Ein Kapitalist macht Politik für Kapitalisten
Ein Gespenst geht um in Österreich. Das Gespenst Frank Stronach. Sein „Team Stronach“ wurde erst letztes Jahr gegründet und hat bereits fünf Nationalratsabgeordnete (Bundestagsabgeordnete) – ohne je dafür kandidiert zu haben. Bei Landtagswahlen schaffte er bis zu 11 Prozent und sitzt bereits in drei Landesregierungen. Wie konnte das passieren?
Von Sebastian Kugler
Dreh- und Angelpunkt für Stronachs Image ist seine Lebensgeschichte: Stronach inszeniert sich als Arbeiter, der es durch Fleiß und Ausdauer bis ganz nach oben geschafft hat. Doch Frank Stronach wurde nicht als Arbeiter reich, sondern als Unternehmer. Er war zufällig zur richtigen Zeit (1965) am richtigen Ort (Kanada) in der richtigen Branche (Automobilindustrie) tätig. Denn 1965 tritt das „Canada–United States Automotive Products Agreement“ in Kraft. Dadurch wurde die Herstellung von Automobilen und -Teilen zum wichtigsten Industriezweig Kanadas. Glück für Frank, der sein Kleinunternehmen hochfusionierte, um am Ende einem der größten Autozulieferer der Welt vorzustehen: Der Magna.
Stronachs Magna – Ein Paradies für ArbeiterInnen?
Stronachs Konzern wird oft als Märchenland gezeichnet, das den Graben zwischen ArbeiterInnen und KapitalistInnen überwunden hat. Doch Magna baute sich auch durch rücksichtslose Gewerkschaftsfeindlichkeit auf. Die Standorte wurden bewusst klein gehalten (ca. 300 ArbeiterInnen). Dies diente der Verhinderung des Aufbaus gewerkschaftlicher Strukturen. Magna teilte den Standortmanager sogar mit, sie sollten keine Schilder der Firma vor dem Fabriksgelände anbringen – das könnte Gewerkschaften anlocken. ArbeiterInnen bei Magna verdienen bis zu 40 Prozent weniger als bei vergleichbaren Unternehmen. Betriebspolitisch setzt Magna auf „wohlfahrtskapitalistische“ Modelle. ArbeiterInnen werden individuell an den Betrieb „gebunden“ – zum Beispiel durch mikroskopische Gewinnbeteiligung und willkürliche „Geschenke“. Kollektive Interessensvertretung gibt es nicht. Magna redet den ArbeiterInnen ein, sie und Manager seien voneinander abhängig.1
Löhne, Urlaub usw. werden an „das gemeinsame Ziel“ – nämlich den wirtschaftlichen Erfolg Magnas, gebunden. Und dieser soll ein besonderer Ansporn für die ArbeiterInnen sein, denn sie werden an den Profiten mit zehn Prozent „beteiligt“. Allerdings wird das Geld in eigenen „Employee Accounts“ aufbewahrt, auf die die ArbeiterInnen die ersten zehn Jahre keinen Zugriff haben! Außerdem drängt Magna die ArbeiterInnen, von dem an sie ausgezahlten Geldern erst Recht Magna-Aktien zu kaufen, was auch häufig passiert. Die Gewinnbeteiligung der ArbeiterInnen hat neben dem Disziplinierungs- und Abhängigkeitseffekt noch einen Haken: Wenn es mit den Profiten bergab geht, sind sie besonders getroffen. Und ein Viertel aller Magna-Beschäftigten sind Zeitarbeitende mit Niedrigstlöhnen ohne Zugang zu Firmenbeteiligungen oder Boni.
Stronach zog sich mit einer Milliarde Abfindung 2011 aus Magna zurück. Er wird bis heute nicht müde zu betonen, dass er aus purem Patriotismus Magna-Standorte in Österreich aufgebaut hat. Tatsächlich beschäftigt Magna in Österreich ca. 16.000 Menschen, allerdings unter denselben Umständen wie anderswo. So brachte im Angesicht der Krise 2009 Magna 85 Prozent der über 2.300 ArbeiterInnen starken Belegschaft des Grazer Werkes dazu, auf bis zu zwanzig Prozent ihres Gehalts zu verzichten – „freiwillig“, versteht sich. Die ArbeiterInnen ließen sich auf den Deal ein, in der Hoffnung, ihre Jobs zu retten. Jetzt verstärken sich aber erst recht die Zeichen auf massiven Stellenabbau bei Magna in Österreich – besonders in Graz. 2012 machte Magna ein Umsatzplus von 7 Prozent, die Gewinne stiegen aber um satte 40 Prozent. Die Produktion in Graz wurde 2012 bereits um 5 Prozent zurückgefahren. Die Präsenz der Gewerkschaft muss sich Magna zwar bei österreichischen Standorten gefallen lassen, die Gewerkschaftsführung lässt sich aber in die Unternehmenspolitik einbinden und stimmte zum Beispiel 2012 einer Umschichtung von 1.800 ArbeiterInnen in einen Dumping-Tarifvertrag zu.
Stronachs Netzwerk
Als Frank Stronach die politische Bühne betrat, profilierte er sich als jemand, der mit den etablierten, korrupten Parteien nichts zu tun hat und frischen Wind bringt. Doch Stronach steht schon länger auf der politischen Bühne. Bereits 1988 kandidierte er in Kanada für die „Liberale Partei“. Mitte der 1990er Jahre betätigte sich Stronach als „wirtschaftlicher Berater“ des sozialdemokratischen Kanzlers Vranitzky. Wie durch ein Wunder wechselte Vranitzky, sofort nachdem er sein Amt abgab, in den Aufsichtsrat von Magna. Überhaupt hat sich Magna (und damit Stronach) über die Jahre ein weitverzweigtes Netz an Kontakten in die Politik aufgebaut. Das österreichische „Wirtschaftsblatt“ schreibt 2010: „Kaum ein Unternehmen in Österreich rekrutiert derart konsequent Politiker nach deren Ausscheiden aus öffentlichen Ämtern, wie der Magna Konzern. Die Liste erreicht bereits eine beeindruckende Länge und Frank Stronach hat auch auf ein ausgewogenes Verhältnis im ‚Farbenspiel‘ geachtet.“
Tatsächlich finden sich im Laufe der Zeit Politiker verschiedenster Coleur auf Frank’s Gehaltsliste: Neben dem SPÖ’ler Vranitzky krallte sich Stronach in den 1990ern Karl-Heinz Grasser, damals noch bei der FPÖ. Grasser wurde später Skandal-Finanzminister unter der schwarz-blauen Regierung, dem vorgeworfen wird, Millionen veruntreut zu haben. Grasser steht für jenen Politikertypus, gegen den Stronach scheinbar ins Feld zieht – wurde jedoch von ihm in hohe Positionen bei Magna gehievt. Als Grassers Nachfolger engagierte er Ex-SPÖ-Bundesgeschäftsführer Rudas. FPÖ-Ex-Minister Reichhold fand einen Platz im Managment von Magna Steyr, wo er jetzt eine halbe Million pro Jahr abcasht. Dort fand auch der politische Wendehals Westenthaler (FPÖ, BZÖ) Unterschlupf. Die langjährige ÖVP-Landeshauptfrau Klasnic holte sich Stronach 2007 als „Beraterin für sozial-ökonomische Fragen“. Im selben Jahr setzte Frank den Ex-SPÖ Minister Einem als Manager der Magna-Tochter Jetalliance ein. Den ehemaligen SPÖ Minister Streicher, der eine zentrale Rolle beim Verkauf der Steyr-Daimler-Puch AG an Magna gespielt hatte, belohnte Stronach ebenfalls mit einem Aufsichtsratsposten.
Der Weg zum „Team Stronach“
Aber Stronach, dem durch seine Allmachtsfantasien immer ein gewisses Element der Unberechenbarkeit eigen ist, war diese Einmischung in die Politik nicht genug. 2012 erschien sein erstes programmatisches Papier als achtseitiges Inserat in der populären Gratiszeitung „Heute“. Es verbindet die für Stronach typische Kombination aus populistischer „systemkritischer“ Rhetorik und aggressiv-neoliberalen Forderungen. „Wir dürfen keine Schulden mehr machen! Jeder Abgeordnete, der ein Gesetz mitunterschreibt, das zu weiteren Schulden führen würde, müsste sofort zurücktreten!“ schreibt er und bezeichnet das als „Demokratie stärken“ In Zeiten hoher Staatsschulden bedeutet das: Wer Geld für Soziales statt für Banken will, hat in der Politik nichts verloren. Außerdem macht sich Stronach für eine Flat Tax stark. „Die Flat Tax ist einfach zu verstehen, fördert Wirtschaftswachstum…“… und spart ihm und seinen Kumpels jede Menge Geld. Aber er will die Reichen zumindest für den Schein durch die „Modifizierung der Mehrwertsteuer“ zur Kasse bitten, „da sie vermutlich teurere Konsumgüter und Luxuswaren kaufen“. Er will also eine Massensteuer anheben, aufgrund der Annahme, dass sich die Armen teurere, qualitativ hochwertigere Produkte eh nicht kaufen können.
Zuerst sah es so aus, als wollte sich Stronach eine der kleineren bürgerlichen Parteien einfach kaufen, ähnlich wie er es mit Rennställen und Fußballteams tut. Er trat an das „Liberale Forum“ (LIF) heran, eine Abspaltung der FPÖ. Doch die Gespräche scheiterten laut dem LIF an Stronachs Position zu EU und Euro. Stronach repräsentiert einen eurokritischen Teil des Kapitals. Seine Forderungen sind schwammig und ändern sich beinahe wöchentlich, weisen aber in Richtung EU-Austritt und Rückkehr zum Schilling. So steht im aktuellen Programm die wirre Forderung nach „National-Euros“ für die Mitgliedstaaten, die von jenen auf- und abgewertet werden können, also faktisch eine Rückkehr zu Nationalwährungen. Damit punktet er: Aktuell steht die Unterstützung in Österreich für den Euro nur bei 33 Prozent. Es stimmt, dass das LIF traditionell eine andere, eurofreundliche Linie verfolgt. Allerdings hat das LIF mit Peter Haselsteiner auch bereits einen Milliardärssponsor.
Als nächstes versuchte Stronach, sich das „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ), ebenfalls eine FPÖ-Abspaltung, die Jörg Haider gründete, unter den Nagel zu reißen. BZÖ-Chef Josef Bucher behauptete, Stronach hätte ihm 500.000 Euro dafür geboten, das BZÖ unter Frank’s Direktiven zu stellen und weigerte sich.
Schließlich entschied sich Stronach, eine eigene Partei zu gründen. Das Personal dafür holte er sich aus den etablierten Parteien. Erster nahmhafter Überläufer war der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Gerhard Köfer. 2008 war Köfer noch Spitzenkandidat der SPÖ Kärnten bei den Nationalratswahlen, was, nebenbei bemerkt, einiges zum Charakter der SPÖ sagt. Stronach ging dazu über, gezielt Nationalratsabgeordnete abzuwerben. Fündig wurde er bei Hinterbänklern quer durch die Parteien, die fürchten mussten, bei den nächsten Wahlen den Einzug ins Parlament zu verpassen. Als Goldgrube erwies sich dabei, Pech für Bucher, das BZÖ. Man kann davon ausgehen, dass üppige Gagen und Aussichten auf Posten im Stronach-Imperium als Überzeugungshilfen dienten.
Stronach holte sich mit fünf Abgeordneten genügend viele, um eine Fraktion im Parlament zu gründen und dafür zu kassieren – ohne je zu einer entsprechenden Wahl angetreten zu sein. Ein Musterbeispiel für die Grenzen kapitalistischer Demokratie, in der sich ein Superreicher mal eben eine Parlamentsfraktion „kaufen“ kann.
Die neue Partei formierte sich als „Team Stronach“. Stronach macht immer wieder klar, dass er der Herr im Hause ist und nichts in der Partei ohne seine Zustimmung passiert.
Gewerkschaftsfeind Stronach
Aus Nordamerika und Magna bringt Stronach eine leidenschaftliche Gewerkschaftsfeindlichkeit mit. Er richtete eine Hotline „für Gewerkschaftsopfer“ ein, sein Fraktionsvorsitzender Lugar meinte sogar, Gewerkschaften gehören überhaupt abgeschafft. Diesen Angriffen auf die organisierte Arbeiterbewegung muss mit aller Vehemenz entgegengetreten werden. Die letzten Jahre sahen, wenn auch auf niedrigem Niveau und trotz der bremsenden Rolle der Gewerkschaftsführung, ein eindeutiges Ansteigen betrieblicher Konflikte. So gab es Streiks der MetallerInnen, in Spitälern und sogar zwei de facto wilde Streiks von Landesbeschäftigten in Salzburg. Stronachs Hetze gegen die „Gewerkschaftsbonzen“ trifft die Gewerkschaften an einem wunden Punkt, denn ihre Mitgliedschaft ist tatsächlich und zurecht wütend über die abgehobene ÖGB Bürokratie. Es sei daran erinnert, dass der ÖGB im Zuge des BAWAG-Skandals seinen gesamten Streikfond bei Spekulationen verlor! Doch die berechtigte Wut über die obere Etage der Gewerkschaften ist eine Angelegenheit der ArbeiterInnenbewegung selbst. Es gilt, die Gewerkschaften für ihre Mitglieder zurückzugewinnen, sie zu demokratisieren und von der Bürokratie zu befreien und sie wieder zu Kampforganisationen zu formen. Dabei ist Stronach, der zwar beteuert, kein Geld in der Schweiz zu lagern und rätselhafterweise doch auf der „Liste der 100 reichsten Schweizer“ gelistet wird, kein Bündnispartner.
Die Krise des politischen Establishments
Stronachs Einstieg in die politische Arena bedeutete ein kleines Erdbeben. Dies ist nicht verwunderlich. Das politische Establishment in Österreich ist morsch. Laut einer neuen Studie vertrauen nur 5,4 Prozent der Bevölkerung der Regierung. 2012 gaben vierzig Prozent an, nicht bzw. ungültig wählen zu wollen. 79 Prozent wünschen sich mehr Volksabstimmungen – eine Wiederspiegelung des Verlangens nach mehr Mitbestimmung und des Misstrauens gegenüber den Parteien. Die Massenparteien SPÖ und ÖVP sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Lagen ihre Wahlergebnisse früher noch jeweils um die vierzig Prozent bundesweit und in den Ländern, feiern sie sich mittlerweile, wenn sie weniger verlieren als Andere. Symbolisch hierfür ist die Tiroler Landtagswahl 2013, wo die SPÖ nur noch auf 13,7 Prozent kam und die ÖVP in ihrer Hochburg nur 39 Prozent holte.
Die Verbürgerlichung der SPÖ riss ein riesiges Loch in die organisierte Arbeiterbewegung. In den 1970ern hatte sie noch über 700.000 Mitglieder, aktive Ortsgruppen, weitläufige Vorfeldorganisationen und eine kritische Jugendorganisation. Heute zählt die Partei offiziell ca 200.000 Mitglieder, der größte Teil davon wohl Karteileichen, die sich teilweise nicht einmal mehr die Mühe machen, SPÖ zu wählen. Das innerparteiliche Leben ist tot, eine Opposition, selbst in den Jugendorganisationen, nicht existent. Die SPÖ ist eine bürgerliche Partei mit besonderer Geschichte – in der realen Politik unterscheidet sie sich nicht mehr von anderen bürgerlichen Parteien. Vergleichbar mit der SPD trägt sie Sparzwang, Standortlogik und staatlichen Rassismus mit. Der Verrat der Sozialdemokratie machte in Österreich in erster Linie die FPÖ groß, die sich in der Vergangenheit als „soziale Heimatpartei“ präsentierte und in Umfragen teilweise sogar als stärkste Kraft gehandelt wurde.
Stronach fischt im rechten Teich
Die FPÖ ist eine rechtsextreme Partei mit einem starken ultrarechten Flügel, die KarrieristInnen in der Partei drängen aber an die Futtertröge und machen sich dabei bei jeder Gelegenheit die Hände schmutzig: Die FPÖ ist aktuell wohl in noch mehr Korruptionsskandale verwickelt als die beiden Großparteien. Ihr Image als Saubermannpartei hat in den letzten Jahren gelitten. Nicht zu unrecht fürchtet die FPÖ, dass Stronach ihr WählerInnen nimmt. Die meisten Stimmen für die FPÖ sind Proteststimmen gegen SPÖVP, um diese bangt die FPÖ besonders. Nur ein Teil wählt die FPÖ ihres expliziten Rassismus wegen, doch auch diesen versucht Stronach für sich zu gewinnen. In seinem Programm finden sich Forderungen nach Verschärfung des Asylrechts, in einem Interview meinte er: „Man muss sich vorstellen, dass das ein kleines Boot ist, und jeder will rein. Jetzt sind es hauptsächlich nur Wirtschaftsemigranten, die nach Österreich wollen, und da müssen wir ein bisschen vorsichtig sein. Wir sollen Leute vielleicht reinlassen, die wirtschaftlich etwas dazu beitragen können“. Stronach versucht auch, den Wählerfluss von SPÖ zu FPÖ anzuzapfen. So präsentiert er sich als Arbeiterfreund und organisierte sogar ein Fest zum 1. Mai in Wien. Auch programmatisch fischt Stronach im FPÖ-Teich: Kritische Haltung zu EU und Euro, Ablehnung zu Rettungsschirm und Fiskalpakt blieben bis jetzt Domänen der FPÖ. Stronach bezieht sich positiv auf den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien. Im Programm des Team Stronach heißt es: „Allen Ortes versammeln sich überzeugte Demokraten bzw. Anti-Europäer (eigentlich ist das ja das gleiche) gründen Parteien und stellen sich der David-Goliath Konfrontation mit teilweise beachtlichen Erfolgen.“ Hier rollt Stronach der englischen UKIP, der französischen Front National und Ähnlichen den roten Teppich aus.
Grüne Koalition mit Stronach
Die Grünen konnten sich aus den großen Korruptionsskandalen der letzten Jahre bei Telekom, Hypo Alpe Adria oder Spekulationsverlusten in Millionenhöhe von Landesregierungen wie Salzburg und Niederösterreich raushalten – auch weil sie nicht in den notwendigen Positionen waren, um sich daran zu bereichern. Jetzt stehen die Grünen als Anti-Korruptionspartei da und fuhren bei allen bisherigen Wahlen 2013 respektable Erfolge ein. Sie präsentieren sich immer offener und unverhohlener als neue bürgerliche Alternative – in Graz und Wien sitzen sie schon in der Stadtregierung, in Oberösterreich auch in der Landesregierung. Der Sparzwang wird von ihnen fast kommentarlos mitgetragen, brutale Kürzungen wie „Spitalsreformen“ (Bettenkürzungen, Schließungen von Krankenhäusern) setzen sie willig um. Da ist es aus ihrer Sicht auch nur konsequent, mit dem Team Stronach Koalitionen zu schmieden, wie dies nun in der neuen schwarz-grün-gelben Salzburger Landesregierung der Fall ist. Die Grünen beweisen eindrucksvoll dass sie alles andere als eine linke bzw. Arbeiterpartei sind, sondern die neue politische Reserve des EU- und Euro-freundlichen Bürgertums, während die skeptischen Teile mehr und mehr auf FPÖ und Stronach setzen. Die Grünen werden dem Aufstieg des Team Stronach also auch keinen Riegel vorschieben.
Österreich: Kein Land der Liberalen
In Österreich konnte sich nie eine klassisch liberale Partei nach dem Vorbild der FDP formieren: Die FPÖ stand immer mit einem Bein im faschistischen Sumpf und wird es da auch wohl nie rausziehen. Das Kleinbürgertum fühlte sich bei der ÖVP immer gut aufgehoben. Das Großkapital war in Österreich nie besonders stark und eigenständig und entwickelte kein Verlangen nach einer liberalen Kraft.
Die letzten Jahre sahen eine wahre Flut von Parteigründungen in Österreich, fast alle sind dennoch dem liberalen Lager zuzurechnen. Überlebt haben das Eintreffen des Team Stronach nur die „Neos“, eine aggresiv-neoliberale Kraft, die wohl mittelfristig mit dem LIF fusionieren wird, ein gemeinsames Antreten zu Wahlen gibt es bereits. Die „Online Partei Österreichs“, eine Abspaltung der Piraten, ist bereits de facto in den „Neos“ aufgegangen. Stronach tötete quasi im Vorbeigehen die Entwicklung der Piratenpartei in Österreich ab.
Dem Team Stronach in seiner heutigen Form ist eine begrenzte Lebensdauer in Form biologischer Grenzen beschieden. Bereits jetzt brechen heftige innerparteiliche Kämpfe um lukrative Plätze an Stronachs Seite aus. Zum Beispiel reichten bei den Tiroler Wahlen drei Listen Kandidaturen ein, von denen jede behauptete, die wahre Vertreterin des „Team Stronach“ zu sein. Viele „Mitstreiter“ warfen schon nach wenigen Wochen das Handtuch.
Die Formierung einer stabilen liberalen Partei ist in Österreich in nächster Zeit nicht abzusehen. Zu befürchten ist aber, dass im Windschatten von Stronachs aggressivem Neoliberalismus etablierte Parteien Projekte umsetzen, dass Stronach also als Rammbock dient.
Neue Arbeiterpartei notwendiger denn je!
Es wirkt absurd: Wir sind im sechsten Jahr der Weltwirtschaftskrise, die sich auch in Österreich deutlich auswirkt. Schon die Jahrzehnte vor dem Ausbruch der Krise waren von Sparpaketen und stagnierenden Reallöhnen geprägt. Das Vertrauen der Arbeiterklasse in die etablierten politischen Parteien ist am Boden, Politikern wird weniger vertraut als Gebrauchwagenhändlern. In den letzten Jahren gab es einen merkbaren Anstieg an sozialen Kämpfen gegen die Krisenpolitik der Regierung: Die „Uni Brennt“-Bewegung, die zehntausende Studierende für freie Bildung und gegen den Bologna-Prozess auf die Straße brachte. Die Demonstrationen der „Plattform 25“, die sich gegen die 25 Prozent-Budgetkürzungen der Landersregierung in der Steiermark wendeten und knapp davor waren, sich auf die betriebliche Ebene auszubreiten, aber vom ÖGB (unter passiver Mithilfe der KPÖ!) zurückgehalten wurden. Die Kämpfe im Gesundheitsbereich. Der wilde Streik der Salzburger Landesbeschäftigten, die es dadurch schafften, eine Nulllohnrunde abzuwehren.
Trotz dieses Comebacks der sozialen Kämpfe sind sämtliche Neuformierungen auf der politischen Ebene stockbürgerlich. Die Wut der Arbeiterklasse findet bis jetzt keinen Ausdruck in Form von neuen klassenbasierten politischen Formationen. Stattdessen profitieren immer neue bürgerliche Scharlatane wie Stronach von den Proteststimmen. Phänomene wie das „Team Stronach“ mögen zwar den Teilen der herrschenden Klasse ein Dorn im Auge sein, die sich bei ihren traditionellen Parteien (ÖVP, FPÖ) oder ihren neueren Parteien (SPÖ, Grüne, BZÖ) gut aufgehoben fühlen. Eine tatsächliche Gefahr stellen sie jedoch nicht dar, da sie die Grundfesten des Kapitalismus nicht einmal ansatzweise in Frage stellen. Eine neue ArbeiterInnenpartei ist dringend notwendig um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Eine neue Partei der Arbeiterklasse wird nicht vom Himmel fallen. Möglich ist, dass aus einzelnen lokalen bzw. sektoralen Kämpfen lokale bzw. thematisch beschränkte Protestlisten wachsen. Diese können sich vernetzen und auch auf Bundesebene eine Alternative zun bürgerlichen Einheitsbrei bieten. Neue gewerkschaftliche Initiativen, Gewerkschaftsfraktionen, oder ganze Fachgewerkschaften können sich aus der Umklammerung der SPÖ lösen und solche Wahlalternativen unterstützen. Die SLP, die österreichische Schwesterorganisation der SAV, kämpft für so eine neue ArbeiterInnenpartei – wir wollen der kämpferischste Flügel eines solchen Projekts sein und Programm und Praxis einer solchen Partei nach links drücken. Hierbei gibt es viel durch die Beobachtung der Entwicklung und der Analyse aktueller Probleme der LINKE in Deutschland zu lernen: Eine neue ArbeiterInnenpartei kann nicht primär wahlorientiert sein – sie muss aus sozialen Bewegungen kommen und darauf fokussieren. Alle derzeitigen Parlamentsparteien spielen das kapitalistische Spiel mit – Aufgabe einer neuen Arbeiterpartei wäre es aber, die Spielregeln zu brechen: Den Sparzwang nicht zu akzeptieren, für eine Nichtbezahlung der Schulden einzutreten, für eine Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und Banken unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten, für internationale Solidarität und Arbeitereinheit im Kampf gegen die Krisenpolitik der Herrschenden in Europa und darüber hinaus.
Sebastian Kugler lebt in Wien. Er ist Mitglied der Bundesleitung der Sozialistischen LinksPartei (SLP, der Schwesterorganisation der SAV in Österreich.