Bericht vom Sozialismustag in Berlin 2013
Am Samstag, dem 8. Juni trafen sich im Haus der Demokratie in Berlin neunzig Menschen, um über die Krise des Kapitalismus und mögliche Alternativen im Rahmen des Sozialismustags zu diskutieren. Während in den letzten Jahren die Sozialismustage als bundesweites Event zu Ostern stattfanden, wurde dieses Jahr entschieden, regionale Veranstaltungen durchzuführen, um mehr Menschen in verschiedenen Orten eine Teilnahme zu ermöglichen.
Südafrika vor einer Revolution?
Der Tag begann mit einer Diskussion zur Streikbewegung der Bergarbeiter in Südafrika und zu der neuen Arbeiterpartei WASP (Workers and Socialist Party). Dazu sprach Alec Thraves von der englischen Socialist Party (Schwesterorganisation der SAV) über seinen Besuch in Südafrika. Er berichtete über die Streikbewegung der Bergarbeiter gegen unmenschlichen Arbeitsbedingungen und für höhere Löhne. Er beschrieb die katastrophalen Lebensbedingungen der südafrikanischen Arbeiterklasse und das Massaker von Marikana, bei dem im August 2012 34 Bergarbeiter getötet wurden. Kern seines Beitrags waren aber die enormen Kämpfe und Streiks der ArbeiterInnen, die Südafrika zum „Zentrums des weltweiten Widerstandes“ machen. Aus diesem Widerstand ist die WASP, die in diesem Frühjahr gegründet wurde, entstanden. Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der LINKEN, der sich auch mit dem Schwerpunkt Afrika beschäftigt, referierte über das Ende der Apartheid in Südafrika. Er beschrieb den Wandel des ANC von einer Partei, die den Widerstand angeführt hat, zu einer Partei, die die Interessen der Reichen und der Minenkonzerne notfalls auch mit Waffengewalt durchsetzt. Die Rolle der ANC war auch Thema der Diskussion. Zur Zeit der Apartheid gab es eine große Unterstützung des ANC durch die europäische Arbeiterbewegung und durch die Linke. Diese Unterstützung muss nun vollständig entzogen werden und neue Solidarität für die Kämpfe der südafrikanischen Arbeiterbewegung organisiert werden. Als ein Schritt wurde diskutiert, dass die LINKE der WASP ihre Unterstürzung aussprechen sollte.
Anti-Sexismus
Nach diesem Auftaktpodium begann ein Block mit workshops zu der LINKEn im Bundestagswahlkampf, zu den Erfahrungen der britischen Gewerkschaftsklinken und zu dem Kampf gegen Sexismus in Gewalt gegen Frauen. Hier berichteten verschiedene AktivistInnen von Linksjugend [’solid] über die erfolgreichen Kampagne „Occupy Barbie Dreamhouse“, die sich gegen sexistische Rollenklischees für Mädchen und junge Frauen wendet. Außerdem wurden verschiedene internationale Kampagnen gegen Gewalt gegen Frauen, für Wahlfreiheit von Frauen im Fall von Abtreibung und gegen die Verharmlosung von Vergewaltigungen vorgestellt. Die AktivistInnen waren sich einig, auch weiter gegen Sexismus aktiv zu bleiben und für die Demo gegen sexistische Außenwerbung am ersten September in Berlin zu mobilisieren. Die Diskussion wurde mitgeschnittenen und ist in den nächsten Tagen als Podcast auf www.rosareloaded.de, dem Blog der SAV zur Geschlechterpolitik zu lesen.
Wahlkampf als Klassenkampf
Gut besucht war der workshop „Opposition oder Anpassung? Die LINKE im Bundestagswahljahr“. Hier sprachen Heidrun Dittrich und Harald Koch (beide Mitglied des Bundestags für DIE LINKE) und Lucy Redler (SAV-Bundessprecherin und Mitglied von LINKE und AKL) darüber, wie ein bewegungsorientierter, eigenständige Oppositionswahlkampf aussehen könne. Auch die Frage, wie sich DIE LINKE zur Eurofrage verhalten solle, spielte in der Diskussion eine Rolle.
In einem spannenden workshop zu den Erfahrungen der britischen Gewerkschaftslinken berichtete Alex Thraves von der Arbeit des Vertrauensleute-Netzwerks National Shop Stewards Network (NSSN) und der Rolle, die kleine linke Gewerkschaften wie die PCS und die RMT spielen, um den Druck auf den britischen Gewerkschaftsdachverband für die Durchführung kämpferischer Streikaktionen zu erhöhen.
In was für einer Krise leben wir?
Am Nachmittag fand das Podium „Finanzkrise oder Krise des Kapitalismus“ mit Thomas Fricke (ehemaliger Chefökonom der Financial Times Deutschland und Autor von „Wieviel Bank braucht der Mensch“) und mit Winfried Wolf (marxistischer Ökonom und Herausgeber der Zeitschrift Lunapark 21) statt. Die Debatte über den Charakter der Krise mit diesem interessant zusammen gesetzten Podium verfolgten achtzig BesucherInnen. Viele beteiligten sich mit eigenen Ideen an der Diskussion. Thomas Fricke beschrieb in seinem Input die Krise eines deregulierten Finanzmarktes und entwarf einen Plan, die Finanzmärkte zu bändigen. Winfried Wolf und weitere Beiträge aus dem Publikum betonten, dass die aktuelle Weltwirtschaftskrise nicht nur eine Krise der Finanzmärkte, sondern vor allem auch eine Krise der materiellen Produktion sei. Dabei handele es sich nicht nur um eine zyklische (Überproduktions)-Krise, sondern um eine Tiefe systemische Krise des Kapitalismus.
Von Einzelhandel bis Charité: Erneuerung durch Streik
Den Abschluss des Sozialismustags bildete ein gut besetztes Podium zum Thema „Erneuerung durch Streik“. Dana Lützkendorf von ver.di Charité, der oppositionelle Betriebsrat der Alternativegruppe von Daimler-Marienfelde Waldemar Derda, Johannes von Simons von der jungen GEW und René Kiesel aus dem SAV-Bundesvorstand diskutierten darüber, wie die Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen werden und welche Erfahrungen wir aus den Streiks an der Charité und der angestellten LehrerInnen ziehen können. In der Diskussion wurde unter anderem die Frage behandelt, wie Kämpfe – auch der Beschäftigten im Einzelhandel – synchronisiert werden und auch prekarisierte KollegInnen einbezogen werden können. Dana Lützkendorf rief alle im Raum dazu auf, die KollegInnen an der Charité zu unterstützen. Das werden wir gern tun.
So war der Sozialismustag eine gelungene Mischung aus theoretischen Diskussionen und sehr praktischen Fragen für die Organisierung von Kämpfen.