Protest in Berlin und die Schließung des Barbie-Dreamhouse
Am 1. September versammelten sich über 1000 Menschen am Brandenburger Tor, um gegen Sexismus in der Werbung zu demonstrieren. Aufgerufen zum Protest hatte die Initiative Pinkstinks zusammen mit vielen anderen Gruppen. Die Demonstration fiel zusammen mit dem Abschluss der Kampagne für eine Petition an den Werberat, in der gefordert wird, sexistische Werbung zu unterbinden und Außenwerbung aus der Sicht von Kindern zu bewerten.
Stevie Schmiedel von Pinkstinks erklärte, wie Werbung diskriminierende Rollenklischees erzeugt. Die Redaktion vom Missy Magazine machte das beispielsweise an den verschiedenen Chipssorten fest, die jetzt für „Männer- und Mädelsabende“ beworben werden. Der Protest zog jedoch ausgehend von Werbung die Verbindung zu vielen Aspekten der Diskriminierung. Der Bundesverband BFF Frauen gegen Gewalt erklärte wie viele Frauen Opfer von sexualisierter Gewalt sind und gegen welche Vorurteile sie kämpfen. Gewalt gegen Frauen wird auch durch die diskriminierende Darstellung in Medien verstärkt.
Der Protest fiel außerdem zusammen mit dem Tag der vorzeitigen Schließung des Barbie-Dreamhouse. Es schloss seine Tore fünf Wochen vor dem angekündigten Termin. Zur Eröffnung davon hatte „Occupy Barbie-Dreamhouse“ über 300 Menschen zu einer Demonstration zusammengebracht. Am Sonntag feierte die Kampagne der Linksjugend [’solid] Berlin Kreuzkölln noch eine „Abrissparty“ am Barbiehaus im Anschluss an die Demonstration gegen Sexismus in der Werbung. Wir dokumentieren hier die Rede von Michael Koschitzki auf der Demonstration gegen Sexismus in der Werbung:
„Liebe Freundinnen und Freunde, heute ist ein schöner Tag!
Nicht nur weil so viele Menschen gekommen sind, um gegen Sexismus auf die Straße zu gehen, sondern auch, weil das Barbie-Dreamhouse heute seine Tore schließt. Das Barbiehaus schließt fünf Wochen vor dem geplanten Termin, aus der erhofften Europa-Tournee wird nichts mehr. Das Barbie-Dreamhouse war ein Flopp. Die Besucherzahlen wurden nicht erreicht – nicht nur, weil es so furchtbar ist, sondern weil hunderte Menschen auf der Straße waren und weil so viele erfolgreich gegen sie protestiert haben. Deshalb hatte die Linksjugend [’solid] Kreuzkölln die Kampagne Occupy Barbie-Dreamhouse gestartet. Und wir feiern heute im Anschluss eine Abrissparty am Barbiehaus mit Verabschiedungsreden, mit guter Musik und mit schlechter Musik, wie „Reißt die Hütte ab“. Unser Protest gegen das Barbie-Dreamhouse hat gezeigt: wir können die Macher von frauenfeindlicher Kackscheiße stoppen und wir werden es auch!
Beim Protest um das Barbie-Dreamhouse ging es immer um mehr als das Haus. Es geht um die Barbies, die uns von tausenden Werbeplakaten anschauen. Die präsentierten Schönheitsideale zeigen uns nicht was schön ist, sondern erzeugen nur Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Die Firma Dove befragte Frauen nach der Zufriedenheit mit ihrem Körper. Nur zwei Prozent würden sich als schön bezeichnen. Es gibt aber auch keine gute Werbung. Die Firma Dove, die vorgibt andere Werbung zu machen, gehört zum gleichen Konzern, wie Axe, dessen Werbeplakate einen regelmäßig über Vandalismus nachdenken lassen. Aggressive Werbung und Gender-Marketing sind Produkte des Profitstrebens des Kapitalismus. Den müssen wir abschaffen.
Beim Protest gegen das Barbie-Dreamhouse geht es um das Rollenbild, dass dort vermittelt wird. Kochen, Schminken, Putzen soll die Erfüllung im Leben einer Frau sein. Ein Werbeplakat des ZDF für die Fußball-EM platzierte kürzlich eine Spielerin an eine Waschmaschine. Darum dreht sich das präsentierte Rollenbild. Heute sollen Kinder im Barbie-Dreamhouse Cupcakes backen, um später Haus- und Pflegearbeit zu übernehmen. Statt Kindergärten und Pflegearbeit zu bezahlen, wird lieber ein Rollenbild geschaffen, dass eine Hälfte der Menschheit dazu verpflichtet, diese Arbeit zu erledigen. Wir sagen Schluss mit sexistischen Rollenbildern – für Gleichberechtigung und gute Einrichtungen!
Es geht bei Rollenbildern auch immer um Löhne. So genannte Frauenberufe werden geschaffen, um das Lohnniveau zu drücken. Frauen verdienen 23 % weniger als Männer. Dort wo es keine Tarife gibt, verdienen Frauen deutlich schlechter, trotz gleicher Arbeit. Sexistische Werbung, Barbie-Häuser und dumpfe Fernsehserien helfen dabei, das aufrecht zu erhalten. Entscheidend ist es deshalb, dass mit Streiks und Arbeitskämpfen im Niedriglohnbereich endlich aufgeholt wird. Richtig ist es, dass wir Kämpfe gegen Sexismus in der Werbung und solche Auseinandersetzungen wie an der Charité, wo Krankenpfleger und vor allem Krankenpflegerinnen für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, zusammen denken. Diesem Kampf und den Streikenden beim Einzelhandel sollten wir einem kräftigen Applaus unsere Solidarität schicken.
Freundinnen und Freunde, es gab in der Vergangenheit starke Frauenbewegungen. Es wird wieder Zeit für eine neue Bewegung von Männern und Frauen für Gleichberechtigung. Es ist Zeit für eine Bewegung gegen Sexismus und Diskriminierung. Der Aufschrei darf nicht virtuell bleiben, sondern wir müssen uns organisieren und gemeinsam kämpfen. Werdet aktiv in Jugendgruppen, die ihr gut findet, wählt Parteien, die sich gegen Frauenunterdrückung und Rollenklischees stark machen und lasst uns diesen Protest heute nicht den letzten gewesen sein lassen.
Wir machen nächste Woche Samstag ein „Aufmucken gegen Macker Festival“ im Tommy Weisbecker Haus. Mit Workshops ab 15 Uhr und Konzert ab 18 Uhr. Einer der Rapper, der dort auftritt sagt in seinen Texten „Schrei es so laut, bis du es selbst auch begreifst: nichts ist so schön, wie ein rebellischer Geist.“ Und ich sehe heute verdammt viele schöne Menschen hier. Das Barbiehaus geht, der Protest geht weiter.“