Dieser Artikel erschien zuerst in der Solidarität – sozialistische Zeitung Nr. 122 und wurde am 21. April und damit vor dem letzten Warnstreik der Lehrkräfte geschrieben.
Lehrkräfte kämpfen weiter
In den Verhandlungen zum Tarifvertrag der Länder haben die Arbeitgeber die Lehrkräfte auflaufen lassen. In Berlin kontern Angestellte jetzt mit Streiks auch an Prüfungstagen. Es geht darum, den tariflosen Zustand bei Entgelt und Arbeitszeit zu beenden und eine Anhebung der Gehälter auf das Beamten-Niveau zu erzwingen. KollegInnen in anderen Bundesländern sollten schnell nachziehen.
von Christoph Wälz, Berlin
Die Berliner Schule befindet sich im Umbruch. Mit jeder Einstellungsrunde kommen mehr Angestellte in den Dienst. Von 30.000 Lehrkräften haben bereits 8.000 den Arbeitnehmer-Status. Sie zeigen jetzt, dass sie von ihren Arbeitnehmer-Rechten Gebrauch machen. So meinte ein Aktivist der Gewerkschaft GEW: „Wir müssen jetzt Pflöcke einrammen und eindeutig klarmachen, was es heißt, Arbeitnehmer zu sein. Jetzt entscheidet sich, wie man in Zukunft mit angestellten Lehrkräften umgehen wird.“
Nach dem Ende der bundesweiten Tarifrunde hat die GEW beschlossen, jetzt zunächst an die Landesregierungen Forderungen zur Eingruppierung zu stellen. Damit soll in kampfstarken Bundesländern schnell für Präzedenzfälle gesorgt werden. Ab September sollen „bundesweite Aktionen“ folgen.
Bundesweit kämpfen
Diese Perspektive darf nicht unter den Tisch fallen. Auch wenn die Angestellten-Bewegung in Berlin stark ist mit bundesweit koordinierten Streiks im Rücken wäre sie noch stärker. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Bundesländer mit wenigen Angestellten abgekoppelt bleiben und eine bundesweite Entgeltordnung für Lehrkräfte nicht durchgesetzt wird.
Berlin zeigt, dass auch an Schulen entschlossen gekämpft werden kann. Der Aufruf zum Streik an Prüfungstagen hat dabei heftige Kontroversen hervorgerufen. Einerseits wollen KollegInnen, dass die Streiks deutlich zu spüren sind. Sie sollen die Schulen in Turbulenzen bringen. Denn: „Busfahrer streiken ja auch nicht nachts.“ Das Kalkül: Wenn Prüfungen verschoben werden müssen, dann merkt der Senat, dass wir nicht bei symbolischen Aktionen stehenbleiben. Es ist gut, dass jetzt an vielen Schulen eine große Kampfbereitschaft da ist.
Andererseits kritisieren KollegInnen, dass man SchülerInnen nicht mit Fahrgästen vergleichen kann. Sie werden über Jahre hinweg zu Prüfungen geführt, oft mit großer persönlicher Anteilnahme. KollegInnen wollen ihren SchülerInnen nicht schaden. Auch wenn es bei den Streiks darum geht, Verbesserungen für eine ganze Schülergeneration zu erkämpfen.
Für eine breite Bildungsbewegung
Diese Einwände können nicht als Angst oder mangelnde Kampfbereitschaft beiseite gewischt werden. Denn der Lehrerberuf ist mit einem hohen Ethos verbunden. Um noch viel mehr KollegInnen in die Streikbewegung einbeziehen zu können, muss auch der Rückhalt bei Eltern und SchülerInnen gestärkt werden. Eine breite Bewegung für ein grundlegend besseres Bildungssystem ist nötig, das eben nicht nur im Interesse von Lehrkräften liegt. Die Unterstützung durch Eltern und SchülerInnen fällt aber nicht vom Himmel. Durch Öffentlichkeitsarbeit und Gespräche muss ein Bündnis geschaffen werden, das einen längeren Atem für die Auseinandersetzung ermöglicht. So könnte die Kampfbereitschaft an den Schulen weiter aufgebaut werden.
Wenn es uns gelingt, eine Spaltung der Betroffenen der Bildungsmisere zu verhindern, dann kann der durch die Streikbewegung entstehende Druck auch konsequent gegen den Arbeitgeber gerichtet werden. Dann können die Streiks der Berliner Lehrkräfte vom 13. bis zum 17. Mai ein kämpferisches Beispiel mit bundesweiter Signalwirkung setzen.
Christoph Wälz ist aktiv in der GEW Berlin