SLP-Stellungnahme zur Nationalratswahl
Erklärung der Bundesleitung der Sozialistischen Linkspartei (SLP – Schwesterorganisation der SAV)
Die Nationalratswahl ist geschlagen. Sie fand vor dem Hintergrund einer wirtschaftlich angespannten Situation statt. Diese wurde zwar von der Regierung schöngefärbt bzw. wurden ihre Effekte hinausgezögert, aber dennoch prägte sie den Wahlkampf – u.a. durch Dayli-, Niedermeier und Alpine-Pleite. Das hat sich in der Dominanz sozialer Themen ausgedrückt, die andere Themen wie die „Ausländerfrage“ oder die EU-Frage zurückgedrängt haben. Das Ergebnis ist weitgehend unspektakulär, am eindeutigsten ist der offensichtliche Wunsch nach „etwas Neuem“.
Die vier Hauptparteien SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne nähern sich inhaltlich und stimmenmäßig immer mehr aneinander an. Sie werden als zunehmend unattraktiv gesehen. Meist sind Taktik oder das „kleinere Übel“ der Grund einer Partei die Stimme zu geben, echte Begeisterung gibt es kaum. Zwar haben die vier Hauptparteien eine StammwählerInnenschaft von 60-70% doch haben sie am meisten ans Lager der NichtwählerInnen verloren, die somit „stärkste Partei“ wurden – und das, obwohl es eine Reihe neuer Listen auf dem Stimmzettel gab. Diese Ablehnung der bürgerlichen Demokratie drückt einen Frust über „die da oben“ aus und das berechtigte Gefühl, ohnehin nicht wirklich mitentscheiden zu können (2/3 sind der Meinung, dass die Parteien nur die Stimmen der WählerInnen wollen, aber ihre Anliegen sie nicht interessieren). Teilen der Bourgeoisie ist die Gefahr, die in der Krise der bürgerlichen Demokratie steckt, durchaus bewusst – nämlich, dass Unmut nicht mehr über ein Wechseln von verschiedenen mehr oder weniger berechenbaren Parteien ausgedrückt wird, sondern ein Ventil völlig abseits davon, z.B. in Aufständen oder Klassenkämpfen finden kann. Daher auch das Drängen aus diesem Lager auf Veränderungen bzw. zumindest Signale.
Die Tatsache, dass rund eine halbe Million Menschen Listen ihre Stimme gaben, die als abseits des Establishments gesehen werden, drückt eine starke Ablehnung der existierenden Parteien und einen starken Wunsch nach „etwas Neuem“ aus. Wie schnell diese Erwartungen aber auch wieder enttäuscht werden können drückt sich darin aus, dass das Team Stronach weit schlechter abschnitt, als noch vor wenigen Monaten in Umfragen. Sich hier auf Fehler Stronachs zu beschränken greift zu kurz, sie haben durch ihre Teilnahme an Landesregierungen gezeigt, wie normal sie sind. Ähnlich wird es auch den Neos gehen, denen selbst, wenn sie in keine Regierung eintreten, ein ähnliches Schicksal blühen kann.
Unmittelbar nach der Wahl wurde viel über einen Rechtsruck geschrieben. Tatsächlich ist die FPÖ voraussichtlich wieder auf über 20% gestiegen, sind mit Team Stronach und Neos zwei weitere rechte Parteien gewählt worden und dezidiert Linke auf den Listen von SPÖ und Grünen (Ablinger bzw. Öllinger) nicht mehr im Nationalrat. Aber so unangenehm dieses Ergebnis ist, es ist eine Vereinfachung, das einfach als „Rechtsruck“ zu bezeichnen und mit 1999 gleich zu setzen.
Tatsächlich haben weniger als 15% der Wahlberechtigten Strache bzw. die FPÖ gewählt. Ein großer Teil der neuen FPÖ-Stimmen stammt vom BZÖ, sind also v.a. eine „Heimholung“ ehemaliger FPÖ-Stimmen. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme und des enormen Materialeinsatzes der FPÖ eigentlich ein eher schwaches Ergebnis und weit hinter dem Kanzleranspruch von Strache. Natürlich ist jede Stimme für die FPÖ eine zu viel, natürlich ist die FPÖ eine ernste Bedrohung. Aber nicht jede Stimme für die FPÖ ist eine rechtsextreme. Für viele stand das soziale Image, dass die FPÖ aufbaute, im Vordergrund. Die Angst vor den Auswirkungen der Krise ist berechtigt, die FPÖ war die einzige der großen Parteien, die diese Angst offensiv aufgegriffen hat. Am deutlichsten zeigt sich das in der Steiermark, wo SPÖ und ÖVP massiv für ihren harten Sparkurs im Sozialbereich abgestraft wurden. Die Steiermark zeigt aber auch die Instabilität der FPÖ-WählerInnenbasis: 2005 flog die FPÖ aus dem steirischen Landtag, 2013 ist sie stärkste Partei. Der Grund ist die Sozialabbau-Politik von SPÖVP, aber auch, dass es der KPÖ, die in der Steiermark ein Faktor ist, nicht gelungen ist, die Unterstützung bei Landtags- bzw. Gemeinderatswahlen in eine aktive kämpferische Basis zu verwandeln die auch auf Nationalratsebene als Alternative gesehen wird.
Stronach wird, auch wenn sich in seinem Programm rassistische Punkte finden lassen, nicht von breiten Schichten als rechte Partei wahrgenommen. Der Nationalismus, den er predigt, ist ein in Österreich von weiten Teilen des Establishments (inkl. des ÖGB) gepredigter, der nicht als rechts wahrgenommen wird. Ähnliches gilt für die Neos – diese sind eine neoliberale bzw. klassisch liberale Partei. Finanziert von einem Millionär, ein Programm voller brutaler Sparvorhaben und mit monarchistischen Regional-Kandidaten werden sie doch nicht primär als Vertreterin von Wirtschaftsinteressen wahrgenommen. Gerade bei neuen Parteien ist der Unterschied zwischen Sein und Schein groß und es muss eine klar sichtbare Positionierung im Links-Rechts-Schema erst in der politischen Praxis deutlich werden. Aktuell werden sie v.a. als neu und anders – und damit gut – gesehen. Das wird sich ändern, sobald sie in der Praxis mitzureden haben und ihr brutaler Neoliberalismus deutlich wird. Die Neos und auch Stronach bieten auch eine gute Argumentationsgrundlage für die kommenden Angriffe der kommenden Regierung: der Öffentliche Dienst, Privatisierungen bei Pensionen und Bildung, eine neue „Sozialschmarotzer-Debatte“ – all das ist im Fokus kommender Kürzungsprogramme. Denn die Regierung konnte zwar bis zur Wahl die Effekte der Krise verzögern, doch ändert das nichts daran, dass Österreich mitten drin ist in der europäischen Krise: Höchste Arbeitslosigkeit seit 1945, steigende Armut, Wohnungsproblematik, Pleiten- und Kündigungswellen etc. Gerade weil sich das Kapital auch klar darüber ist, dass es zur Erhaltung seiner Profite weitere Umverteilungen von unten nach oben braucht, dass eine „effektivere“ Ausnutzung der Arbeitskraft nötig ist, um die österreichische Wirtschaft konkurrenzfähig zu halten – gerade deshalb setzt es auf eine Kombination von Stabilität bei der Regierung und Angriffen ArbeitnehmerInnenrechte und Sozialstaat. Was uns blüht hat VP-Chef Schützenhofer klar gemacht, nämlich „eine Koalition anderen Zuschnittes, die einen Reformkurs wie in der Steiermark einzuschlagen habe“. Dort gab es u.a. Kürzungen im Sozialbereich um 25% und mehr!
Mit den Neos ist eine Partei gewählt worden, die in all diesen Fragen einen aggressiv neoliberalen Kurs fährt aber vom Verdacht der „Systempartei“ frei ist. Sie und ihre Ideologie werden von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung zur Untermauerung ihrer Argumente herangezogen werden. Schon länger gibt es keine Partei mehr im Parlament, die ernsthaft ein Bündnispartner für gewerkschaftliche Kämpfe sein wird. Doch mit dieser Wahl ist die radikale Anti-Gewerkschafts-Gruppe durch Stronach und Neos gestärkt worden. Die kommenden Angriffe werden daher auch frontaler gegen die Gewerkschaft geführt werden – Ansätze dafür haben wir bereits bei der Debatte ums LehrerInnendienstrecht und beim MetallerInnen-KV gesehen.
Der Wohlfühl-Walkampf, wie ihn v.a. die Regierungsparteien betrieben haben, hat nicht gegriffen. Das zeigt sich auch beim grünen Ergebnis, das ebenfalls weit hinter Zielen und Erwartungen zurück blieb – Wohl auch wegen eines unpolitischen Auftretens und einer bewussten Distanzierung von „linken“ Themen (wie z.B. in der Flüchtlingsbewegung, wo die Grünen von den Neos links überholt wurden). Die Grünen sind eine ganz normale Partei, Teil des Establishments, und werden zunehmend auch als solcher gesehen. Das zeigt sich auch darin, dass ihnen die AktivistInnen fehlen, um den Wahlkampf zu führen und sie externe, prekäre Leiharbeitskräfte als WahlhelferInnen anstellen mussten. Der Wunsch, zu regieren und die inhaltliche Anpassung u.a. an die ÖVP hat die Grünen aus Sicht der herrschenden Klasse zu einer stabilen und möglichen Regierungspartei gemacht, WählerInnen hat der Kurs kaum gebracht und an der Basis kommt es zu einem Wegbrechen von Schichten, die teilweise inaktiv werden, teilweise nach einer neuen politischen Heimat suchen. Der Zick-Zack-Kurs von Freda Meissner-Blau spiegelt dieses Dilemma wieder (sie ist quasi grünes „Urgestein“, hat dann einen Wahlaufruf für den Wandel gemacht, im Zuge des Wahlkampfes dann in einem Standardinterview erklärt, nicht zu wählen und dann knapp vor der Wahl verlautbart, Öllinger eine Vorzugsstimme zu geben). Manche Linke werden – wie es seit Jahrzehnten bei der SPÖ der Fall ist – aus taktischen Überlegungen und als kleineres Übel die Grünen gewählt haben. Begeisterung oder Aktivität fehlt aber.
Insgesamt waren soziale Fragen – und nicht Rassismus – ausschlaggebend für das Wahlergebnis. Das wird am deutlichsten in Bezug auf die Steiermark, aber auch bei den Umfragen zu sozialer Herkunft der WählerInnen und Themen die wahlentscheidend waren. Die SPÖ hat zwar versucht, auf die soziale Karte zu setzen, wirklich abgenommen haben ihr das aber v.a. jüngere Schichten nicht. Für das Klientel, das Grüne und Neos ansprechen, sind soziale Fragen – noch – nicht ausschlaggebend, das kann sich aber mit einer Vertiefung der Krise und der Tatsache, dass dann verstärkt selbstständige und mittelständische Schichten davon betroffen sein werden, ändern. Es hat sich schon in der Vergangenheit gezeigt, dass der Fokus der Interessen und auch die Betroffenheit mit der Zunahme von sozialen Problemen weg von Themen wie Umwelt, aber auch Demokratiefragen und hin zu sozialen und wirtschaftlichen Themen wechselt.
Das Fehlen eines sichtbaren linken Angebots war ein zentrales Problem dieser Wahl. Es wird zwar in den Medien nicht transportiert, aber es kam zu einer, wenn auch in bescheidenem Rahmen, Stärkung der Linken: KPÖ, SLP, und auch der Wandel als linke Listen sowie die Piraten, die als links gesehen werden, haben insgesamt an Stimmen und Aufmerksamkeit dazu gewonnen. Die KPÖ hat erstmals seit langem wieder die 1 % Marke geknackt – mit einem sehr seichten Programm und kaum Aktivitäten. Es war also keine Unterstützung für Programm und Politik der KPÖ, sondern die allgemeine Unterstützung für linke Ideen. Doch mehr wäre möglich gewesen. Dass es kein starkes linkes Angebot gab, ist nicht auf die Konzentration der Medien auf die „neuen“ Stronach und Neos zurückzuführen, sondern v.a. auf den Alleinvertretungsanspruch der KPÖ. Wäre der Appell der SLP für ein linkes Wahlbündnis, das mehr als nur SLP + KPÖ hätte sein müssen, das AktivistInnen z.B. aus der Plattform 25 in der Steiermark, von den Protesten gegen die Nulllohnrunden in Wien und Salzburg, aus der Flüchtlingsbewegung etc. zusammengefasst hätte, aufgegriffen worden, dann hätte es die Chance für eine starke linke Kandidatur gegeben, die weit sichtbarer und v.a. kämpferischer gewesen wäre. Diese hätte auch ein Attraktionspol für frustrierte FSGlerInnen sein können, und v.a. ein Ansatz für die Proteste, die gegen die Angriffe der kommenden Regierung so dringend notwendig sein werden.
Der Wahlkampf der SLP war der aktivste und sichtbarste, den wir jemals geführt haben. Wir haben über 2.500 Plakate aufgehängt, 15.000 Flyer sowie tausende Flugzettel verteilt. Wir haben neben unseren Aktivitäten in der Flüchtlingsbewegung, gegen die Kündigungen bei MAN, bei der BetriebsrätInnenkonferenz des Metallbereichs und gegen das neue LehrerInnendienstrecht auch, wo wir nicht antraten Aktivitäten gesetzt: In Linz, Graz, Salzburg, Vorarlberg, Tirol, St. Pölten und Gmunden wurden im September dutzende Straßenaktionen und Veranstaltungen durchgeführt.
Wir haben mit „Sozialismus statt kapitalistische Chaos“ einen sehr klaren Hauptslogan gewählt, der uns von allen anderen Parteien unterschieden hat und uns als einzige eindeutig antikapitalistische Liste gezeigt hat. Darauf haben wir vorwiegend positive Reaktionen erlebt. Wir haben mit knapp 1000 Stimmen ein nicht berauschendes, aber passables Ergebnis eingefahren. 2008 hat die SLP in einem Wahlbündnis mit anderen Organisationen kandidiert, das in Wien – mit einem politisch niedrigschwelligerem Programm, ohne die Konkurrenz von Wandel und Piraten, aber mit mehr Medienaufmerksamkeit aufgrund der Kandidatur in mehreren Bundesländern – nur wenig mehr Stimmen erzielte. Natürlich hätten wir uns über mehr Stimmen mehr gefreut, doch ohne eine gesamtgesellschaftlich andere Situation wäre auch mit mehr Einsatz kaum mehr möglich gewesen. In diesem Wahlkampf haben uns viele Menschen näher kennen gelernt bzw. sind erstmals auf uns aufmerksam geworden. Die Tatsache, dass wir noch eine kleine Partei sind und stimmenmäßig nicht bei den „Großen“ mitspielen, wird aber nicht als Manko wahrgenommen, im Gegenteil: Wir haben seit dem Wahlabend mehr Anfragen für Informationen und Beitritte zur SLP als davor.
Das Ziel der Kandidatur der SLP war, sozialistische Ideen zu verbreiten, zu zeigen, wie eine neue ArbeiterInnenpartei Themen aufgreifen und Kampagnen führen könnte und neue Menschen kennenzulernen, die mit uns in den Kampagnen gegen die kommenden Kürzungen aktiv sein werden und eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen wollen. Diesem Ziel sind wir einen Schritt näher gekommen. Doch nun wollen wir all jene, die uns gewählt haben, aber noch nicht mit uns aktiv sind, und auch jene, die eine andere linke Liste gewählt haben, aber aktiv werden wollen einladen, aktiver Teil der SLP, aktiver Teil einer kämpferischen, sozialistischen und international organisierten Kraft zu werden!
vom 2.10.2013 (vor dem amtlichen Endergebnis inkl. Wahlkarten)