Zunehmende Unterstützung für die rechtspopulistische und EU-kritische Partei UKIP ist ein Hinweis auf die Probleme der etablierten Parteien aber auch dafür, dass es ein großes Vakuum gibt, was die Vertretung der Interessen der Arbeiterklasse angeht.
von Clive Heemskerk, zuerst veröffentlicht in der „Socialism Today“, dem monatlich erscheinenden Magazin der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in England und Wales) am 30. Mai 2013
Welche Rolle kann die „Trade Unionist and Socialist Coalition“, TUSC (dt.: „Gewerkschaftliches und sozialistisches Bündnis“) dabei spielen, die Kräfte zusammenzubringen, mit denen eine neue Arbeiterpartei aufgebaut werden kann?
Nach fünf Jahren, die die schwerste Krise des Kapitalismus seit den 1930er Jahren nun schon andauert, zeigen die Ergebnisse der Kommunalwahlen vom Mai, wie weit die Entfremdung von den „traditionellen“ britischen Parteien schon fortgeschritten ist. Der Fernsehsender BBC stellte eine Hochrechnung auf, in die 24 Millionen WählerInnen aber nicht Schottland, Wales und die meisten Großstädte Englands einbezogen waren. Trotz dieser Einschränkung, die als Betrag zum „psychologischen Rätselraten“ bezeichnet werden kann, waren die Ergebnisse für die etablierten Parteien ernüchternd: Die sozialdemokratische „Labour“-Partei kam mit 29 Prozent vor den konservativen „Tories“ mit 25 Prozent und der „UK Independence Party“ (UKIP), die 23 Prozent erreichte, auf Platz eins. Vierter wurden die „Liberal Democrats“ mit 14 Prozent. Damit schaffte zum ersten Mal keine Partei den Sprung über die 30-Prozent-Marke.
Die „Tories“ verloren 335 Kommunal- und StadträtInnen. 2009, als der Premierminister noch Gordon Brown („Labour“) hieß und diese Wahl, in der es vorwiegend um die Neubesetzung der Kreistage geht, das letzte Mal abgehalten wurde, kamen sie landesweit noch auf 38 Prozent der Stimmen. Auf „Labour“ hingegen entfielen 291 Sitze. Das ist exakt dieselbe (!) Anzahl, die die Partei 2009 verloren hat. Damit hat „Labour“-Chef Ed Miliband mit seinem „One Nation“-Ansatz (dt.: „Nationale Einheit“) einen schweren Schlag erlitten. Seine Partei konnte nur in zwei Kommunalparlamenten die Mehrheit zurückgewinnen: in Nottinghamshire und Derbyshire. Der große Gewinner ist die UKIP, die auf 139 Sitze kam.
Dieser Trend bestätigte sich in den ersten Meinungsumfragen, die die Tageszeitung „The Guardian“ zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut brit. ICM nach diesen Wahlen durchgeführt hat. Dabei kamen die drei wichtigsten etablierten Parteien auf auf Werte, vier Prozent unter ihren Ergebnissen vom Vormonat. Damit ist es zum das ersten Mal seit Beginn dieser Umfragen vor der 29 Jahren der Fall, dass „Tories“, Liberaldemokraten und „Labour“ gleichzeitig abgesackt sind (vgl.: „The Guardian“, 14. Mai 2013).
Die 34 Prozent, die dabei auf „Labour“ entfallen, bedeuten das schlechteste Ergebnis seit ihrer Niederlage bei den Parlamentswahlen von 2010. Die 28 Prozent für die „Tories“ sind der Tiefpunkt seit den „glorreichen Tagen“ des Tony Blair in den Jahren 1997/-98, und die „Lib Dems“ kamen auf 11 Prozent, ihr schlechtestes Ergebnis seit September 1997. Während die Umfragewerte auch darauf hindeuten, dass die UKIP nur bis zu einem gewissen Punkt an die WählerInnen herankommt, (in Wales sind es nur sechs Prozent und in Schottland lediglich zwei), so kamen sie insgesamt doch auf einen Zugewinn von mehr als neun Prozent und landeten bei 18 Prozent. Der Leitartikel im „Guardian“ beschreibt diese Resultate korrekt als „Absage an die britische Mainstream-Politik, die keinen Widerhall in der Gegenwart findet“.
Die Ergebnisse von ICM zeigen, dass die UKIP nicht nur von ehemaligen WählerInnen der „Tories“ und Menschen gewählt wird, die sich vorher gar nicht an Wahlen beteiligt haben, sondern – zumindest in England – auch Stimmen aus der traditionellen „Labour“-Wählerschaft erhalten haben. Während 27 Prozent derer, die angaben, bei den Wahlen von vor zwei Jahren noch die „Tories“ gewählt zu haben, nun ihre Stimme der UKIP gaben, waren es bei den „Labour“-WählerInnen von 2010 nun 13 Prozent. Im Falle der „Lib Dems“ liegt dieser Anteil bei zwölf Prozent, die zur UKIP gewandert sind. Unter den WählerInnen aus der Arbeiterklasse, die man zu denen zählt, die ihre Stimme den „demokratischen Parteien“ geben, lag der Anteil überproportional hoch bei 27 Prozent. ‘DE’ voters?? = Wähler demokratischer Parteien?
Ein weiterer Hinweis darauf, warum die UKIP in der Lage ist, von der Schwäche der großen Parteien zu profitieren, besteht in der Feststellung, dass sie die einzige Partei ist, die – neben den drei genannten – bei den beiden Nachwahlen, die dieses Jahr für das brit. Parlament durchgeführt werden mussten, auf mehr als 20 Prozent kommen konnte. Davon fand ein Urnengang in einer alten Hochburg von „Labour“, in South Shields, und im Gebiet der liberaldemokratisch-konservativen Regierungskoalition von Eastleigh statt. Eine anlässlich dieser Abstimmung unter den Wahlberechtigten durchgeführte Umfrage ergab, dass 83 Prozent der UKIP-WählerInnen eben dieser Partei ihre Stimme gegen hatten, weil sie „ein Signal senden wollten, unzufrieden mit der Partei zu sein, die sie normalerweise wählen würden“.
Sogar in der Medienberichterstattung schlug sich nieder, weshalb die ArbeiterInnen so wütend auf die derzeitigen „elitären Politiker“ sind und einen Sinn darin gesehen haben, der UKIP ihre Stimme zu geben. Ein Journalist des „Guardian“ interviewte einen UKIP-Wähler in South Shields, der erklärte: „Ich war sehr unzufrieden damit, dass >Labour< keine Anstalten macht, sich irgendwie auf die Seite der Rechte der >einfachen< ArbeiterInnen zu schlagen. […] Sie sollten ihren Parteinamen ändern. Ich habe jetzt aber eine Partei gefunden, die für ein paar Ansichten steht, die auch ich gut finde“ (4. Mai 2013). Unterdessen äußerte ein 30-jähriger Angestellter eines Pubs in Yeovil, er „habe vorher noch nie gewählt, [mich] jetzt aber dafür entschieden, die UKIP zu unterstützen. Ich denke, die Partei ist die einzige, die die Stimme ergreift für die >einfachen< Beschäftigten. Der Rest scheint mir mehr Interesse daran zu haben, die Reichen glücklich zu machen“. Die wahre Position der UKIP, die darin besteht, eine noch brutalere Austerität im Interesse der kapitalistischen Elite durchzuführen, ist entweder gar nicht bekannt oder wird einfach im Drang ignoriert, den kleinsten Halm zu ergreifen, der sich bietet, um innerhalb der bestehenden Verhältnisse Unmut zu äußern.
Warum nicht für eine Alternative im Interesse der Arbeiterklasse?
Warum aber drückt sich die zunehmende Unzufriedenheit nicht darin aus, dass die Massen ihre Stimme einer Alternative geben, die aus der Arbeiterklasse kommt? In Zeiten der ökonomischen Krise darf nicht unterschätzt werden, dass das politische Gewicht der UKIP darin besteht, allgemein über „ein Europa“ zu fluchen (wobei sie für die Austeritätsvorgaben der EU ist) und sich gegen Einwanderung zu richten. Derlei ideologische Ansätze, die mit Rassismus, Sexismus, Religion, der Frage der Monarchie etc. einhergehen, wurden über Generationen von Kräften genährt, die aus „der Mitte der Gesellschaft“ kommen. Sie waren bedeutende Werkzeuge, um die „Herrschaft einer Minderheit“ von Kapitalisten und ihr System abzusichern.
Dies geschieht ganz offen – wie im Falle des konservativen Bildungsministers Michael Gove, der geschmacklose Versuche unternimmt, für den Schulunterricht die Geschichte neu zu schreiben – und findet permanent – wie z.B. in den Medien – im Hintergrund statt. Trotz der Tatsache, dass die UKIP keinen einzigen Abgeordneten im britischen Parlament hat, war ihr Vorsitzender, Nigel Farage, seit 2008 öfter in der bekannten Fernsehsendung „Question Time“ in der BBC zu sehen als irgendein anderer Politiker. Beim Aufbau der UKIP ging es zum einen auch darum, eine Art Sicherheitsventil gegen die rechtsextreme „British National Party“ (BNP) zu installieren, was vor allem hinsichtlich der Europa-Wahlen von 2009 galt. Es sollte damit aber natürlich auch versucht werden, die Entwicklung einer Arbeiterpartei mit Massenunterstützung zu verhindern. Mittlerweile hat die UKIP jedoch sämtliche kapitalistische Parteien in Bedrängnis gebracht.
Da kann es niemanden überraschen, dass die Tageszeitung „The Guardian“ einen Ölarbeiter aus dem Wahlbezirk South Shields zitieren kann, der früher immer „Labour“ gewählt hat, nun aber die UKIP unterstützt, weil „ich will, dass sich was ändert. Ich weiß nicht allzu viel über Nigel Farage. Ich habe ihn in der Sendung >Question Time< gesehen und weiß wie er sich gibt“ (4. Mai). Wenn es kein Kraft gibt, die einen Gegenstandpunkt zu den vermeintlich einfachen Lösungen und nationalistischen Formulierungen von UKIP einnimmt, ist diese nationalistische Formation weiterhin in der Lage, scheinbar plausible Antworten anbieten zu können. Bisher steht ihr in Was Schottland angeht steht der UKIP bisher nur im Weg, dass sie auf schottischen Nationalismus verzichtet und – neben der Tatsache, dass es dort eine höhere Konzentration an Arbeiterklasse-Wohnvierteln gibt – deshalb relativ weniger an Unterstützung erhält. Ihre „einfachen Antworten“ setzen allerdings auch hier an latent in der Gesellschaft vorhandenen Denkmustern an.
Dabei liegt es nicht nur an der Einfachheit der rechten Ideologie von UKIP, weshalb die Arbeiterbewegung der Gesellschaft nicht ihren Stempel aufdrückt und ihre Wut auf die liberaldemokratisch-konservative Regierungskoalition nicht dazu führt, dass man sich einer Wahlalternative zuwendet, die gegen Austerität und Kürzungen antritt. Eine wichtige Rolle dabei spielt der Umstand, dass die Vorstände der größten Gewerkschaften immer noch die sozialdemokratische „Labour“-Partei unterstützen. Da ist es dann auch egal, ob nebenher noch verhaltene Kritik an einem „langsameren, dafür aber gerechteren“ Austeritätsprogramm von„Labour“ geäußert wird. Zum zweiten – und wesentlich bedeutsamer – gibt es eine Mehrheit von Gewerkschaftsvorständen, die alle Möglichkeiten, die sich in den vergangenen drei Jahre boten, außer Acht lassen. Dies gilt vor allem für die Zeit nach der massiven Demonstration vom 26. März 2011, an der 750.000 Menschen teilnahmen. Sie führen keinen entschiedenen Kampf, um die Angriffe der Con-Dem-Regierung auf die Lebensbedingungen der Beschäftigten abzuwehren („to condemn“ = dt.: „verachten“; Ein Wortspiel, mit dem die Haltung gegenüber der konservativ/liberal-demokratischen Regierungskoalition zum Ausdruck gebracht wird; Anm. d. Übers.).
In diesen Tagen erinnert sich kaum noch jemand daran, dass UKIP-Mitglieder im Vorfeld des 26. März 2012, dem Tag der größten und unüberhörbaren Demonstration der Gewerkschaftsbewegung und der Arbeiterklasse in der Geschichte Großbritanniens, versucht hatten, eine Gegen-Veranstaltung zu organisieren. Diese sollte „Kundgebung gegen Schulden“ heißen und im Mai 2011 stattfinden. Die Organisatorin, Annabelle Fuller, ehemalige Assistentin von Farage, initiierte die Proteste, bei denen die Kürzungsmaßnahmen verteidigt wurden, nachdem sie über die TUC-Demonstration „vollkommen entsetzt“ war („The Guardian“, 14. Mai 2011). Inmitten aufgeregter Debatten darüber, ob in Großbritannien nun eine „Massenbewegung“ im Stile der US-amerikanischen „Tea Party“ zu erwarten sei, tauchten nur eine Handvoll Leute auf, die Folgendes skandierten: „Hört auf, mein Geld auszugeben“ und „Welche Kürzungen? Wann werden sie kommen?“. Die Sprecher waren Farage und die „Euroskeptiker“ und Parlamentsabgeordneten Priti Patel und Bill Cash von der konservativen „Tory“-Partei sowie weitere rechtsgerichtete Koryphäen. In dieser Aktion widerspiegelte sich das wahre „Gleichgewicht der Kräfte“.
Zwei Jahre später allerdings, und damit direkt nach der Absage der Kämpfe gegen die Rentenkürzungen, folgten am 21. November 2011 die Streiks im öffentlichen Dienst. Die UKIP war teilweise in der Lage, den Gewerkschaften die Rolle des Herausforderers der Regierung abzunehmen, vor allem auf der politischen Ebene. Ihr rechter Populismus, der sich von dem Ansatz eines Beppe Grillo in Italien gänzlich unterscheidet, kann leicht durchbrochen werden. Es ist jedoch symptomatisch, dass in einer kürzlich durchgeführten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „YouGov“ (vom 23. April) nur 26 Prozent der UKIP-WählerInnen meinten, sie ständen der Idee eines Generalstreiks gegen Austerität positiv gegenüber. Damit belegten sie Platz zwei hinter den WählerInnen von „Labour“ mit 49 Prozent. Und das, obwohl „Labour“-Chef Miliband Streikaktionen als „eine schreckliche Idee“ bezeichnet hat.
Der Aufbau der TUSC
Das ist der Hintergrund, vor dem die Anstrengungen zum Aufbau der „Trade Unionist and Socialist Coalition“ (TUSC) seit ihrer Gründung stattgefunden haben. Im Vorfeld der Wahlen von 2010 hatten wir nur wenig an Vorbereitungszeit, und seitdem hat die TUSC Fortschritte gemacht. Das drückt sich vor allem in der Entscheidung der Transportarbeitergewerkschaft RMT aus, die 2012 auf ihrem Gewerkschaftstag beschloss, sich regelmäßig an diesem Bündnis beteiligen zu wollen. Als die TUSC gegründet wurde, da geschah dies auf der Basis, dass einzelne führende GewerkschafterInnen individuell ihre Unterstützung ausdrückten. Das war Ende 2009, und es gab noch eine Reihe von Vorstandsmitgliedern der RMT und der Gewerkschaft der Justizbediensteten (POA), die formal noch nicht mitwirkten.
Im Gegensatz dazu ist heute die gesamte Gewerkschaft RMT offiziell im landesweiten Koordinierungsrat der TUSC vertreten: mit ihrem Generalsekretär und Vorsitzenden sowie fünf weiteren Vorstandsmitgliedern. Die POA ist formell zwar nicht an die TUSC gebunden, ihr Generalsekretär wie auch ihr stellvertretender Generalsekretär sind allerdings Mitglied im Koordinierungsrat. Ebenfalls Teil dieses Rats sind der stellvertretende Generalsekretär und der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Staatsbediensteten, PCS. Es ist auch kein Zufall, dass es sich bei den Antragstellern des Antrags Nummer 5 beim Gewerkschaftstag des Dachverbands TUC im vergangenen Jahr, in dem der TUC aufgefordert wurde, sich mit der Frage des Generalstreiks zu beschäftigen, um Steve Gillan (POA), Bob Crow (RMT) und John McInally (PCS) handelt. Sie alle sind Mitglieder des TUSC-Koordinierungsrats.
Die TUSC wurde 2010 ins Leben gerufen und bei der Wahlkommission angemeldet, um ausdrücklich „GewerkschafterInnen, AktivistInnen aus den Wohnvierteln, Bürgerinitiativen und SozialistInnen in die Lage zu versetzen, KandidatInnen gegen die etablierten Kürzungsparteien aufstellen zu können“ (vgl.: http://www.tusc.org.uk/about.php / https://www.archiv.sozialismus.info/2010/01/13484/). Wenn KandidatInnen nicht von einer registrierten politischen Partei aufgestellt werden, so sieht das britische Wahlrecht für sie nur die Möglichkeit vor, unter dem Begriff „Independent“ (dt.: „UnabhängigeR“) anzutreten. Allein deshalb ist die Gründung einer Dachorganisation wie der TUSC an sich schon ein wichtiger Schritt. Ansonsten könnten sich GewerkschafterInnen, lokale Anti-KürzungsaktivistInnen oder sozialistische EinzelkandidatInnen nicht von anderen „Independents“ unterscheiden. Sie hätten es dann sehr schwer, sich als Alternative zu den etablierten Parteien kenntlich zu machen. Der Name TUSC bietet diese Möglichkeit. KandidatInnen der TUSC haben die Autonomie, einen eigenständigen Wahlkampf zu führen. Die einzige Voraussetzung dabei ist, dass von ihnen erwartet wird, Kernpunkten des Wahlbündnisses zuzustimmen.
In den drei Jahren seit ihrer Gründung sind bereits 582 KandidatInnen im Wahlbündnis TUSC zusammengekommen. Dabei sind sie bei einer ganzen Reihe an Parlaments-, Bürgermeister- und Kommunalwahlen angetreten. Bei den jüngsten Kreistagswahlen konnte die TUSC mit mehr KandidatInnen antreten als die rechtsextreme BNP. Es war „das erste Mal in der jüngeren Geschichte“, so die brit. Politische Wochenzeitung „The New Statesman“, dass eine linke Partei „besser aufgestellt ist als der Mob von [BNP-Chef] Griffin“. Das hinderte den Fernsehsender BBC jedoch nicht daran, einen Bericht nach dem anderen über die BNP zu bringen, während er sich gleichzeitig standhaft weigerte, auf seiner Webseite auch nur zu erwähnen, dass die TUSC überhaupt kandidiert. Diese Vorgehensweise hielt man bis zum Wahltag aufrecht.
In diesen drei Jahren kam die TUSC auf mehr als 100.000 Stimmen. Zwar ist das noch als moderates Abschneiden zu bezeichnen, bleibt aber nicht ohne Bedeutung. Alles in allem handelt es sich bei der TUSC immer noch lediglich um eine Vor-Form von Partei. Sie ist ein Vorbote für eine zukünftige Massenpartei der ArbeiterInnen, die in entscheidendem Maße Einfluss auf die politischen Kämpfe und gegen die Austerität üben kann. Zum jetzigen Zeitpunkt handelt es sich bei der TUSC auf jeden Fall um die vielversprechendste Entwicklung. Sie wird mit Sicherheit auch nicht einfach beiseite gedrängt und von „der nächsten neuen Formation“ ersetzt werden.
Die Linke vereinen?
Es gibt auch noch andere alternative Wahlbündnisse, die die Con-Dems von links herausfordern und (noch) nicht zur TUSC gehören. Dazu gehört die „Respect“-Partei von George Galloway und die „Green Party“, die beide einen Abgeordneten im Parlament haben. Auch die „Communist Party of Britain“ (CPB), die die dominierende Kraft hinter der Tageszeitung „Morning Star“ ist, tritt zu Wahlen an. Das Gleiche gilt – zumindest sporadisch – für Arthur Scargills „Socialist Labour Party“ (SLP). Nach einem Aufruf des sozialitsischen Filmemachers Ken Loach, „eine Diskussion über eine neue Partei der Linken zu beginnen“, ist vor kurzem eine „Left Unity initiative“ ins Leben gerufen worden, und die „Left Party“ ließ sich durch Kate Hudson und Andrew Burgin, die letzten Sommer bei „Respect“ ausgetreten sind, bei der Wahlkommission registrieren. Kate Hudson ist ein ehemaliges prominentes Mitglied der CPB. Die Gründungskonferenz, auf der dieser Name beschlossen oder auch abgelehnt werden mag, wird im November dieses Jahres stattfinden. Kann eine gemeinsame Struktur dieser Kräfte oder auch nur ein Wahlbündnis, das diese Formationen vereint, erreicht werden?
Die Grünen sind bisher am meisten etabliert. Sie hatten 2008 noch 7.553 eingetragene Mitglieder und können nun auf 12.000 Mitglieder sowie 141 Stadt- und KommunalrätInnen verweisen. Sie werden auf Landesebene kaum mit anderen Kräften in Diskussionen eintreten. Sie vertreten die Ansicht, dass die Gewerkschaften die Grünen unterstützen sollten, auch ohne der Partei formal angegliedert zu sein. Das würde den Willen ihrer Mitgliedschaft bzw. ihr gesellschaftliches Gewicht widerspiegeln, und auch SozialistInnen könnten als Einzelpersonen der Partei beitreten.
Was aber ein grundlegenderes Problem darstellt, ist, dass die „Green Party“ sich selbst nicht als Partei der Beschäftigten betrachtet. Und das ist sie weder hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Basis noch auf politischer Ebene. Damit ist die Tatsache angesprochen, dass die Grünen sich nicht auf Strukturen der Arbeiterklasse – und hier vor allem auf die Gewerkschaften – gründen oder eine ausdrücklich sozialistische Opposition gegenüber dem Kapitalismus einnehmen. Dabei ist der Sozialismus der allgemeine politische Ausdruck der Interessen der Arbeiterklasse gegenüber den Interessen der kapitalistischen Klasse und ihres Systems. Die politischen Kernaussagen der TUSC sind zwar begrenzt aber sozialistisch. So steht man in Opposition zu sämtlichen Kürzungen von Arbeitsplätzen und öffentlichen Dienstleistungen, worauf die VertreterInnen der Grünen sich leider nicht berufen.
Das führt bei den Grünen bereits dazu, dass sich erste Spaltungen abzuzeichnen beginnen. So haben grüne StadträtInnen in Brighton und Bristol zum Beispiel an örtlichen Gremiensitzungen teilgenommen, auf denen Austeritätsmaßnahmen beschlossen wurden. Die Grünen in Großbritannien unterscheiden sich von ihren europäischen KollegInnen nur in dem Sinne, als dass sie nicht die parlamentarische Kraft sind, um als Koalitionspartner eine Rolle spielen zu können.
Die grünen AktivistInnen, die SozialistInnen sind, können im Kampf für eine neue Arbeiterpartei eine wichtige Rolle einnehmen – als Einzelpersonen wie beispielsweise der sozialistische Umweltaktivist William Morris. Ähnliches gilt auch für AktivistInnen der Bewegung gegen die Lebensmittelkonzerne, die sich für Kooperativen einsetzen. Das wäre auch vergleichbar mit den Entwicklungen im späten 19. Jahrhundert, als sich Ähnliches im Kampf für eine unabhängige Vertretung der Arbeiterklasse tat. Die entscheidende Aufgabe besteht darin, die Arbeiterklasse dabei zu unterstützen, ihre eigene politische Stimme, einen neue Arbeiterpartei, zu erlangen. Im Gegensatz zur TUSC, die eine Position in den Gewerkschaften hat, wird die „Green Party“ als solche dabei keine Rolle spielen.
Die TUSC ist ein Bündnis
Wie ihr Name schon sagt, handelt es sich bei der TUSC um ein Bündnis. Aus diesem Grund wurden auch „Respect“, die im Mai 2012 gegründete „National Health Action Party“, die SLP, die Communist Party (CP) und – vor kurzem erst – Ken Loach angeschrieben, um sie alle zu einer Diskussion über eine mögliche Zusammenarbeit in der TUSC oder wenigstens zu einer Zusammenarbeit auf Wahlebene einzuladen.
Die „National Health Action Party“ und die SLP haben nicht geantwortet. „Respect“ schrieb zwar zurück, wies aber sogar das Angebot bedingungsloser Sondierungsgespräche zurück. Die SLP wie auch „Respect“ teilen mit den Grünen leider den Standpunkt: „Löst euch auf und schließt euch uns an“. Mit VertreterInnen der CP haben bisher zwei Treffen stattgefunden, wobei sie eineN GastrednerIn beim TUSC-Kongress 2012 zusagten. Das Angebot, der TUSC mit den vollen Rechten einer Mitgliedsorganisation beizutreten wie auch eines Sitzes im landesweiten Koordinierungsrat wurde nicht angenommen.
Was ist das Problem dabei? Es geht nicht darum, dass die TUSC „zu eng gefasst“ ist und „nicht integrativ“ ausgerichtet wäre oder dass die „Socialist Party“ angeblich „die TUSC dominieren“ würde. Das Bündnis basiert auf einer Vereinbarung, die ihre Grenzen hat. Dabei beinhaltet sie klare sozialistische Abschnitte, in denen es um demokratisch verwaltetes öffentliches Eigentum an den Banken und großen Monopolen geht. Ergänzt wird dies durch Erklärungen zur politischen Ausrichtung, die sich auf bestimmte Wahlgänge beziehen. JedeR TUSC-KandidatIn soll sich diesen Punkten verpflichten, bevor sie/er das rechtlich notwendige „Autoristinszertifikat“ erhält (vgl.: http://www.tusc.org.uk/policy.php). Darüber hinaus liegt der Wahlkampf der KandidatInnen allerdings in ihrer eigenen Verantwortung. Bisher sind 582 KandidatInnen unter dem Dach der TUSC zu Wahlen angetreten. Nur zwei Anträge, als TUSC-KandidatIn antreten zu dürfen, sind bislang abgelehnt worden: In einem Fall wollte jemand gegen ein Mitglied der Parlamentsgruppe der Transportarbeitergewerkschaft RMT antreten und im zweiten Fall ging es darum, dass gegen die in letzter Minute eingereichte Kandidatur eines Kollegen Einspruch vom Vorsitzenden seiner Gewerkschaftsgliederung eingelegt wurde (und keine Zeit mehr war, dass der Koordinierungsrat als Vermittler hätte einspringen können).
Die Rechte der einzelnen Organisationen werden durch den föderalen Charakter der „Dachorganisation“ namens TUSC gewahrt. Wenn die CP, „Respect“ oder eine andere Struktur neben der RMT, der „Socialist Party“ und der „Socialist Workers’ Party“ mit in den Koordinierungsrat der TUSC kämen, so würden ihre Rechte als autonome Organisationen vollkommen gewahrt. Dazu gehört auch die Möglichkeit, KandidatInnen unter den jeweils bekannten Namen ihrer Organisation aufstellen zu können, um eigenes und unabhängiges Material für den Wahlkampf produzieren zu können etc. Die Regel, dass das Koordinierungskomitee dem Konsensprinzip unterliegt, bedeutet auch, dass keine Organisation – oder GewerkschaftsfunktionärInnen, die als Einzelpersonen und mit ihrem „inoffiziellen“ Gewerkschaftsbezirk an der TUSC teilnehmen – in die Lage kommen kann, ihren Namen und ihre Autorität für eine Aktion aufzugeben, die unter dem Banner der TUSC stattfindet.
Die Regularien, denen die TUSC unterliegt, befördern den Aufbau lokaler Koordinierungskomitees oder Ortsgruppen, mit denen auf ähnlich integrative Art und Weise Strukturen organisiert werden können. Geht es noch offener und pluralistischer?
Repräsentative Demokratie, keine Volksabstimmungen
Leider hat dieser eigentlich sehr ansprechende Charakter der – Einheit mit gleichen Rechten für alle und ohne Dominanz durch eine Gruppe über eine andere – dazu geführt, dass einige Gründungsmitglieder der „Left Unity“ die TUSC als „undemokratisch“ diskreditiert haben. Diese setzen dem TUSC-Ansatz das Motto „ein Mitglied, eine Stimme“ (OMOV) entgegen. Sie stellen ihre Vorstellung gegen die Demokratie der Organisationen, die rechenschaftspflichtige VertreterInnen wählen. Dabei wird häufig die Propaganda des rechten Flügels unter Blair hervorgeholt, der in den 1990er Jahren das Ziel verfolgte, die „Labour Party“ zu „New Labour“ zu machen. John Prescott, der die Statuten gemäß des OMOV-Ansatzes veränderte – was z.B. die Rolle der örtlichen Delegierten aus den Gewerkschaften ad absurdum führte, die die ParlamentskandidatInnen im Sinne der individuellen Abstimmung ihrer jeweiligen Mitgliedschaft bestimmen sollten –, war dies bei der Änderung des Charakters von „Labour“ wichtiger, als die Abschaffung der sozialistischen „Parteithese Nr. 4“. Die „Online-Demokratie“ der „Fünf-Sterne-Bewegung“ von Grillo in Italien oder der „Piratenpartei“ in Deutschland – ein Internet-basiertes Äquivalent zu den parteiinternen Vorwahlen in den USA – trägt zwar plebiszitäre Züge, ist aber kein Modell für die Arbeiterbewegung.
In Wirklichkeit funktioniert auch die „Left Unity“ nicht nach den OMOV-Prinzipien. 8.000 Menschen unterzeichneten eine Online-Erklärung, mit der „der Aufruf von Ken Loach, die Gründung einer neuen Partei zu diskutieren“ unterstützt wurde. Das geschah, nachdem sein neuer Film „Spirit of ´45“ in die Kinos kam, ein Artikel inder britischen Tageszeitung „The Guardian“ dazu erschien und weitere Öffentlichkeit über die Medien hergestellt wurde. Mehr als 500 Personen nahmen zudem an örtlichen Treffen zu diesem Thema teil. Am ersten landesweiten Treffen beteiligten sich dann VertreterInnen lokaler Zusammenhänge auf Grundlage „protokollierter Versammlungen, an denen nicht mehr als fünf Personen teilgenommen haben“ (und „Freiwillige“ aus noch offiziell zu gründenden lokalen Gruppen), die ein Leitungsgremium wählten.
Worin besteht da der grundlegende strukturelle Unterschied zur RMT mit ihren landesweiten GewerkschaftssekretärInnen, ihrem Vorstand und den jährlich gewählten Gewerkschaftstagsdelegierten, die alle von der Mitgliedschaft gewählt worden sind und die ihrerseits ihre VertreterInnen für den TUSC-Koordinierungsrat wählen? Außer, dass die RMT 80.000 zahlende Mitglieder zählt und ihre Fähigkeiten in diversen Arbeitskämpfen unter Beweis gestellt hat. Sie hat gesellschaftliches Gewicht und kann die Interessen der Arbeiterklasse verteidigen. Wenn eine aus der Initiative zur Gründung der „Left Unity“ eine tragfähige Struktur erwächst, warum sollte diese dagegen sein, sich an der TUSC zu beteiligen?
„Aber die TUSC hindert Einzelpersonen daran, sich einzubringen“. Nein, das ist nicht wahr. Der Koordinierungsrat der TUSC hat im Juni 2011 beschlossen, dass Einzelmitglieder einen Sitz in diesem Gremium zugestanden bekommen, den sie selbst besetzen können. Dazu soll ein eigens eingerichtetes „TUSC Independent Socialist Network“ dienen. Zur Gründungsversammlung dieses Gremiums im Oktober desselben Jahres kamen eine ganze Reihe von Leuten, und niemand ist dabei aus einer lokalen Struktur ausgeschlossen oder daran gehindert worden, eine solche ins Leben zu rufen.
Den Bruch vorbereiten
Ein Großteil der Enttäuschung darüber, dass die Entwicklung der TUSC so langsam vonstatten geht, rührt daher, dass es bisher nicht möglich war, einen Durchbruch zu schaffen, wie George Galloway ihn bei seinem „Frühling von Bradford“ im März 2012 erlebte. Während es darüber zwar möglich war, eine Gallionsfigur ins Parlament zu bekommen (was zu einem Gutteil daran lag, dass ansonsten sicher „Labour“-WählerInnen aus der Arbeiterklasse mit asiatischem und moslemischen Hintergrund der Partei ihre traditionelle Gefolgschaft aufkündigten), stellt sich doch die Frage, wie diese Wahl seither genutzt wurde, um ein alternatives Vehikel zur politischen Repräsentation aller Teile der Arbeiterklasse zu schaffen? Welchen Sinn hatte es darüber hinaus, dass die StadrätInnen von „Respect“ in Bradford sich bei der Abstimmung über den Kürzungshaushalt der „Labour“-Mehrheit (es ging um Streichungen in Höhe von 82 Millionen brit. Pfund), die im Februar stattfand, der Stimme enthielten? Welchen Einfluss hat „Respect“ in den Gewerkschaften? Bei den Gemeinderatswahlen im Mai kandidierte kein einziges Mitglied von „Respect“.
Weil Wahlergebnisse allgemein die objektiven Entwicklungen widerspiegeln, sind lokale Wahlerfolge zwar möglich. Über allem steht jedoch, dass dass Bewusstsein der Massen aufgegriffen und mit der realen Situation eines kapitalistischen Systems in Einklang gebracht wird, das sich in einer umfassenden Krise befindet.
Selbst in den Gewerkschaften, die immer noch an die „Labour“-Partei gebunden sind, wird der Gewerkschaftsbeitrag für „Labour“ mehr und mehr in Frage gestellt werden. Der Gewerkschaftstag der „Communication Workers’ Union“ (CWU), der in diesem Jahr stattfand, lehnte den Antrag ab, „Diskussionen mit der breiteren Gewerkschaftsbewegung und der >Trade Unionist and Socialist Coalition< aufzunehmen, um die Entwicklungschancen einer politischen Repräsentanz für Beschäftigte und CWU-Mitglieder zu eruieren“. Wenn es in diesem Bereich aber tatsächlich zur drohenden Privatisierung der britischen Post „Royal Mail“ kommt – was von „Labours“ Vorstandsriege ohne Weiteres verhindert werden könnte, die dies allerdings nicht tun wird –, wird diese Frage zurück auf die Tagesordnung kommen. Die KollegInnen werden sich zu Recht fragen, warum „Labour“ sich nicht für die Rückverstaatlichung einsetzt, ohne dabei auch noch die großen AnteilseignerInnen zu entschädigen. Obwohl bei den letzten Wahlen kein Kandidat für den Posten des Generalsekretärs der Gewerkschaft „UNITE“ (öffentlicher Dienst) – weder Len McCluskey noch Jerry Hicks – eindeutig von der Notwendigkeit gesprochen hat, dass die Gewerkschaft ihre Geldzahlungen an die sozialdemokratische „Labour Party“ einstellen und die nötigen Schritte einleiten muss, eine neue Arbeiterpartei aufzubauen, so war es doch sehr bezeichnend, dass in der größten Organisationsstruktur, die mit der „Labour“-Partei verbunden ist, kein Kandidat bereit war, das derzeitige Programm, die undemokratischen Strukturen oder die Parteiführung von „New Labour“ zu verteidigen.
Hinzu kommt die Tatsache, dass der politische Beschluss von „UNITE“, in einem Jahr 5.000 neue Mitglieder für „Labour“ zu gewinnen, nicht umgesetzt werden konnte. Im Dezember hatte man auf der Vorstandssitzung diese Entscheidung getroffen und bis zum Treffen im Dezember 2012 nur 600 neue „Labour“-Mitglieder zählen können. Im Februar wurde im Wahlkreis Falkirk West, in dem man diesbezüglich einige Erfolge verzeichnen konnte, das Wahlprozedere für die/den dortigeN ParlamentskandidatIn abgebrochen, und der von „UNITE“ unterstützte Kandidat zog seine Bewerbung zurück. Nach Angaben des „Guardian“ vom 13. Mai geschah dies, nachdem Vorwürfe laut wurden, die Beiträge neuer Mitglieder „seien en bloc von der Gewerkschaft bezahlt worden“.
Unterdessen werden Gewerkschaftsmitglieder, die als „Labour“–Stadträte fungieren und für eine gewerkschaftlich ausgerichtete Politik stehen und deshalb auch in von der „Labour“-Partei kontrollierten Organen gegen Kürzungen stimmen, von „New Labour“ entweder suspendiert (wie zum Beispiel in Warrington) oder ausgeschlossen (wie in Southampton). Da ist es schon von größerer Bedeutung, dass die beiden „Rebellen“ aus Southampton, die gegen ihre Stadtratsfraktion gestimmt haben und deshalb aus der „Labour Party“ ausgeschlossen wurden, nun die TUSC unterstützen. Spätestens nach den nächsten Wahlen (vielleicht aber auch schon davor) wird die Gegenströmung, die aus der Unzufriedenheit resultiert, in den Gewerkschaften voll zu Tage treten und die Suche nach einer tragfähigen Repräsentanz auf politischer Ebene wird in aller Öffentlichkeit stattfinden. Deshalb ist es entscheidend, dass die weitere Entwicklung der TUSC in den Gewerkschaften und über Wahlaufrufe stattfindet.
Im vergangenen Herbst nahm das Wirtschaftsmagazin „The Economist“ (4. August 2012) Bezug auf einen Forschungsbericht über die Haltung zu Massenparteien. Der Titel der Untersuchung von Ingrid Van Biezen von der Universität Leiden lautete: „Going, Going… Gone?“ [sinngemäß.: „Austritte, Austritte … Auflösung?“]. Festgehalten wird darin, wie in ganz Europa ein Rückgang in der Zugehörigkeit zu Parteien festzustellen ist. In den zehn Jahren seit den 1990ern bis 2008 ging sie in Deutschland um 20 Prozent, in Schweden um 27 Prozent und in Großbritannien gar um 36 Prozent zurück.
Das war die Phase des kapitalistischen Triumphs nach dem Zusammenbruch des Stalinismus, der sich ideologisch wie auch hinsichtlich des Organisierungsgrads auf die Arbeiterbewegung auswirkte. Der Klassen-Charakter der ehemaligen kapitalistischen Arbeiterparteien wie z.B. von „New Labour“ änderte sich, sodass es sich bei ihnen nicht länger um einen potentiellen Ausdruck dessen handelte, was man noch Repräsentanz der Arbeiterklasse nennen könnte. Dieser Prozess führte auch dazu, dass es für die Existenz von herkömmlichen bürgerlichen Parteien eigentlich keinen Grund mehr gab. Die Folge, so die Warnung der ForscherInnen aus Leiden, ist die Entwicklung „eines wesentlich fragmentierteren politischen Spektrums“, was hinsichtlich der „politischen Legitimation“ und der gesellschaftlichen Fundamente, auf deren Grundlage Austerität nur funktionieren kann, die „Bildung von Regierungen wesentlich schwieriger“ machen wird. Dabei erwartet der Kapitalismus von seinen politischen VertreterInnen genau das im Zeitalter der Austerität: feindselige Angriffe auf die Bedingungen der Arbeiterklasse. Es zeichnen sich hoch explosive Entwicklungen ab.
Dem Zeitpunkt angemessen kommentiert der „Economist“: Trotzdem „sie von vielen ihrer Mitglieder bereits verlassen sind […] werden die“ großen, etablierten Parteien „stark erscheinen – bis sie dann doch schnell zerbrechen. Die Geschichte ist voll von Institutionen, die einmal die dominierende Kraft waren, um dann unbemerkt ausgehöhlt zu werden und plötzlich zusammen zu brechen“. Überall in Europa, so wird ebenda gewarnt, „könnte ein derartiger Wendepunkt näherrücken“. Und Großbritannien ist davon nicht ausgenommen …