DIE LINKE und die Banken

Foto: http://www.flickr.com/photos/erwinrommel/ CC BY 2.0
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Welches Programm gegen Bankenmacht?

Ob Zypern“rettung“, Steueroasen, Blockupy – immer wieder muss DIE LINKE zur Frage der Banken Position beziehen. Die Stellungnahmen unterscheiden sich deutlich vom neoliberalen Einheitsbrei der übrigen Parteien. Aber sind sie ausreichend?

von Wolfram Klein, Stuttgart

In den Jahren seit der Pleite von Lehman Brothers im Herbst 2008 wurden in Deutschland 285 Milliarden Euro zur Bankenrettung aufgewendet, weitere 65 Milliarden für die europäischen Rettungspakete, bei denen es sich in Wirklichkeit auch um Maßnahmen zur Bankenrettung handelte. Diese Zahlen nannte Gregor Gysi am 18. April in der Bundestagsdebatte zur Zypern“rettung“. DIE LINKE hat als einzige Fraktion im Bundestag alle diese Rettungspakete abgelehnt – völlig zu Recht.

Bankenrettung und -abwicklung

Aber was ist die Alternative zur Bankenrettung? Im Entwurf des Wahlprogramms fordert der Parteivorstand, dass bei einer Insolvenz und Neustrukturierung zunächst die Eigentümer und Gläubiger zur Kasse gebeten und Einlagen von KleinsparerInnen bis 100.000 Euro abgesichert werden müssen. Genau so wurde mit der Laiki Bank und der Bank of Cyprus in Zypern verfahren. Gysi hat in der erwähnten Rede die Folgen völlig richtig angeprangert, dass dadurch die Pensionskassen und die Klein- und mittelständischen Betriebe teilweise enteignet werden.

Warum? Die Banken sind kein Fremdkörper im Kapitalismus. Finanzsektor und „Realwirtschaft“ sind eng miteinander verflochten. Der größte Teil des Geldverkehrs läuft nicht über Bargeld, sondern über Bankkonten. Unternehmen finanzieren Investitionen über Bankkredite. Auch Ersparnisse der arbeitenden Bevölkerung sind meistens auf der Bank. (Auch die Zunahme der „Verbriefung“, des Ersetzens von Krediten durch an Finanzmärkten gehandelte Wertpapiere, macht Banken nicht überflüssig, weil Banken eine zentrale Rolle bei diesem Handel spielen.) Eine Abwicklung der Banken hat deshalb auch massive Auswirkungen auf den Rest der Wirtschaft. Wenn Bankenrettungen damit begründet wurden, dass die Banken „systemrelevant“ seien, war das nicht an den Haaren herbeigezogen. Aber für MarxistInnen ist die Schlussfolgerung nicht, marode Banken mit riesigen Steuermitteln zu retten, sondern die Abwicklung solcher Banken mit Eingriffen in die „Realwirtschaft“ zu verbinden, die die Masse der Bevölkerung vor negativen Folgen schützen.

Den Finanzsektor schrumpfen?

DIE LINKE fordert in ihrem Wahlprogramm-Entwurf weiter, „den Finanzsektor in seinem Volumen erheblich zu schrumpfen und seine ökonomische wie politische Machtposition zurückzudrängen“. Den Finanzsektor zu schrumpfen, würde die Vernichtung von fiktivem Kapital (Entwertung von Aktien, Staatsanleihen, anderen Wertpapieren, Immobilien et cetera) in großem Stil bedeuten. Man kann sagen, dass der Kapitalismus in seinen Finanzkrisen haargenau das ohnehin macht.

Aber es ist kein Zufall, dass die bürgerlichen Politiker versuchen, aus diesen Krisen herauszukommen, indem sie beim Aufbau neuer Spekulationsblasen nachhelfen – obwohl sie wissen (müssten), dass damit die nächste verheerende Krise programmiert ist. Solche Spekulationsblasen, eine solche Aufblähung von fiktivem Kapital, stimulieren auch das Wachstum der „Realwirtschaft“. Tatsächlich hat der Kapitalismus schon so weit abgewirtschaftet, dass selbst die bescheidenen Wirtschaftsaufschwünge der letzten Jahre ohne diesen Stimulus noch mickriger gewesen wären (die Krisen dazwischen allerdings auch geringer).

Den Finanzsektor zu schrumpfen und den Kapitalismus beizubehalten, ist keine attraktive Perspektive.

Kapitalistische Utopie oder Sozialismus?

Leider hat man bei vielen Stellungnahmen in der Linkspartei das Gefühl, dass gerade nach so etwas gesucht wird: einer kapitalistischen Perspektive ohne Übermacht des Finanzsektors, mit weniger Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich, zwischen Deutschland und Südeuropa. Und erst wenn man das erreicht hat, soll dann der Sozialismus als Fernziel kommen.

Die Reformen, für die wir hier und heute kämpfen, machen nur dann Sinn, wenn wir sie als Schritte zum Sozialismus verstehen, als Anlauf für den Sprung in eine andere Gesellschaft. Wenn DIE LINKE fordert, die privaten Banken zu vergesellschaften und auf das Gemeinwohl zu verpflichten, ist das gut als Brücke zum Sozialismus (wobei „Verstaatlichung bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung“ klarer wäre als „Vergesellschaftung“). Im Rahmen des Kapitalismus wäre es ein Hohn, Banken aufs „Gemeinwohl“ zu verpflichten und sie dann an kapitalistische Unternehmen Kredite geben zu lassen, damit diese Beschäftigte ausbeuten und die Umwelt zerstören, um Produkte mit fragwürdigem Gebrauchswert herzustellen.

Banken und Steueroasen

Banken, die mit dem Steuergeld der arbeitenden Bevölkerung gerettet wurden, helfen danach ohne Hemmungen ihren reichen Kunden, ihr Geld in Steueroasen zu verstecken, statt es in Deutschland zu versteuern.

Es ist völlig richtig, das zu skandalisieren. Ebenso richtig ist es, wenn zum Beispiel Sahra Wagenknecht betont, dass das nicht hinter dem Rücken der Regierung stattfand, sondern von ihr politisch begünstigt wurde. Ideologische Sprachrohre der Herrschenden wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ verteidigen in der aktuellen Debatte ganz offen Steueroasen, die mit ihren niedrigen Steuern den einheimischen Steuersätzen Konkurrenz machen. Aus ihrer Sicht hält nur das die Staaten davon ab, „maßlose“ Steuern zu verlangen. So stellen diese Ideologen die Realität auf den Kopf.

Die Superreichen werden weiterhin mit allen legalen und illegalen Tricks versuchen, sich ums Steuerzahlen zu drücken. Bei Änderungen im Steuerrecht würden sie nicht nur viel unternehmen, um die neuen Gesetze zu umgehen. Sie würden auch ihre Machtmittel – angefangen mit der Drohung mit Kapitalabfluss oder „Investitionsstreik“ – nutzen, um die Einführung schärferer Steuergesetze zu erschweren. Das spricht nicht gegen Forderungen nach einer höheren Besteuerung der Vermögenden. Aber es spricht dafür, sich auf heftige Konflikte einstellen zu müssen und darauf hinzuarbeiten, den Kapitalisten komplett das Handwerk zu legen, indem wir sie entmachten und enteignen.

Vorbild Island?

In der Zypern-Debatte wurde teils, zum Beispiel von den LINKE-Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht und Andrej Hunko, Island als Vorbild genannt.

Es stimmt, dass es in Island keine soziale Katastrophe wie etwa in Griechenland gegeben hat. Aber die sozialen Folgen der Bankenabwicklung waren auch in Island beträchtlich.

Die Inflation betrug 2008 12,4 Prozent und 2009 zwölf Prozent und schwankt seitdem um fünf Prozent – in einem Land, in dem die meisten Kredite an die Inflation gekoppelt sind, also bei zwölf Prozent Inflation Schulden automatisch um zwölf Prozent ansteigen. Die Schulden der Privathaushalte stiegen 2009 auf 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die Schulden der Unternehmen Ende März 2008 auf 360 Prozent des BIP. Der Rückgang seitdem kam nur zustande, weil nicht eintreibbare Schulden gestrichen wurden.

Der private Konsum sank 2008 um 7,8 Prozent, 2009 um 15 Prozent und stagnierte 2010. Erst seit 2011 steigt er wieder langsam um rund drei Prozent pro Jahr. Von 2007 bis 2011 stieg die Zahl der Haushalte in finanziellen Schwierigkeiten von 28,4 auf 51,5 Prozent.

Dabei waren die Folgen der Krise keineswegs sozial gerecht verteilt. Die Haushaltsausgaben des reichsten Viertels der Haushalte sanken von 2008 bis 2010 um 6,5 Prozent, die des ärmsten Viertels um 28,1 Prozent.

Ein Grund dafür, dass die Wirtschaft wieder langsam wächst, ist, dass die Abwertung der isländischen Krone (2007 bekam man für 100 Kronen 1,14 Euro, 2009 58 Cent, 2012 trotz Euro-Krise immer noch 62,5 Cent) isländische Exporte begünstigte und das Land für TouristInnen attraktiver machte. Länder der Euro-Zone haben diese Möglichkeit nicht.

Wolfram Klein gehört dem Vorstand der LINKEN in Stuttgart-Bad Cannstatt an