Neue Herausforderungen und Möglichkeiten für die Workers and Socialist Party
von Meshak Komani, DSM Johannesburg (DSM – Democratic Socialist Movement ist die Schwesterorganisation der SAV in Südafrika)
Während es vor dem Hintergrund von enormer Armut und Unzufriedenheit zwei revolutionäre Erhebungen in Ägypten in zwei Jahren gab, erinnert die wirtschaftliche Lage in Südafrika stark an seinen Partner am anderen Ende des Kontinent. Jeder vierte in Südafrika ist arbeitslos, verglichen mit 13,3 Prozent in Ägypten. Während Lebensmittel- und Benzinpreise steigen, schmierte der Südafrikanische Rand im letzten Jahr wie der ägyptische Pfund ab – 21 Prozent seit Jahresanfang. Die einfachsten Dinge des täglichen Bedarfs sind kaum erschwinglich.
Streikwelle
Während die Streikwelle letztes Jahr einem Aufstand nahe kam, richtet sich die Wut noch nicht so stark wie in Ägypten gegen die Regierung. Jedoch ist die Unterstützung der Regierungspartei ANC enorm gesunken. Die Lohnrunden und Arbeitskämpfe werden dafür um so erbitterter geführt. Ende August legten zehntausende Beschäftigte des Automobilsektors die Arbeit nieder. Sie forderten 15% Lohnerhöhung einen Wohnzuschuss und wöchentliche Zuschüsse zu den Transportkosten. Ein Angebot von 5% Lohnerhöhung lehnten sie ab, da es unter der Inflationsrate liegt und einen Lohnverlust bedeutet hätte.
Ihr Kampf fällt zusammen mit Streiks in der Textilindustrie und der fortgesetzten Lohnrunde in den Bergwerken. Dort fordert die Gewerkschaft AMCU eine Lohnerhöhung um 100% auf R12.500 – entsprechend der Forderungen der BergarbeiterInnen von Lonmin, die bei ihrem wilden Streik im letzten Jahr von der Polizei im so genannten Marikana Massaker niedergeschossen wurden. Doch noch ist nicht klar, wie weit die Gewerkschaftsführung von AMCU gehen wird und ob sie sich wirklich von der Gewerkschaft NUM unterscheidet, mit der die Mehrheit der Beschäftigten gebrochen hat und zu AMCU übergetreten ist.
In den Bergwerken stehen Massenentlassungen von Hunderttausenden Beschäftigten in den nächsten Jahren an. Die Bergbosse sehen einem Streik noch gelassen entgegen, da sie die Produktion ohnehin drosseln wollen. Nur wenn der Kampf offensiv und kämpferisch geführt wird, wenn er verschiedene Sektoren einbezieht, die Bergbau-Communities mobilisiert und den politischen Druck erhöht, kann er erfolgreich geführt werden. Nur mit der Forderung nach Verstaatlichung der Bergwerke unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung kann die Gewerkschaftsführung den Bossen ideologisch genug entgegensetzen.
Marikana Jahrestag
Der 16. August war der Jahrestag des Marikana-Massakers. Viele tausend BergarbeiterInnen versammelten sich dieses Jahr an dem Platz, an dem die Polizei 34 Menschen brutal ermordete. Die OrganisatorInnen des Events ließen jedoch sogar das Lonmin Management sprechen, das eine Mitverantwortung für das Massaker trägt. Zusammen mit Vertretern aller bürgerlicher Parteien, die vor einem Jahr keinen Finger zur Unterstützung rührten, vergossen sie Krokodilstränen für die toten Bergarbeiter und ihre Familien. Ihre Forderung, ein Lohn von 12,500 südafrikanischen Rand, wurde aber immer noch nicht erfüllt.
Die Sprecherin der Workers and Socialist Party, Liv Shange, legte aber den Finger in die Wunde. Sie war mit den GenossInnen von DSM täglich vor Ort gewesen, um die ArbeiterInnen zu unterstützen. Sie erklärte (auf Zulu), dass die Bergbosse nachdem sie angesichts der Streikwelle letztes Jahr einen Rückzug machen mussten, jetzt wieder in die Offensive gehen. Das Gedenken muss verbunden werden mit der Vorbereitung des Widerstands gegen die Entlassungen und für gute Löhne und Arbeitsbedingungen. Der Kampf am Arbeitsplatz ist dabei nicht getrennt von den restlichen Kämpfen der Communities.
Economic Freedom Fighters
Kurz vor Liv Shange ergriff Julius Malema das Wort. Der ehemalige Vorsitzende der Jugendorganisation des ANC hatte im Juni eine neue Partei gegründet: Economic Freedom Fighters (EFF). Unter einigen BergarbeiterInnen aber vor allem unter Jugendlichen hat Malema einige Unterstützung. Das Programm der Freedom Fighters enthält Forderung nach Enteignung des Landes, Verstaatlichung der Bergwerke, kostenlose Bildung und ein Investitionsprogramm für Arbeitsplätze. Das Programm hat Überschneidungen mit dem der Workers and Socialist Party und beide Parteien kämpfen bei den gleichen Schichten um Unterstützung. Anders als das Programm der WASP wollen die EFF im Kern keine Überwindung des Kapitalismus. Forderungen nach demokratischer Kontrolle und Verwaltung von enteigneten Betrieben fehlen. In vielen Aspekten wird sich an die Politik in Zimbabwe angelehnt, wo zwar einige Bereiche der Wirtschaft verstaatlicht sind, aber trotzdem nur zur Bereicherung einer Elite dienen. Zur Wahl von Mugabes Regierungspartei riefen die EFF im Juli auf.
Während die Workers and Socialist Party die Einheit der Linken und der Arbeiterklasse auf solidarischer Grundlage durch offene Diskussionen und die Einheit in der Aktion herstellen will, versuchen die Freedom Fighters Einheit durch Disziplin und Unterordnung herzustellen. Öffentliche Kritik und Diskussion sind nicht erlaubt. Die Führungsstruktur heißt übersetzt Zentrale-Kommando-Struktur. Der Vorsitzende Julius Malema ist „Commander in Chief“.
Was ist mit COSATU?
WASP hat schon eintscheidende Schritte in Richtung einer Massenarbeiterpartei vollbracht. Die Workers and Socialist Party wurde von BergarbeiterInnen aus dem Kampf nach Marikana geboren. Ihr haben sich bereits Kommittees von BergarbeiterInnen, Gewerkschaftsgliederungen, Community-Organisationen und andere linke Gruppen angeschlossen. Doch es bleibt eine der Kernfragen für die Entwicklung einer Arbeiterpartei in Südafrika, wie die Auseinandersetzungen im südafrikanischen Gewerkschaftsdachverband COSATU weitergehen und wie sich die Kräfte darin verhalten.
COSATU wurde 1985 aus dem Kampf gegen die Apartheid gegründet und hat seit dem ein sozialistisches Selbstverständnis. Auf allen Gewerkschaftsutensilien wie zum Beispiel dem Kalender 2013 der Öffentlichen Dienst Gewerkschaft SAMWU sind Bekenntnisse zum Sozialismus zu finden. Jedoch ist der Gewerkschaftsverband in der so genannten Tripartite Alliance mit den beiden Regierungsparteien ANC und SACP verbunden und ruft zur Wahl des ANC auf.
Durch das Bündnis wird der Gewerkschaftsverband im effektiven Widerstand gebremst, während er mit 1,8 Millionen Mitgliedern noch die stärksten Battalione der Arbeiterklasse organisiert. Nach dem Marikana-Massaker hat es keinen Mucks der Kritik aus dem Verband gegeben. Am Gedenken hat kein Vertreter einer COSATU Gewerkschaft teilgenommen.
Die Rechtsentwicklung des Gewerkschaftsverbandes bleibt aber nicht ohne Widerstand. Der Vorsitzende Vavi und der linke Flügel von COSATU machen keinen Hehl aus ihrer Ablehnung des NDP (National Development Program, neoliberales Regierungsprogramm). Das wurde vom rechten Flügel mit dem Versuch der Absetzung des Vorsitzenden beantwortet. Darum wird immer noch hart gestritten. Die stärkste Kraft auf dem linken Flügel ist die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA, die zu einem Sonderkongress von COSATU im Dezember aufruft. Es gehen viele Gerüchte um, wie weit die Vorbereitungen für eine Spaltung schon gediehen sind – dass sie passiert, ist aber nur noch eine Frage der Zeit.
Wenn es eine Spaltung gibt, stellt sich die Frage sofort, wie sie sich zu den Wahlen und bestehenden Parteien verhalten wird. Die Gewerkschaftsführung von AMCU gibt sich derzeit unpolitisch, während WASP schon zahlreiche UnterstützerInnen unter Vertrauensleuten und neuen Mitgliedern hat. Aufgrund des fortgeschrittenen Bewusstseins der Arbeiterklasse und dem Verständnis für die Notwendigkeit, sich gewerkschaftlich und politisch zu organisieren, ist eine „unpolitische“ Position für eine COSATU Abspaltung nicht lange durchhaltbar. „Wenn wir nicht für den ANC stimmen, für wen dann?“ fragen sich sofort die ArbeiterInnen. Politisch finden in Südafrika gerade die entscheidendsten Entwicklungen seit dem Ende der Apartheid statt.
Workers and Socialist Party
Die Workers and Socialist Party wurde aus dem Streik der BergarbeiterInnen heraus auf Initiative der DSM gegründet. Am 3. August startete die Partei ihre Provinzstrukturen in Limpopo, eine von neun Provinzen des Landes. Über 700 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Bergwerken, Communities und Organisationen kamen in das Stadion. Die Partei hatte gerade eine erfolgreiche Kampagne gegen Repression gestartet, nach dem eins ihrer führenden Mitgliedern aus dem Land ausgewiesen werden sollte. In Limpopo organisierte sie Solidarität für die 2000 ArbeiterInnen bei Glencore Xstrata, die gegen Rassismus bei der Arbeit streikten und dafür alle entlassen wurden. WASP stellte die Verbindung zur Communities in der Gegend her und organisierte Solidarität.
WASP ist mit verschiedenen Gewerkschaften und Organisationen in Kontakt, die sich ihr anschließen, um die Kräfte der Arbeiterklasse zu vereinen. Sie ist in zahlreichen Kampagnen aktiv, neben Arbeitskämpfen zum Beispiel auch in Kampagnen für Elektrizitätsversorgung und anderer Dienstleistungen. Im November findet der nächste Parteitag statt, der weitere Entscheidungen in Hinblick auf die Wahl treffen wird.
DSM steht trotz seiner begrenzten Kämpfe im Zentrum dieser Entwicklungen und ist mit dem richtigen Programm und den Ideen bewaffnet, die diese Kämpfe zu Erfolg führen können. In Südafrika gibt es starke sozialistische Traditionen, fest verankert im Bewusstsein der Arbeiterklasse. Dass es notwendig ist, sich zu organisieren, dass es notwendig ist, eine Partei zu schaffen, die für den Sozialismus und für die Arbeiterklasse kämpft, ist eine der Hauptlehren aus dem Kampf gegen die Apartheid. WASP hat das Ziel, der Arbeiterklasse ein Mittel dafür in die Hand zu geben.