Interview mit Steve Kühne von der SAV Dresden
Was sind die Ausmaße der Hochwasserkatastrophe in Dresden und umliegenden Orten/in Sachsen? Wie schlimm sind die Menschen betroffen?
Die Ausmaße der Flutkatastrophe sind dramatisch, vor allem deshalb, weil erst vor elf Jahren ein – in seiner Größe ganz ähnliches – Hochwasser den Südosten Deutschlands heimgesucht hat. In Meißen, nördlich von Dresden, steht linkselbisch beinahe die gesamte Altstadt unter Wasser. Beispielsweise auch das Theater, das erst vor wenigen Jahren dutch eine aufwendige Sanierung von den Flutschäden von 2002 befreit worden war. Je nach Lage der Häuser stehen Keller Erdgeschoss oder das erste Obergeschoss unter Wasser. Meißen ist zudem faktisch zweigeteilt, da trotz der aufopferungsvollen Bemühungen der freiwilligen Helfer, des THW und der Feuerwehr sowohl die Altstadt-, als auch die Neustadtbrücke flutbedingt geschlossen werden mussten.
In Dresden sind 8000 Haushalte ohne Strom, mehrere Stadteile stehen unter Wasser. Tausende Menschen mussten evakuiert werden und wohnen in Notunterkünften. Viele Menschen haben mitansehen müssen wie ihr Hab und Gut oder ihr Geschäft in den Fluten versanken. Man konnte in den letzten Tagen quasi zusehen wie der Pegel anstieg und man konnte fast nichts tun. Das und die Tatsache, dass viele Betroffene noch ihre Kredite, mit denen sie die Schäden der letzten Überschwemmung beseitigten, abzahlen, lässt so manchen verzweifeln.
Wie wird aktuell Hilfe organisiert und von wem?
Die Hilfen werden unterschiedlich organisiert, zuerst natürlich von den Krisenstäben. Die setzen Kräfte der Bundeswehr, der Feuerwehr, des THW und der Polizei ein. Aber die Menschen helfen sich auch selbstorganisert, über Facebook und manchmal auch über Mundpropaganda. Viele Leute laufen einfach nach der Arbeit durch die Straßen und fragen gezielt nach, ob sie helfen können. Im Grunde wird jede Hand gebraucht, ob zum Leerräumen von Geschäften, zum Füllen von Sandsäcken oder zum Bau von Behelfsdämmen.
Da ist auch irgendwie der Knackpunkt. Mancher hat telefonisch bei der Stadt nachgefragt und die Auskunft erhalten, Hilfe sei nicht oder nicht mehr nötig. Wenn man aber los läuft findet man dann oft vieler Orten Menschen, die dringend Unterstützung brauchen. Jeder der helfen will sollte also, wenn er eine Absage von öffentlichen Stellen erhalten hat, über Facebook Informationen einholen oder nachfragen gehen.
Insgesamt ist die Welle der Solidarität untereinander, wie auch schon 2002, beeindruckend. Im Grunde fassen alle mit an. Das ist auch ein Hoffnungsschimmer für diejenigen, die in elf Jahren zum zweiten oder gar dritten Mal im Wasser versinken. Selbst wenn es an vielen Orten, trotz allen Kampfes – so muss man es wirklich nennen – , nicht gelang die Fluten zum Stehen zu bringen, ist allein die Hilfbereitschaft für Viele schon eine große Ermutigung.
Viele sagen, die Lehren aus der Flutkatastrophe 2002 wurden nicht gezogen. Welche Fehler wurden gemacht? Hätte die Zerstörung verhindert werden können?
Im Einzelnen lässt sich das zum jetzigen Zeitpunkt schwer sagen. Viele haben auch im Moment nicht das Bedürfnis über Fehler und Versäumnisse zu sprechen. Es überwiegen zurzeit die elementaren Dinge. Deshalb nur ganz verkürzt: Ja, es wurden Lehren gezogen. An vielen Orten haben sich Menschen für eine Verbesserung des Hochwasserschutzes eingesetzt und das oft auch mit Erfolg. THW und Feherwehr sind besser ausgerüstet als 2002. In Dresden gibt es Fluttore und Deiche wurden neu gebaut und erhöht. Aber es ist auch deutlich zu sehen, dass insgesamt zu wenig passiert ist. Von den 350 angedachten Projekten sind nur etwa 80 verwirklicht worden. Einige umgesetzte Projekte sind falsch konzipiert. Die Pumpwerke, die gegen einbrechendes Wasser und Grundwasser helfen sollten scheinen oft zu schwach konzipiert zu sein. Mancher Deich erscheint bei Fluthöhen von 8,74 in Dresden und über 10 Meter in Meißen lächerlich niedrig.
In Meißen begann die Altstadt zuzulaufen, als der Pegel der Elbe 7.85 Meter überschritt, weil die Mauer, die die Altstadt schützen sollte nur bis zu dieser Höhe half – und das obwohl der Elbpegel bereits 2002 10,40 Meter betrug.
Es wurden 600 Millionen Euro in den Hochwasserschutz gesteckt. Für sich genommen klingt das viel, aber gemessen an der Fläche, an der Vielzahl der geplanten und umgesetzten Projekte, ist es einfach nzu wenig gewesen. Besonders, wenn man weiß, was bei Rüstungsprojekten wie „Eurohawk“ und „Eurofighter“ oder bei der Bankenrettung so versenkt wurde.
Was kann die LINKE tun?
Naja, zum Einen sicherlich mehr druck machen für einen besseren Hochwasserschutz. Das heißt vor allem auch die Bevölkerung in die Planung mit einzubeziehen. Die AnwohnerInnen wussten schon 2002 sehr genau wann und wo das Wasser kam, was zum Schutz gefehlt hat und was ausreichend vorhanden war.
Außerdem kommen diese Katastrophen nicht irgend woher. Sowohl im Stalinismus und Kapitalismus sind mit Flüssen wie der Elbe furchtbar umgegangen worden: Sie wurden begradigt, das Flussbett wurde eingeengt, Auen, die helfen, dass das Hochwasser versickert, wurden bebaut (was man in Dresden übrigens glücklicherweise unterlassen hat). Der Kapitalismus brachte uns den Klimawandel und mit ihm eben auch Wetteranomalien wie diesen völlig verregneten Mai.
Damit will ich nicht sagen, dass es im Sozialismus keine Naturkatastrophen geben würde – das wäre grotesk. Aber der Umgang mit der Natur wäre ein anderer und der Umgang mit Ereignissen wie der Flut wäre es ebenso.
Wer in Hochwassergebieten lebt, hätte eben, anders als viele Betroffene heute, eine entsprechende Versicherung, weil die verstaatlichten Versicherungen das Wohl der Menschen und nicht ihren Profit im Auge hätten. Eine demokratische geplante Wirtschaft würde während eines solchen Ereignisses dringend benötigtes Gerät – Bagger, Schaufeln, Sand, Pumpen – requirieren und nicht hilflos zusehen wie einige windige Geschäftsleute die Preise dafür in die Höhe treiben. Und sie würde die Grundlage dafür legen, dass nach einer Flut die Wiederaufbau- und Aufräumarbeiten in den Regionen von den Betroffenen und den Helfern gemeinsam geplant und zügig umgesetzt würde.
Im Augenblick muss DIE LINKE fordern die Menschen in den von Flutkatastrophen bedrohten Regionen in den Hochwasserschutz mit einzubeziehen. Das heißt, dass die Leute, die dort wohnen – am besten in Form gewählter VertreterInnen – die zu treffenden Maßnahmen planen und mit Hilfe von Ingenieuren und Sachverständigen umsetzen. Aktuell geht es auch um die Fluthilfe. Meißen zahlt Familien als Sofortmaßnahme 400,00 Euro pro Person, maximal 2.000 Euro pro Familie. Für Leute, die alles verloren haben ist das zu wenig. Wie soll es mit denen weiter gehen? Sie dürfen nicht schon wieder gezwungen sein Kredite aufzunehmen. Sie haben nichts falsch gemacht, sie sind an der Situation vollkommen schuldlos. Deshalb müssen sie entschädigt werden – in vollem Umfang. Dafür muss sich DIE LINKE einsetzen.
Insofern muss DIE LINKE beides sein: Eine Partei, die sich – anders als die Grünen – konsequent für Umweltschutz einsetzt und eine Partei, die für ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem eintritt.