Ist das Werk noch zu retten?
In der Nachtschicht vom 9. auf den 10. September kam es bei Opel Bochum zu einer spontanen Arbeitsniederlegung von KollegInnen der Nachtschicht. Der Ausstand fand im Anschluss an die mit 17 Stunden bisher längste Betriebsversammlung überhaupt statt, bei der es eine intensive Debatte unter den KollegInnen gegeben hatte. Laut Betriebsrats-Chef Einenkel hatten sich 51 KollegInnen mit Beiträgen zu Wort gemeldet. Der Opel-Vorstand hatte es nicht für notwendig erachtet, sich den Fragen von KollegInnen zu stellen, was viele als Respektlosigkeit werteten. Es ist offensichtlich, dass die Leitung von General Motors keinerlei Interesse am Erhalt der Arbeitsplätze und dem Werk hat. Nach ihrem Kalkül ist die Zerstörung dieser Produktionskapazitäten nötig, um auf einem weltweiten Automarkt mit angehäuften Überkapazitäten konkurrenzfähig zu bleiben. Wegen der Krise in Europa ist es für die GM Leitung nicht mehr profitabel, das Bochumer Werk aufrecht zu erhalten. Diesem marktwirtschaftlichen Kalkül sollen nun 3200 Arbeitsplätze bei Opel Bochum und vielen tausend weitere in der Region, die vom Opel-Werk abhängig sind, geopfert werden. Das darf nicht akzeptiert werden.
von Angelika Teweleit, Berlin
Die spontane Arbeitsniederlegung ist Ausdruck der berechtigten Wut der KollegInnen. Auch KollegInnen der Frühschicht wurden angesprochen, jedoch gab es wohl massive Einschüchterung der Geschäftsleitung, so dass die Produktion um 7 Uhr (anstatt wie sonst 6 Uhr) wieder voll lief.
Die regionale Tageszeitung WAZ zitierte Betriebsrats-Chef Rainer Einenkel mit den Worten „Das war eine demokratische Entscheidung. Aber ich glaube wir müssen den Weg von Verhandlungen gehen.“ Auch ein Sprecher der IG Metall NRW wird zitiert, das es „weder vom Betriebsrat noch von der Gewerkschaftsseite einen Aufruf gegeben“ habe.
Welche Strategie verfolgt der Betriebsratsvorsitzende Einenkel? Noch vor einigen Wochen hatte er davon gesprochen, dass es um den Erhalt des Werkes geht und sich gegen die Linie der Gesamtbetriebsratsspitze unter dem Vorsitz von Wolfgang Schäfer-Klug gestellt, welche bereit war, die Schließung der Bochumer Werkes hinzunehmen.
Leider hat auch der Bochumer Betriebsrat und die örtliche IG Metall bisher keine wirkliche Kampfstrategie aufgezeigt. Es wurde eine Klage gegen General Motors eingereicht, um so den Erhalt der Arbeitsplätze zu erreichen und damit zunächst die Entscheidung in die Hände von Juristen gelegt. Darauf ist keinerlei Verlass. Doch jetzt wird alles auf Verhandlungen gesetzt. So fordern der Bochumer Betriebsrat und IG Metall einen Sozialtarifvertrag und Ersatzarbeitsplätze, zum Beispiel durch Transfergesellschaften. Um die Verhandlungen nicht zu gefährden, wollen sie das Management nicht mit Arbeitskampf „verschrecken“. Ohne Kampf lässt sich aber wahrscheinlich nur wenig erreichen. Transfergesellschaften sind zudem keine Lösung, die den betroffenen KollegInnen mitsamt ihren Familien eine Perspektive bieten. Viele Erfahrungen zeigen , dass dies häufig nur Arbeitslosigkeit auf Raten oder unsichere Jobs in prekären Arbeitsverhältnissen bedeutet. So ist es auch vielen der Nokia-Beschäftigten nach der Schließung des Bochumer Nokia-Werkes 2008 ergangen.
Richtig ist, dass General Motors/Opel dafür zahlen soll, wenn sie die Existenz von tausenden von Familien gefährden. Gleichzeitig sollte die Schließung des Werks aber nicht akzeptiert werden! Die Bochumer Bundestagsabgeordnete der Linken Sevim Dagdelen formulierte: „Opel muss perspektivisch in die öffentlichen Hand und braucht eine ökologische Innovationsstrategie, um zukunftsfähige Arbeitsplätze durch einen ökologischen Umbau zu sichern und zu schaffen.“ (siehe http://www.dielinke-nrw.de Artikel zu Opel vom 13.Dezember 2012). Das ist der richtige Ansatz, um nachhaltig sichere Arbeitsplätze zu schaffen. Die Forderung sollte lauten, wenn ein Unternehmen Massenentlassungen vornehmen oder ein Werk schließen will, sollte der Betrieb verstaatlicht werden. Das ist nach Artikel 27 der Landesverfassung in Nordrhein Westfalen durch die Landesregierung durchführbar. Auf der Basis von Gemeineigentum und unter Kontrolle und Verwaltung demokratisch gewählter VertreterInnen aus der Belegschaft, der IG Metall und des Landes NRW und unter Einbeziehung von Experten und Umweltschutzorganisationen könnte ein Plan für alternative Produktion entwickelt werden.
Der spontane Ausstand zeigt, dass es viele KollegInnen gibt, die sich nicht mit der Schließung abfinden wollen und bereit sind, einen Kampf zu führen. Angesichts der offiziell eingeschlagenen Strategie von Betriebsrats- und IG-Metallführung wäre es jetzt unmittelbar nötig, durch Organisierung und Druck von unten einen alternativen Weg für die Verteidigung aller Arbeitsplätze bei Opel Bochum zu diskutieren. Dabei würde die Formulierung der Forderung nach Verstaatlichung als einziger Lösung für den Erhalt des Werks eine wichtige Rolle in der Diskussion spielen. Eine erfolgreiche Strategie für den Arbeitskampf müsste Streik und Besetzung des Betriebs sowie eine breite öffentlichkeitswirksame Unterstützungskampagne aus der Region beinhalten.
Die vom Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Schäfer-Klug ausgedrückte Haltung, den KollegInnen in Bochum regelrecht in den Rücken zu fallen, ist fatal. Gewerkschaften wurden gegründet, um die Konkurrenz unter den Beschäftigten zu beenden und um kollektiv für die gemeinsamen Interessen zu kämpfen. So muss auch die Konkurrenz unter den einzelnen Standorten und Werken aufgehoben werden. Die Logik, wenn die KollegInnen in den einzelnen Standorten den Gürtel enger schnallen, würden ihre Arbeitsplätze gesichert, geht nicht auf. Stattdessen handelt es sich um ein Erpressungsmanöver der Arbeitgeber. Die KollegInnen bei Opel haben das seit Jahren am eigenen Leib erlebt. Auch im Bochumer Werk hat der Opel-Vorstand mit diesem Argument immer neue Zugeständnisse abgerungen.
Die IG Metall und ihre Betriebsräte müssen dieser Standortlogik etwas entgegen setzen. Das heißt: gemeinsamer Kampf. Wenn KollegInnen in einzelnen Werken angegriffen werden, darf das nicht hingenommen werden. Ein Erfolg der Bosse gegen die KollegInnen eines Werks ist nur eine Ermutigung für sie, im nächsten Werk die Bedingungen ebenfalls zu verschlechtern. Gemeinsame Forderungen wie Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnverlust statt Entlassungen und Arbeitsplatzabbau könnten einigend wirken. Auch Werks-übergreifend muss die Diskussion geführt werden, dass Überführung in Gemeineigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung die Alternative wäre, den Arbeitsplatzabbau und die zunehmende Arbeitshetze zu stoppen.