nusrah-Front.
Die etwa 100.000 bewaffneten Oppositionellen sollen sich auf an die 1.000 verschiedene Gruppen aufteilen. 10.000 von ihnen zählen zu zwei mit Al-Qaida verbundenen Kräften, weitere 35.000 Rebellen stehen den Ideen von Al-Qaida nahe; dazu kommen 30.000, die zu den gemäßigten Islamisten gerechnet werden.
Es wäre grotesk anzunehmen, dass ein Sieg dieser Oppositionsfront Ansätze von Selbstorganisation der benachteiligten Massen Syriens hervorbringen würde.
„Kapitalismus bedeutet Krieg. Sozialismus bedeutet Frieden“ (Karl Liebknecht)
Auch mit der Resolution des UN-Sicherheitsrates ist im Grunde keine Option wirklich vom Tisch – weder die weitere Unterstützung Russlands für das Assad-Regime, noch eine Fortsetzung des Bürgerkrieges auf Kosten der Bevölkerung, noch ein Luftschlag der USA – der jederzeit einen militärischen Flächenbrand in der ganzen Region auslösen könnte. Die Überwindung von Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung werden diese Szenarien der syrischen Bevölkerung nicht bringen. Dies werden die verarmten Menschen nur im Kampf gegen Assad und die reaktionären Kräfte der Opposition erringen können.