von Kris Zalem & Baran Ruciyar, Göttingen
Weil das bisherige Programm der Linksjugend [’solid] von 2007 veraltet sei, wurden die Basismitglieder vom 18.10. bis 20.10.2013 nach Kassel zum zweiten Bundesprogrammkonvent dieses Jahres geladen, um dort über fünf Themenschwerpunkte zu diskutieren: Krise, Antilimilitarismus, Mitbestimmung, Bildung, außerparlamentarische Linke bzw. Kritik am Parlamentarismus. Bis zu 70 engagierte junge Linke aus allen Ecken der Bundesrepublik trafen sich daraufhin auf dem Konvent, das auch Interesse bei einigen Sympathisanten erweckte. Wir können hier nur über die Antimilitarismusdebatte berichten, da die weiteren Debatten zeitgleich zu dieser stattfanden.
Die Bundesprogrammkonvents stellen keine beschlussfähigen Organe des Jugendverbands dar, doch können hier die Positionen der Basis gehört und ausgearbeitet werden. Hier trug eine mangelhafte Organisation der Vor- & Nachbereitung des Wochenendes leider dazu bei, dass sich die Mitglieder nicht auf die bevorstehenden Diskussionen einstellen konnten. Denn die fünf Themenschwerpunkte waren ihnen vorher nicht bekannt gegeben. Um solchen Problemen zukünftig vorzubeugen und bessere Debatten mit entsprechendem Hintergrundwissen der Mitglieder zu führen, könnte für das nächste Programmkonvent ein vorläufiger Programmablaufplan aufgestellt werden, damit die Besucher die Gelegenheit zur gezielten politischen Vorbereitung haben. So können aus kontroversen Diskussionen eher sinnvolle programmatische Positionen der Basis erarbeitet werden. Besonders kontrovers geführt wurde jedoch die Debatte über praktischen Antimilitarismus. So gab es Differenzen in der Frage des Verhältnisses des Jugendverbands zu sozialistischen und widerständischen Bewegungen weltweit, falls diese den Weg des revolutionären Kampfes einschlagen und selbstbestimmt zu militärischen Mitteln greifen. Trotzt anfänglichem Konsens in der universellen Kritik am Militarismus und Krieg, divergierten die Meinungen in der Analyse der gegenwärtigen kriegerischen Auseinandersetzungen. Zwar sprachen sich alle für Rüstungskonversion, sukzessiven Abbau der Bundeswehr und Nato, sowie gegen die Bundeswehrwerbung in den Schulen aus. Doch an den ultra-pazifistischen Positionen entzündete sich eine lebhafte Diskussion. Besonders emphatisch vertraten einige GenossInnen, man dürfe Revolutionen nur dann als gerechtfertigt ansehen, wenn sie gewaltfrei verliefen. Selbst wenn die revolutionären Massen verfolgt und umgebracht werden, dürften sie nicht zur „Selbstjustiz neigen“ und auf physische Gewalt zur eigenen Verteidigung gegenüber einem Usurpator zurückgreifen. Diese Vorstellung ist zwar romantisch, jedoch entbehrt sie jeder rationalen Grundlage und ist für sozialistische Massenbewegungen in sektiererischen oder gar diktatorischen Regimen (z. B. die ursprüngliche Revolte im arabischen Raum) undenkbar. So würde das Opfer seinen Einbrecher quasi dazu auffordern, er solle wenn schon selbst den Abzug drücken, denn das Opfer würde sich ohnehin nicht zur Wehr setzen. Infolge dessen stieß die Frage auf, an welche Bedingungen entsprechende Solidaritätsbekundungen geknüpft sein müssten. So richtig es ist, eigene Prinzipien für praktische Unterstützung aufzustellen, so unmöglich ist eine pauschale Formulierung von Rahmenbedingungen für Revolutionen, die gegeben sein müssten, damit sie aus Sicht des Jugendverbands per Definition unterstützenswert seien. Dann ginge man der Annahme, jeder Befreiungskampf hätte die selben Hintergründe und würde daher stets gleich verlaufen. Dem ist natürlich nicht so. Zwar verliert der Sozialismus nicht seinen universellen Charakter, doch sind die Wege zu seiner Errichtung sicherlich unterschiedlich. Aus diesem Grund sollten nicht wir nicht vorschnelle Bedingungen an die SozialistInnen in den anderen Ländern dieser Welt richten, nur weil uns ihre Methoden nicht richtig erscheinen. Das Mittel der Gewaltanwendung ist sicherlich nie eine schöne, ganz zu schweigen eine moralische Methode zur Zielerreichung. Doch hängt die Anwendung dieses Mittels in erster Linie vom politischen Gegner ab und nicht vom eigenen Willen. In Bürgerkriegen und Revolutionen stellt sich die Frage oft nicht, ob man Gewalt anwenden möchte oder nicht. Daher sollten wir nicht mit unseren internationalen GenossInnen brechen, da sie zu Methoden greifen, die für uns unmenschlich erscheinen, weil wir uns nicht in ihrer Situation befinden. Doch eine Sache stand & steht absolut außer Frage: Wir benötigen eine globale Abrüstung und komplette Entmilitarisierung sowohl der Staaten, als auch ihren Gesellschaften. An diesem Punkt erlangt würde sich die Diskussion über militärische Gewalt als Mittel der politischen Befreiung überflüssig machen. Doch solange die realen Gegebenheiten in dieser Welt anders aussehen, sollten wir weiterhin einstehen für eine globale Entmilitarisierung und einer damit untrennbar verbundenen globalen Bekämpfung des kapitalistischen Establishments zur Errichtung einer sozialistisch geführten Staatenföderation. Die Debatte über Antimilitarismus ist also längst nicht abgeschlossen und sollte innerhalb der Linksjugend [’solid] weiterhin intensiv diskutiert werden.