Die bürgerliche Zeitung „Kathimerini“ stellte am 10. März bei SYRIZA dem „Bündnis der Radikalen Linken“ und Schwesterpartei der LINKEN in Griechenland eine „realistische Wendung“ fest. Jannis Dragasakis von der SYRIZA-Führung spricht in diesem Zusammenhang von einer „gewaltsamen Reifung“.
von Hubert Schönthaler, Köln
Kräfte an der Spitze von SYRIZA setzen sich immer stärker von den auf der Konferenz 2012 gefassten linken Beschlüssen ab und beziehen nach und nach gemäßigtere Positionen.
So wird die Losung einer „Regierung der Linken“ de facto aufgegeben. Beispielsweise erklärte der Parteivorsitzende Alexis Tsipras auf die Frage, mit wem er regieren wolle: „Wir würden es wollen, dass sowohl die KKE [die Kommunistische Partei Griechenlands] als auch ein Teil der Sozialdemokratie und Teile der Mitte und des patriotischen Raumes und der volksverbundenen Rechten eine linke Regierung zur Rettung des Volkes unterstützen (…)“.
Zudem werden Privatisierungen von Führungspersonen der Partei nicht mehr prinzipiell abgelehnt. Neben dem weiterhin als schädlich betrachteten Verkauf von öffentlichem Eigentum „entdeckt“ man plötzlich positive Investitionen, die vom Privatkapital stammen sollen. Auch bisherige Forderungen wie nach Kontrolle und Verwaltung durch Beschäftigte und Gesellschaft waren in letzter Zeit kein Thema mehr. Das Ziel Sozialismus findet ebenfalls immer weniger Erwähnung.
„Xekinima“, die Schwesterorganisation der SAV in Griechenland, stellt fest, dass SYRIZA gleichzeitig „die Dynamik verliert, die es vor den Wahlen [von Mai und Juni 2012] entwickelt hatte“.
Warum diese „realistische Wendung“?
Die Ursache für diese Rechtsentwicklung der SYRIZA-Führung liegt in der Tatsache begründet, dass sie vor einem offenen Bruch mit dem kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zurückschreckt.
In einer aktuellen Umfrage von „Public Issue“ kommt SYRIZA auf 27,5 Prozent und liegt damit nur einen Prozentpunkt hinter den Konservativen, der Partei Nea Dimokratia (die aktuell zusammen mit der sozialdemokratischen PASOK und der Demokratischen Linken DIMAR die Regierung bildet). Als mögliche stärkste Partei und künftige Regierungskraft erhöht sich der Druck der Kapitalisten auf SYRIZA. Die Führung der Partei gibt diesem Druck gegenwärtig nach, geht politisch nach rechts und macht weitere Schritte in Richtung Anpassung an das System.
Allerdings steht die SYRIZA-Führung von zwei Seiten unter Druck. Einerseits von Seiten der herrschenden Klasse. Andererseits üben ArbeiterInnen und weitere Schichten der Bevölkerung ebenfalls Druck auf die Führung aus. Da es trotz wichtiger Proteste im Klassenkampf nach 20 Generalstreiks in zwei Jahren und einer gewissen Erschöpfung momentan etwas ruhiger ist und viele einfach ums täglich Brot kämpfen müssen, ist der Druck von unten im Augenblick etwas schwächer geworden. Trotzdem ist die weitere Ausrichtung der Partei nicht endgültig entschieden. Viel wird von den Mitgliedern seit Oktober 2012 ist SYRIZA von 10.000 auf heute gut 30.000 angewachsen , von der Parteilinken und von den Auseinandersetzungen in Wirtschaft und Gesellschaft abhängen.
Die linke Opposition in SYRIZA
Ende letzten Jahres hat sich in der Partei eine „Linke Plattform“ formiert. Ihre linke Kandidatenliste (zu der auch ein Mitglied von „Xekinima“ gehörte), die den bisherigen Vorstand herausforderte, kam auf 26 Prozent der 3.000 Delegiertenstimmen. Einige Forderungen wie „Keine weiteren Opfer für den Euro“ und die Ablehnung aller Schulden erhielten zwischen 40 und 45 Prozent Unterstützung.
Die „Linke Plattform“ plädiert dafür, dass SYRIZA bisherige Positionen wie die vollständige Verstaatlichung der Banken aufrechterhalten soll. Bei der Regierungsfrage verteidigt die „Linke Plattform“ die bisherigen offiziellen Positionen von SYRIZA für eine „Regierung der Linken und nicht eine Regierung von Mitte-Links-Kräften oder von Mitte-Links-Kräften mit rechten Anhängseln“. Außerdem schlägt sie vor, gegenüber Kräften wie KKE und ANTARSYA [„Antikapitalistische linke Kooperation für den Umsturz“, ein Bündnis mehrerer Organisationen der radikalen Linken] Einheitsfrontangebote zu machen.
Was ist jetzt zu tun?
Für „Xekinima“ stellt sich nun die Aufgabe, dass die innerparteiliche Opposition den eingeschlagenen Weg fortsetzt und in die Offensive kommt: „Die linke Basis von SYRIZA muss sich formieren, um ihre eigenen politischen Positionen zu klären und vor allem diese öffentlich zu erklären.“
Sehr wichtig wird angesichts der Entwicklung von SYRIZA und der Skepsis von Teilen der arbeitenden Bevölkerung gegenüber dieser Formation die Zusammenarbeit kämpferischer und sozialistischer Gruppen und Organisationen, die auf SYRIZA und eine mögliche SYRIZA-geführte Regierung wirksam Druck ausüben können, eine sozialistische Politik zu betreiben.
Hier spielt die von „Xekinima“ mitangestoßene „Initiative der 1.000“ eine wichtige Rolle. In dieser Initiative arbeiten verschiedene Kräfte der kämpferischen und sozialistischen Linken über Partei- und Bündnisgrenzen hinweg zusammen und treten für die Zusammenarbeit von SYRIZA, KKE, ANTARSYA und anderen Kräften ein. Die „Initiative der 1.000“ „unterstützt die Aussicht auf eine Linksregierung im vollen Wissen, dass solch eine Entwicklung nicht das Ende vom Lied ist, sondern einen neuen Aufschwung der Bewegung markieren wird“. Eine Kernaussage der „Inititiative“ lautet: „Es gibt keine Lösung für das soziale und ökonomische Desaster in unserem Land im Rahmen des kapitalistischen Systems.“
Aus Sicht der „Initiative“ müssten zu den programmatischen Eckpunkten einer Linksregierung Forderungen gehören wie „Einstellung aller Schuldenzahlungen“, „Rücknahme aller Memoranda [Kürzungsprogramme]“, „Verstaatlichung der Banken“, „Verstaatlichung von entscheidenden und strategischen Wirtschaftsbereichen und Unternehmen“, „echte Demokratie, Einrichtung einer Kontrolle und Verwaltung durch die Gesellschaft und die Beschäftigten in allen Sektoren der Wirtschaft“ und „ein Plan für den Wiederaufbau der Produktionsbereiche und der ganzen Wirtschaft“.
Zum Jahresanfang lud die „Initiative der 1.000“ zu einer Reihe öffentlicher Veranstaltungen ein. So kamen beispielsweise über 200 Menschen zu einer Versammlung in Thessaloniki, bei der unter anderem auch der Parlamentsabgeordnete der irischen Socialist Party (CWI), Joe Higginis, auftrat.
Neben programmatischen Diskussionen ist die gemeinsame Organisierung von Kämpfen ein Ziel dieser Initiative. Als nötig betrachtet wird die Bildung von Komitees in den Betrieben und Nachbarschaften. Solche Strukturen könnten auch helfen, sich gegen die Gefahr von Rechts, konkret gegen die faschistische „Goldene Morgenröte“, zu schützen. Außerdem müsste sich eine künftige Linksregierung auf solche Komitees und auf eine Massenmobilisierung stützen, wenn sie die Konfrontation mit den Herrschenden eingehen will.
„Xekinima“ ist der Ansicht, dass ein sozialistisches Griechenland einen internationalen Appell starten müsste, dass ArbeiterInnen und Jugendliche in Portugal, Spanien und Italien den gleichen Kurs einschlagen müssten, um einem Aufschwung von Klassen- und Machtkämpfen hin zu einer sozialistischen Föderation von Europa den Weg zu ebnen.
Der große Ausverkauf
„Der griechische Pferdewettsport kommt unter den Hammer“ (FAZ vom 12. April). Aber nicht nur das Wettgeschäft wird privaten Spekulanten angeboten.
Woche für Woche kommen neue Ausschreibungen des griechischen Privatisierungsfonds Hellenic Republic Asset Development Fund (HRADF) auf den Markt. Die Troika hat ganze Arbeit geleistet und dafür gesorgt, dass in Griechenland die Privatisierungswelle rollt. Hedge-Fonds und Private-Equity-Gesellschaften reiben sich die Hände.
Alles ist zu haben: Schnellstraßen, Häfen, Flughäfen, Hotels, Post, Gas- und Wasserwerke und und und. Verschiedene Fonds, aber auch Scheichtümer wie Katar, sind derweil dabei, sich die Inselflughäfen unter den Nagel zu reißen. Der Emir von Katar selber ist jedoch auch nicht untätig er hat soeben einem Privatinvestor sechs griechische Inseln abgekauft.