DIE LINKE sollte im Wahlkampf Alternativen zur kapitalistischen Krise aufzeigen und den Widerstand stärken
Angela Merkel ist sicherlich die meistgehasste Politikerin in Europa. Doch während ein Regierungschef nach dem anderen abgewählt wird, erfreut sich die Kanzlerin in Deutschland fünf Monate vor der Bundestagswahl hoher Umfragewerte.
von Aron Amm, Berlin
Merkels Durchschnittswert von + 2,2 auf der Skala von + 5 bis 5 im ZDF-Politbarometer bedeutet indes keine Unterstützung für den Kurs ihrer Partei. Seit dem Amtsantritt von Schwarz-Gelb im Bund 2009 wurde auf Länderebene eine Wahl nach der anderen vergeigt. Zudem gibt es weitverbreitete „Zweifel an der Wirtschaftsordnung“ (Michael Hüther, Ex-Chefvolkswirt der Deka-Bank).
Auf Bundesebene hilft Merkel & Co. das Dauertief der SPD, die sich bis heute nicht von den Folgen ihrer Hartz-IV-Politik erholen konnte. Von der Ich-AG zum „Wir“-Gefühl dieser Wechsel ist mit Peer Steinbrück schwer zu machen.
Euro-Politik
Was Merkel derzeit hilft, ist die Unsicherheit großer Teile der Bevölkerung angesichts der Dauer-Turbulenzen in der Euro-Zone. Auch wenn die Mehrheit mit der Regierungspolitik nicht einverstanden ist, sagen viele: „Wenigstens verteidigt Merkel unser Geld.“
Zwar richtet sich der Troikanische Krieg nicht nur gegen die Arbeiterklasse in Südeuropa, sondern auch hierzulande. Leider wird das derzeit aber von etlichen nicht klar gesehen. Was auch an der heutigen Gewerkschaftsführung liegt. Die Behauptung des IG-Metall-Vorsitzenden Berthold Huber in einem Interview Ende 2012, dass die spanischen GewerkschafterInnen mit ihren Lohnforderungen den eigenen „Standortvorteil“ verspielen würden, spricht Bände.
Nach der Wahl kann es knallen
Im April signalisierte erstmals eine Umfrage eine Mehrheit für Schwarz-Gelb. Vor Monaten noch undenkbar, kann das tatsächlich nicht mehr ausgeschlossen werden. Jedenfalls hätten die meisten Kapitaleigner da sie Merkels Linie in der Euro-Krise (noch) teilen nichts dagegen. Allerdings könnte die „Alternative für Deutschland“ (AfD) FDP und Union einen Strich durch die Rechnung machen.
Ganz gleich, ob es zu einer Fortsetzung der CDU/CSU/FDP-Koalition nach dem 22. September kommt oder zu einer Neuauflage der Großen Koalition oder doch zu Rot-Grün (wobei auch die Kontaktaufnahme zwischen Unions- und Grünen-Politikern nicht abreißt): Die kommende Regierung wird rasch in unruhiges Fahrwasser geraten. Die Weltwirtschaft wird nur von der expansiven Geldpolitik der Notenbanken gestützt was eine neue Spekulationsblase, unter anderem auf den Aktienmärkten, nährt. Zudem wird die ungelöste Euro-Krise bald auch im exportabhängigen Deutschland durchschlagen. Für Europas Automarkt droht sich 2013 „zu einem Horrorjahr zu entwickeln“ (Peter Fuß von der Unternehmensberatung „Ernst & Young“).
Ex-Kanzler Gerhard Schröder forderte in diesem Frühjahr bereits eine Agenda 2020. Nach dem 22. September werden die jetzigen bürgerlichen Wahlkämpfer, egal in welcher Regierungskonstellation, Pläne wie das Rösler-Papier (keine Mindestlöhne, mehr Zeitverträge, weniger Kündigungsschutz) wieder hervorkramen. Ein „Sparpaket“ und Angriffe auf die Sozialversicherungen sind zu befürchten. Errungenschaften der Arbeiterklasse werden „auf den Prüfstand“ kommen.
„Eissturm“ in den Betrieben?
Herbst 2012: In Sindelfingen versteht der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erich Klemm die Welt nicht mehr denn der Daimler-Vorstand stellt von sich aus das Co-Management in Frage und geht auf direkten Konfrontationskurs in Sachen Flexibilisierung.
Frühjahr 2013: Die Arbeitgeber kündigen die Manteltarifverträge im Einzelhandel und suchen den offenen Konflikt mit ver.di.
Zwei Beispiele, die eine Ahnung davon geben, was auf uns zu kommt (auch wenn Dieter Zetsche im S-Klasse-Streit wieder einen Rückzieher machte). Im bürgerlichen Lager werden offenbar die Stimmen lauter, die den bisherigen Krisenkorporatismus nicht mehr für „zeitgemäß“ halten.
DIE LINKE muss den Unterschied machen
Umso wichtiger, dass DIE LINKE wieder möglichst stark in den Bundestag einzieht, das Wahljahr nutzt, um die Partei weiter aufzubauen und damit einen Bezugspunkt für künftige Protestbewegungen schafft. Zentral sind konkrete Forderungen zur Euro-Krise und zu anderen brennenden Fragen , mit denen sich die Linkspartei klar von der neoliberalen Einheitspartei CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNE unterscheidet.
Eine kämpferische sozialistische Partei zeigt ihren „Gebrauchswert“ im Wahlkampf am Besten, indem sie nicht nur Wahlkampfmaterial verbreitet (was natürlich notwendig ist), sondern sich aktiv in gesellschaftliche Auseinandersetzungen einmischt. So sollte die Partei ihre Positionen nutzen und ihre Mitglieder mobilisieren, um den Beschäftigten im Einzelhandel, an der Charité sowie den angestellten LehrerInnen Rückhalt zu geben und für öffentliche Unterstützung zu werben. Außerdem gilt es, sich in Konflikte vor Ort zum Beispiel gegen Mietwucher und gegen profitorientierte Großprojekte einzumischen und sich darüber weiter zu verankern.
Aron Amm ist Mitglied der SAV-Bundesleitung