Dokumentiert: Kampagne der Antikapitalistischen Linken Rostock
von René Henze, AKL Rostock
Wie in vielen Städten wird auch in Rostock das Wohnen immer teurer. Dank staatlicher Förderung war es in den letzten 20 Jahren für die Wohnungsgesellschaften und Baufirmen lukrativer, Bürogebäude und Hotels zu bauen als Wohnungen. Außerdem wurden ganze Wohnblöcke abgerissen – auch um die Miete hochzuhalten.
Die Einführung von Hartz IV hat die Situation nochmal verschärft. Um den vollen Hartz-IV-Regelsatz zu erhalten, sind viele vorher zusammenlebende Paare auseinandergezogen. Folglich sind inzwischen bezahlbare Ein- bis Zwei-Raum-Wohnungen Mangelware.
Seit Beginn der Wirtschaftskrise 2007/08 haben dann Kapitalanleger ihre Investitionen aus windigen Geschäften und abstürzenden Ländern abgezogen und in den Immobilienmarkt, dem sogenannten „Betongold“, verlagert.
Das Ergebnis sind lange Schlangen von Wohnungssuchenden bei Wohnungsbesichtigungen und die Vermieter können sich „ihre Kunden“ aussuchen. Verschärfend kommt in Rostock hinzu, dass hier eine große Uni mit fast 15.000 StudentInnen existiert. Für Vermieter ist das natürlich eine Goldgrube. Denn wenn die StudentInnen nach ein bis drei Jahren wieder ausziehen, kann die Miete um bis zu 20 Prozent erhöht werden.
So steigt und steigt die Miete…
Bezahlbarer Wohnraum für alle!
In vielen Städten regt sich Widerstand gegen die unerträgliche Mietsituation und selbst die bürgerlichen Parteien CDU, SPD und Grüne waren im Wahlkampf gezwungen, sich dazu zu äußern. Doch sie blieben schwammig in ihren Aussagen. Mussten sie ja auch, denn als kapitalistische Parteien haben sie in den unterschiedlichsten Regierungskonstellationen der Vergangenheit, gerade die Möglichkeiten für die Besitzenden – also auch für die Vermieter – gestärkt. Die Rechte der MieterInnen dagegen wurden geschwächt. Einzig DIE LINKE hat ein im Sinne der MieterInnen und Wohnungssuchenden konkreteres Mietenprogramm entworfen.
Antikapitalistische Linke in Rostock
Was nutzen jedoch die besten Ideen und Vorschläge im Wahlprogramm, wenn man sie nicht unter die Leute bringt? Genau das wollten wir – vom linken Flügel, der Antikapitalistischen Linken in Rostock – anders machen.
Also haben wir kurzerhand das Mietenprogramm unserer Partei zur Grundlage für eine Kampagne „Runter mit den Mieten!“ und einer Unterschriftenliste mit folgenden Forderungen genommen:
- Sofortiger Mietstopp und schrittweise Senkung der Kaltmiete auf höchstens 4 €/m²!
- Begrenzung der Warmmiete (inkl. Gas und Strom) auf höchstens 30% des Nettoeinkommens bei Haushalten mit geringem Einkommen!
- Schluss mit dem Verkauf und Abriss kommunaler Wohnungen!
- Bau von Sozialwohnungen!
Bei den Infoständen mit dieser Unterschriftenliste merkten wir auch schnell, dass den Leuten auf der Straße das Thema auf der Seele (und im Portemonnaie) brennt. Schnell waren knapp 300 Unterschriften zusammen. Im Gespräch versuchten wir den Unterschreibenden aufzeigen, dass einzig unsere Partei einen wirklichen „Gebrauchswert“ für sie hat. Auch wenn natürlich nicht alle, die unterschrieben, wirklich unsere Partei gewählt haben, so haben wir zumindest für ein Nachdenken gesorgt.
Interessant war aber auch, dass es eine Schicht von Leuten gibt, die links und kapitalismuskritisch sind und die unserer Partei wegen der früheren angepassten Politik der Parteiführung in der Stadt und in der rot-roten Landesregierung, bzw. aktueller Äußerungen in Richtung eines Bündnisses mit der Hartz-IV- und Kriegs-Partei SPD, skeptisch gegenüberstehen.
Genau diesen boten wir unseren Ansatz, den eines linken Flügels der sich konsequent gegen eine Anpassung und für antikapitalistische bzw. sozialistische Politik unserer Partei, einsetzt, an.
So lernten wir auch eine Reihe von Interessenten für die Antikapitalistische Linke in Rostock kennen.
Nach dem Wahlkampf geht’s weiter!
Nachdem wir schon im Wahlkampf gute Erfahrungen mit der Kampagne gemacht haben, stand in der Presse, dass die städtische Rostocker Wohnungsgesellschaft WIRO nun auch noch ganze Wohnblöcke – fast schon ein kleines Wohnviertel – im Stadtteil Toitenwinkel abreißen bzw. an private Investoren verkaufen will, um einem angrenzenden Gewerbegebiet und einer eventuellen Erweiterung des Rostocker Hafens mehr Platz zu machen.
Kurzerhand überlegten wir, wie wir Protest organisieren können und erstellten einen kleinen Flyer mit den nächsten Aktionsterminen. Damit fuhren wir zu den betroffenen Wohnblöcken um die Flyer in die Briefkästen der MieterInnen zu stecken. Die Reaktionen der BewohnerInnen, die wir dabei trafen, war von Sorge und Wut über die geplante Privatisierung und Aussichten für die weitere Entwicklung ihrer Mieten geprägt.
Protest vor der Bürgerschaft am 9. Oktober
Mit einem riesengroßen Transparent „Keine Profite mit der Miete! – DIE LINKE (AKL)“ protestierten wir vor der Sitzung der Rostocker Bürgerschaft gegen die neuerlichen Pläne der städtischen Wohnungsgesellschaft WIRO.
Als städtische Gesellschaft untersteht sie schließlich der Rostocker Bürgerschaft und schon im letzten Jahr sorgten die Pläne der WIRO, in Gemeinschaft mit dem Oberbürgermeister und den Fraktionen von CDU und FDP, dieses Viertel zugunsten der Wirtschaft plattzumachen, für Furore. Die Fraktionen von SPD und Grüne, sowie unserer Partei, traten dagegen auf. Und Kraft ihrer Mehrheit in der Rostocker Bürgerschaft wurden damals derartige Pläne auf Eis gelegt.
Doch Vorsicht vor falschen Freunden war und ist angesagt. Der Grünen-Vertreter, Johann-Georg Jäger argumentierte im April letzten Jahres in der Bürgerschaft gegen den Abriss bzw. Verkauf folgendermaßen: „Wir sollten als Stadt die Hand darauf behalten für den Fall, dass dort einmal Erweiterungsflächen beansprucht werden.“
Für eine Demokratisierung der WIRO
Nach der Bundestagswahl nun fühlt sich die WIRO-Geschäftsführung – ganz im Sinne von CDU und FDP (CDU-Fraktionschef Frank Giesen im letzten Jahr: „Der Gesellschaftervertrag regelt klar, dass die WIRO verkaufen kann ohne Beschluss der Bürgerschaft. Ich sehe nicht, dass wir in solche Gesellschafterverträge eingreifen sollten.“ Und sein FDP-Kollege Dr. Ulrich Seidel: „Wir können doch dem Geschäftsführer nicht vorschreiben, was er tun darf.“) – nicht mehr an den Beschluss der Rostocker Bürgerschaft gebunden und will nun das Viertel Hafenbahnweg an private Investoren verkaufen.
Die Sorgen und Ängste der MieterInnen zählen dabei wenig. Auf der Website der WIRO heißt es: „Als hundertprozentiges Tochterunternehmen der Stadt Rostock sind wir uns unserer Verantwortung bewusst.“ Eigentlich sollte man jetzt denken, dass das im Sinne der MieterInnen und Wohnungssuchenden gemeint ist, sprich für die Bereitstellung und Pflege von guten und preiswerten Wohnraum gesorgt wird.
Doch die WIRO-Politik sieht anders aus: Abriss ganzer Wohnblöcke, steigende Mieten, mäßiger bis schlechter Service, Korruption in der Geschäftsleitung, hohe Managergehälter (der letzte inzwischen verurteilte Geschäftsführer Küppers bekam 18.000 Euro monatlich als Gehalt)… sorgen für weitverbreiteten Frust bei den MieterInnen.
Mit unserem Protest wollten wir auch deutlich machen, dass die WIRO unbedingt demokratisiert werden muss.
Leider verhinderte ein starker Regen, dass wir über derartige Vorschläge mit den PassantInnen reden konnten. So nahmen viele nur von weitem unseren Protest wahr – aber das Transparent war gut zu lesen. Ein paar Flyer konnten wir aber doch verteilen.
Aufschlussreicher Wortwechsel mit dem Oberbürgermeister
Ein ausführliches und interessantes Gespräch hatten wir aber trotzdem. Der Oberbürgermeister Roland Methling kam heran und bekundete seine Zustimmung zu dem Spruch auf unserem Transparent. Er betonte, dass er sich freue, dass die WIRO Wohnungen baue. Auf unseren Einwand, dass die Wohnungen, die zur Zeit von der WIRO gebaut würden, allerdings nur hochpreisige Eigentumswohnungen seien, ging er natürlich nicht ein. Naja, da sieht man mal wieder, welche Klientel er vertritt und welche wir.
Aufschlussreicher wurde es dann aber beim weiteren Gespräch – nämlich wie wichtig eine klar antikapitalistische bzw. originär sozialistische Positionierung in unserer eigenen Partei nötig ist.
Denn OB Methling kritisierte unsere Partei fast schon „von links“, indem er besonders auf zwei Punkte hinwies:
Erstens: dass ja in der Vergangenheit auch VertreterInnen unserer Partei im Aufsichtsrat der WIRO nicht nur die frühere Geschäftspolitik – sondern auch den inzwischen wegen Untreue verurteilten ehemaligen Geschäftsführer Küppers – verteidigt haben und so auch die „Altschulden“ mitzuverantworten hätten, die die Stadt nun abtragen müsse.
Und Zweitens: um eben jene Schulden abzubauen, müssen nun die stadteigenen Firmen (also auch die WIRO) mehr Gewinn an die Stadt abführen. Wir entgegneten, dass so lediglich die städtischen Schulden in private Schulden der BewohnerInnen der Stadt (hier die MieterInnen) umgelagert würden. Mit der Forderung einer „rebellischen Kommune“ schlugen wir ihm vor, mehr Geld vom Land und Bund einzufordern, statt immer weiter die BürgerInnen der Stadt zu schröpfen. (Wir wiesen auf seine eigenen Worte hin, dass Hartz IV ein Bundesgesetz ist – doch fast 70 Prozent der Kosten die Stadt Rostock, u.a. in Form von Wohnkosten, davon aufbringen muss.)
Auf diese Argumentation erwiderte er lachend, dass doch ein Mitglied der Linken, Frau Gramkow, jahrelang den Vorsitz des Finanzausschusses des Landes inne hatte und somit mitzuverantworten habe, dass die Kommunen durch immer geringere Zuweisungen vom Land immer mehr in die Schulden gerieten.
Oberflächlich betrachtet ging die Diskussion mit 2:0 für den OB aus.
Aber eben nur oberflächlich.
Denn eine ganz andere, eine antikapitalistische Politik zu machen, ist gerade „unserem“ Oberbürgermeister nicht zu vermitteln. Er steht eindeutig „auf der anderen Seite“.
Die Betroffenen (hier die MieterInnen) zu mobilisieren und in unserer Partei einen linken – d.h. klar antikapitalistisch und sozialistischen – Flügel aufzubauen, der z.B. die Politik der Genossin Gramkow (die heute als Schweriner Oberbürgermeisterin eine Kürzungspolitik ausführt) und des ihr nahestehenden Flügels unserer Partei nicht nur kritisiert, sondern auch Alternativen entwickelt, das ist UNSERE AUFGABE.
Nächste Aktion
Angespornt durch die Aktion vor der Bürgerschaft haben wir eine weitere Protestaktion am 14. Oktober in Sichtweite der Geschäftsstelle der WIRO gemacht. Da die Geschäftsstelle selbst in einer kleinen Nebenstraße liegt und wir nicht erwarteten, dass der WIRO-Vorstand durch unsere kleine Aktion sofort seine Geschäftspolitik ändert, haben wir uns mit dem riesigen Transparent, Unterschriftenliste, Flugblättern, Infotisch und Aufsteller in die belebte Einkaufspassage Kröpeliner Straße gestellt und die PassantInnen auf die Pläne der WIRO und unsere Kampagne aufmerksam gemacht.
Und unsere Partei?
Schon während des Wahlkampfes haben wir unsere Kampagne in die Partei „reingereicht“. Zum einen hat ein Vertreter der AKL, Ralf Malachowski, im Rostocker Kreisvorstand die Kampagne und Unterschriftenliste eingebracht. Skeptisch waren sie allerdings bei der Forderung nach „… schrittweise Senkung der Kaltmiete auf 4 Euro pro Quadratmeter“.
Wir sind uns noch nicht ganz sicher, was der Grund für diese Skepsis bei diesem Punkt ist; vermuten aber, dass das mit der Haushaltslage der Stadt Rostock zu tun hat. Eine derartige Mietsenkung würde die Einnahmeseite – gerade durch die städtische WIRO – schwächen. Und da unsere Fraktion im Rathaus und auch die Mehrheit im Kreisvorstand nun nicht gerade zu den kämpferischsten und linkesten in der Partei gehören, liegt diese Vermutung für uns recht nahe. Aber, wie gesagt, das ist nur eine Vermutung.
Ebenso haben wir die Kampagne und Liste vermittels des Mitglieds des Parteivorstands Ida Schillen in den Bundesvorstand eingebracht. Was daraus geworden ist, wissen wir noch nicht. Wir werden sehen.
Jetzt sind wir dabei, die Kampagne in die Landes-AKL von Mecklenburg-Vorpommern einzubringen und hoffen, dass dann der Antrag für den kommenden Landesparteitag im November von der gesamten Antikapitalistischen Linken MV (und anderen GenossInnen) eingebracht und unterstützt wird. Vielleicht schaffen wir es ja, dass die Partei in MV eine konkrete Mietkampagne startet. Falls nicht, werden wir von der AKL auf jeden Fall weitermachen.
Weitere MitstreiterInnen sind herzlich willkommen.
Da leider im Programm und den bisherigen Statements der Partei keine konkrete Begrenzung der Kaltmiete pro Quadratmeter genannt wurde und wird, war es uns wichtig, eine für MieterInnen und Wohnungssuchende nicht nur fassbare, sondern auch spürbare Summe als Forderung aufzustellen. Und da lt. aktuellem Mietspiegel in Rostock die Kaltmiete für eine 45-60 Quadratmeter große Wohnung in „normaler Wohnlage“ zwischen fünf und fast sieben Euro – in „Innenstadtlage“ sogar zwischen sechs und acht – (alles im Durchschnitt) schwankt, liegt es auf der Hand, dass die Summe spürbar runtergehen muss.
(Auf der Website der Hansestadt Rostock wird der aktuelle Mietspiegel mit einer Durchschnittssumme von 5,52 Euro je m² präsentiert ; das Wohnungssuchportal wohnungsbörse.net dagegen errechnet einen deutlich höheren Wert, 5,94 Euro je m² im Durchschnitt. Außerdem bildet der „Mietspiegel“ eh nur 46,2 Prozent der Wohnungen in Rostock ab.)