Europaabgeordneter verteidigt Aufruf zu neuer Intifada

Europaparlamentsabgeordneter Paul Murphy von der Socialist Party in Irland
Europaparlamentsabgeordneter Paul Murphy von der Socialist Party in Irland

„Das ist es, was meiner Ansicht nach jetzt absolut notwendig ist: Der Kampf der Massen von unten, Großkundgebungen, Streikmaßnahmen, Protestmärsche gegen die Checkpoints.“

Im Folgenden veröffentlichen wir die Presseerklärung des Europaabgeordneten Paul Murphy, der für unsere irische Schwesterorganisation, die „Socialist Party“, im Europaparlament den Wahlkreis Dublin vertritt.

Es handelt sich hierbei um die Antwort auf einen Artikel in der israelischen Tageszeitung „Jerusalem Post“, in dem eine Reihe von Europaabgeordneten den Aufruf zum Aufbau einer Massenbewegung verurteilen.

Unser Genosse Paul Murphy hatte in einem Interview mit dem Fernsehsender „Russia Today“ zuvor davon gesprochen, dass es einen neuen Aufstand der unterdrückten palästinensischen Massen nach dem Muster der ersten Intifada (von 1987; Ergänzung der Übersetzung) geben müsse, um das kapitalistische Regime in Israel zu überwinden.

 

Die Pseudo-Aufregung einiger Europaabgeordneter und anderer UnterstützerInnen der gesellschaftlichen Elite Israels über meinen Aufruf, gegen die israelische Besatzung eine Massenbewegung aufzubauen, findet unter Bezug auf die derzeit stattfindenden sogenannten „Friedensgespräche“ statt. Von daher schlage ich vor, dass wir zunächst genauer betrachten, vor welchem Hintergrund diese „Friedensgespräche“ stattfinden.

Für das Gebiet zwischen Bethlehem und Jerusalem ist gerade erst der Bau weiterer 1.000 Häuser für SiedlerInnen genehmigt worden. Die israelische Regierung setzt somit ihre Strategie des „Auf dem Boden Fakten Schaffens“ fort, um jegliche Grundlage für einen lebensfähigen palästinensischen Staat zu untergraben. Es steht leider fest, dass die Gespräche nicht mit irgendeiner formaljuristischen Festlegung enden werden, nach der das palästinensische Volk sein Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen kann. Um dies zu erreichen, bräuchte es eine Massenbewegung, Demonstrationen, Streiks und Massenwiderstand gegen die fortgesetzte Besatzung und Diskriminierung.

Unterdessen geht innerhalb des Staates Israel die Unterdrückung und Diskriminierung von Menschen arabischen Hintergrunds weiter. Der rassistische „Prawer-Plan“, der vom israelischen Parlament, der Knesset, abgesegnet wurde, sieht in der Negev-Wüste die Zerstörung der Häuser von 40.000 arabischen Beduinen vor.

Diejenigen Europaabgeordneten, die meinen Appell zum Aufbau einer Massenbewegung nach Art der ersten Intifada als Aufruf zu Gewalt und Terror verurteilt haben, legen meine Äußerungen entweder bewusst falsch aus oder verhalten sich gegenüber der Geschichte des Kampfes der PalästinenserInnen vollkommen ignorant.

Das Wort „Intifada“ heißt auf arabisch nichts anderes als „Aufstand“. Und das ist etwas, was voll und ganz gerechtfertigt und offensichtlich auch nötig ist, wenn man sich die fortwährende Unterdrückung vor Augen führt.

Die erste Intifada, auf die ich mich beziehe, gründete sich in erster Linie auf die Taktik des Massen-Kampfes von unten. Dazu gehörten Großkundgebungen, Streikaktionen, Protestmärsche gegen die Checkpoints. Das ist es, was meiner Ansicht nach auch jetzt absolut notwendig ist. Die erste Intifada brachte das Establishment in Israel damals an den Verhandlungstisch. Dort wurden die Bestrebungen und Hoffnungen des palästinensischen Volkes dann von der Führung der „Palästinensischen Autonomiebehörde“ auf schamlose Art und Weise verraten und verkauft. Am Ende stand die Unterzeichnung des „Oslo-Abkommens“.

Die Erklärung von Sean Kelly von der „Fine Gael“ (konservative irische Regierungspartei; E.d.Ü.), wonach „es widerlich ist, [in dieser Situation] zu Gewalt aufzurufen“ zeugt, wenn überhaupt von etwas, dann von Ignoranz. Mein Appell bezog sich ganz eindeutig auf den Aufbau einer Massenbewegung von unten, und ich kann darauf verweisen, stets und immer wieder die sinnlose und destruktive Methode des Terrorismus abgelehnt zu haben. Wo bleibt eigentlich die Verurteilung der Gewalt des israelischen Staates gegen palästinensische Gefangene, gegen die Menschen, die im Gaza-Streifen, einem Gebiet, dass man als Gefangenenlager unter freiem Himmel bezeichnen kann, leben, und gegen diejenigen Menschen, die an den friedlichen Protesten im Westjordanland teilgenommen haben, durch Herrn Kelly?

Die Äußerung des Europaabgeordneten Gay Mitchell (ebenfalls „Fine Gael“), wonach mein Aufruf zeigt, dass ich „mit allen Mitteln versuche, irgendeine Form von medialer Aufmerksamkeit zu bekommen“, ist befremdlich. Vielleicht ist es in den Kreisen, mit denen „Fine Gael“ zu tun hat so, dass der einzige Grund, einen Sachverhalt zu kommentieren, darin besteht, kostengünstig an die Öffentlichkeit treten zu können. Als Internationalist und Sozialist führe und beteilige ich mich an Kampagnen gegen Unterdrückung weltweit. Und ich versuche die Kämpfe, die unterdrückte Menschen führen, zu unterstützen. Das Zitat fiel in einem Interview mit dem Fernsehsender „Russia Today“, dass in Irland noch nicht einmal ausgestrahlt wurde.

Ohne Gerechtigkeit – das heißt: Ohne ein Ende der Besatzung und Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts für das palästinensische Volk, wird es weder Frieden noch Sicherheit geben. Das Beispiel der revolutionären Bewegungen in Ägypten und Tunesien wirkt auf viele PalästinenserInnen inspirierend. Wenn es dieser Entwicklung entsprechend auch zu einer Art „Palästinensischem Frühling“ kommt, und eine revolutionäre Massenbewegung entsteht, dann ist es möglich, das Establishment in Israel ernsthaft unter Druck zu setzen.

Jüdinnen und Juden aus der Arbeiterklasse, die mehrheitlich die SiedlerInnen nicht unterstützen, haben mit den PalästinenserInnen zusammen einen gemeinsamen Gegner: Das kapitalistische Establishment in Israel, das die Lebensbedingungen und die demokratischen Rechte aller attackiert. Eine palästinensische Massenbewegung, die Demonstrationen und Streiks durchführt, wäre in der Lage, Aufrufe an die jüdisch-israelischen ArbeiterInnen auszugeben und damit die Grundlage für ein gemeinsames Vorgehen zu schaffen, um zu nachhaltiger Sicherheit zu kommen und zu angemessenen Lebensbedingungen für alle Menschen.

Die Schwesterorganisation der „Socialist Party“ (und somit auch der SAV; E.d.Ü.) in Israel / Palästina, die „Maavak Sotzyalisti / Harakat Nidal Eshteraki“ (deutsch.: „Bewegung für den sozialistischen Kampf“) heißt und deren Mitglieder sowohl Jüdinnen und Juden aus Israel als auch PalästinenserInnen sind, arbeitet mit daran, dass es zur Entwicklung eines von den Massen geführten sozialen Kampfes und zu einer gemeinsamen Bewegung kommt, die das kapitalistische Establishment in Israel zu Fall bringen und die Grundlage für dauerhaften Frieden schaffen kann. Um den Interessen der arbeitenden Menschen gerecht werden zu können, bedarf es eines wirklich unabhängigen palästinensischen Staates neben einem säkularen und demokratischen Staat Israel. Jerusalem muss die gemeinsame Hauptstadt beider dieser Staaten und eine für alle offene Stadt sein. Um eine Föderation sozialistischer Staaten in der Region gewährleisten zu können, muss auch die Kontrolle über die dortigen Ressourcen und die Ökonomie gleichberechtigt ausgeübt werden.