Nein zu imperialistischer Intervention!
Von Mitgliedern des CWI England & Wales
Über Social Media, Smartphones und traditionelle Nachrichtenkanäle kam eine Flut blutiger Bilder und Berichte, die weltweit das unerträgliche Leiden der syrischen Massen verdeutlichte. Ursprünglich fand in Syrien 2011, in Folge der Revolutionen in Tunesien und Ägypten ein Massenaufstand gegen Assads Polizeistaat statt. Aber, wie das Komitee für eine Arbeiterinternationale CWI, immer wieder betont hat, dies änderte sich durch das massive militärische und finanzielle Eingreifen der semifeudalen Monarchien Saudi Arabien und Qatar und die Hoffnungen imperialistischer Kräfte den Gang der Ereignisse zu bestimmen.
In Folge degenerierte der Aufstand gegen Assads Diktatur in einen sektiererischen Konflikt und führte darüber hinaus zu einem gefährlichen Kampf zwischen SunnitInnen und SchiitInnen in der gesamten Region. Man schätzt, dass der syrische Bürgerkrieg bisher über 100.000 Menschenleben gefordert hat. Über zwei Millionen Menschen sind aus dem Land geflüchtet und etwa fünf Millionen wurden zu Binnenflüchtlingen. Ein Schrecken folgt auf den nächsten.
Für die überwiegende Mehrheit der Menschen bedeutete die Nachricht, dass in Ghouta, einem Vorort von Damaskus, Giftgas eingesetzt wurde daher die Eröffnung eines neuen Horrorkapitels für die leidenden Massen. Kaum eineR ist von den Berichten über hunderte Tote und tausende Verletzte nicht entsetzt.
In Anbetracht all dessen, was sich hier bisher abgespielt hat und der bedrohten regionalen Stabilität ist der Wunsch nach einer Lösung für den Horror eine nachvollziehbare Reaktion von Menschen. Aber die Annahme, dass die die Regierungen von USA, Großbritannien und ihre Verbündeten in Frankreich, Deutschland und der Türkei, in Anbetracht ihrer längeren wie jüngeren Geschichte, das Leiden beenden könnten ist ein schwerwiegender Fehler.
Luftangriffe
In den letzten Monaten hat US-Präsident Obama mindestens fünf Mal betont, dass der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien eine ‚rote Linie‘ wäre und eine internationale Reaktion zur Folge hätte. Bereits jetzt befinden sich drei US-Kriegsschiffe im Mittelmeer; ein weiteres ist unterwegs. Zypriotische PilotInnen berichteten von der Landung britischer Kampfflugzeuge auf den dortigen Militärbasen.
Der britische Außenminister William Hague bereitet in Großbritannien die Basis für den Angriff. Angesichts des fehlenden UN-Mandats meinte er: „Es ist möglich auf Grund von menschlichem Leid einzugreifen.“ Er ließ durchblicken, dass Angriffe, höchstwahrscheinlich Luftangriffe, innerhalb von Wochen, wenn nicht sogar Tagen stattfinden könnten. Gleichzeitig ist der UN-Sicherheitsrat gespalten. Russland und China stellen sich im Interesse ihrer eigenen Kapitalisten gegen eine Intervention.
Es gibt auch Berichte, wonach sich Hague mit den repressiven Diktaturen in Qatar und Saudi Arabien koordiniert, die beide eine Niederlage Assads als Schlag gegen Iran und Hisbollah begrüßen würden. Iran warnte unterdessen, dass eine westliche Militärintervention die gesamte Region destabilisieren würde.
Patrick Cockburn hat, wie viele andere Nahost-AnalystInnen, darauf hingewiesen, dass es äußerst schwierig ist sicher zu stellen, wer tatsächlich für den Giftgasangriff verantwortlich war. Die UN-Inspektoren bekamen zwar den Zugang zugesichert, auch ein Waffenstillstand wurde dafür vereinbart, sie kamen jedoch unter Beschuss und wurden nach wenigen Stunden aus dem betroffenen Gebiet zurückbeordert. Unabhängig davon beweist auch das nichts, da die Aufgabe der Inspektoren darin besteht festzustellen ob Chemiewaffen gebraucht wurden, und nicht, von wem.
Bevor noch ein Bericht der UN-Inspektoren vorlag erklärte US-Außenminister John Kerry jedoch bereits, dass es sich „unzweifelhaft“ um einen Chemiewaffeneinsatz gehandelt habe und dass Präsident Bashar al-Assads Truppen eine „moralische Obszönität“ an ihrem eigenen Volk verbrochen hätten.
“Moralische Obszönität” wäre auch ein passender Begriff für die Zerstörung des Irak, inklusive dem Einsatz von weißem Phosphor und Uranmunition, für die Verweigerung grundlegender Rechte für die in einem riesigen Freiluftgefängnis gehaltenen PalästinenserInnen, für das Schweigen rund um das völkermordähnliche Schlachten der sri lankesischen TamilInnen durch die Regierung; auch der wiederholte Einsatz von chemischen und radioaktiven Waffen durch die imperialistischen Mächte in der Vergangenheit sei hier betont.
Auch wenn es einen breiten Wunsch nach einem Ende des Mordens gibt, lehnt die Mehrheit der britischen und US-Bevölkerung eine Militärintervention ab. Die aktuelle Kriegsrhetorik ruft Erinnerungen an die Phase vor dem Irakkrieg und die gefälschten Beweise über Saddam Husseins „Massenvernichtungswaffen“ hervor. Dazu kommt die Weigerung der britischen Regierung die Ergebnisse der Chilcot-Untersuchung [über die Lügen die zum Irakkrieg führten; Anm.] zu veröffentlichen.
Obama war mit dem Versprechen angetreten, die US-Truppen aus dem Irak und aus Afghanistan heimzuholen und die Kriegspolitik der Bush-Jahre zu beenden. Stattdessen ist er der Präsident der Drohneneinsätze, beließ die meisten Truppen in Afghanistan vor Ort und Guantanamo offen. 60% der US-Bevölkerung lehnen eine US-Intervention in Syrien ab.
Sowohl die US- als auch die britische Regierung wollen sich als Retter der syrischen Massen und als Verteidiger der Demokratie präsentieren, während sie selbst in einer tiefen kapitalistischen Krise stecken aus der sie keinen Ausweg wissen und die dazu führt, dass der Widerstand gegen sie anwächst.
Irakkrieg
Im Vorfeld des Irakkrieges wollten sich die britischen Liberaldemokraten noch als anti-Kriegs-Partei präsentieren, indem sie einen Krieg ohne UN-Mandat ablehnten. Die Socialist Party [Schwesterpartei der SAV in England/Wales] hat damals betont, dass die UNO keine Verteidigerin des irakischen Volkes ist, da sie schließlich von den wichtigsten kriegstreibenden imperialistischen Kräften dominiert ist. Unabhängig davon argumentiert der ehemalige liberaldemokratische Parteiführer Paddy Ashdown heute, dass im Falle Syriens Aktionen ohne UN-Mandat besser sind als gar keine Aktionen.
Schatten-Außenminister Douglas Alexander [entsprechend dem ‘Schattenkabinett’ im politischen System Großbritanniens; Anm.] forderte Premier Cameron dazu auf, das Parlament einzuberufen. Dies scheint dieser auch zu tun, insbesondere in Anbetracht von Opposition aus den eigenen Reihen; einige sind Anbetracht der Risiken und der Zukunft der Region besorgt.
Labour hat noch nichts darüber verlauten lassen, wie man abstimmen würde. Eine echte Arbeiterpartei würde ganz massiv jegliche Militärintervention gegen Syrien ablehnen. Aber Labour hat eine illustre Geschichte imperialer Kriege; insbesondere das Aussenden von Truppen in den Irak um dort Öl und strategische Positionen zu sichern.
In der Opposition betreibt Labour einen Kniefall nach dem anderen vor der konservativ-liberalen Kürzungspolitik. Das wirft wieder einmal die Notwendigkeit einer neuen politischen Kraft gegen Krieg und gegen Kürzungen auf.
Aktionen dieser Regierung oder ihrer internationalen Gegenstücke wird keinerlei Hoffnung für die Bevölkerung Syriens und des Nahen Ostens bringen. Stattdessen werden mehr Bomben noch mehr Leid bedeuten. Und genau darum muss eine Intervention grundsätzlich abgelehnt werden.
Da Assads Regierung – u.a. durch russische Unterstützung – relativ stabil ist und vollkommen unklar ist, wer ihn ersetzen soll, steht „Regime Change“ nicht auf der Tagesordnung. Angesichts der militärischen und materiellen Stärke von Al-Qa’ida in Syrien besteht die Gefahr, dass ein Sturz Assads letztlich eben diese stärken würde.
Auf kapitalistischer Grundlage gibt es keine echte Lösung für den Konflikt, der im Moment die ganze Region in einen jahrelangen ethnischen Konflikt hineinzuziehen scheint. Klar ist, durch die Interventionen im Irak und Libyen, dass die Interessen der Arbeiterklasse und Armen derzeit nicht die treibenden Kräfte sind.
Es gibt keine Alternative zum Aufbau einer unabhängigen Bewegung der ArbeiterInnen und Armen, die sowohl gegen den Imperialismus als auch gegen die semifeudalen und kapitalistischen Regime in der Region kämpft.
Wir fordern:
- Nein zu imperialistischer Intervention! Rückzug aller ausländischer Kräfte aus Syrien und der Region!
- Gegen jede Unterdrückung! Die Menschen müssen ihr Schicksal selbst bestimmen können!
- Für den Aufbau von vereinigten, nicht-sektiererischen Selbstverteidigungskomitees um ArbeiterInnen und Arme gegen sektiererische Angriffe von allen Seiten zu verteidigen
- Aufbau einer Bewegung für eine Regierung der ArbeiterInnen und Armen
- Für eine revolutionäre verfassungsgebende Versammlung in Syrien
- Durchsetzung des Rechts auf Selbstbestimmung für die Massen! Anerkennung der Rechte der KurdInnen bis hin – sollte dies gewünscht werden – zur Abtrennung
- Aufbau unabhängiger Gewerkschaften und Arbeiterparteien mit einem Programm, dass das Land den Bauern/Bäuerinnen und die Fabriken den ArbeiterInnen gehören. Ein sozialistisches Programm mit demokratisch geplanter Wirtschaft!
- Eine demokratische sozialistische Föderation des Nahen Ostens und Nordafrikas.