„Stunde der Mobilisierung hat geschlagen“

Foto: http://www.flickr.com/photos/50208285@N00/ CC BY 2.0
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Wochenlanger Arbeitskampf im PSA-Werk bei Paris: Beginn einer neuen Streikbewegung?

„Geht Frankreich auf eine soziale Explosion zu?“ So betitelte das Magazin „Le Point“ am 5. Februar einen Artikel seiner Online-Ausgabe. Das Magazin berichtete, dass die „Zentrale Direktion für Nachrichtenbeschaffung im Inneren“ (DCRI) „Betriebe, die in Schwierigkeiten stecken, aufmerksam beobachtet“. Um das Renault-Werk von Flin (westlich von Paris) wurden Polizisten stationiert.

von Mirek Voslon, Berlin

Die jüngsten Entwicklungen nahmen am 16. Januar in der Autofabrik von PSA Peugeot Citroën in Aulnay-Sous-Bois, wenige Kilometer nordöstlich von Paris, ihren Anfang. Von den 3.000 Beschäftigen waren in der Frühschicht 250 in den Streik getreten, dann in der Spätschicht nochmal 250.

PSA-Betrieb nahe Paris im Ausstand

Von der Leitung wurde verlangt, „dass sie alle Forderungen, die von 1.600 Lohnabhängigen unterschrieben wurden, berücksichtigt: unbefristete Verträge für alle und Vorruhestand mit 55“. So Jean-Pierre Mercier, einer der Delegierten der Gewerkschaft CGT im Werk.

Das Unternehmen reagierte eine Woche lang mit Aussperrung. Seitdem versucht die Werksleitung, die Produktion wieder in Gang zu bringen. Der Ausstand dauerte bei Redaktionsschluss trotzdem weiter an. Die wenigen Karosserien, die produziert werden, gehen gleich in die Reparatur. In der Fabrik stehen die Streikenden Führungskräften aus mehreren PSA-Werken und nicht-streikenden KollegInnen gegenüber.

Ausgelöst wurde der Streik durch die Ankündigung, dass Ende Februar/Anfang März der von PSA vorgeschlagene „Sozialplan“ durch die Versetzung von Beschäftigten in andere Fabriken begleitet werden sollte. Dadurch soll eine Schicht wegfallen und die Belegschaft um 1.000 Beschäftigte verkleinert werden.

Die Belegschaft von PSA Peugeot Citroën in Aulnay kämpfen schon seit anderthalb Jahren gegen die Schließung ihres Werks. Insgesamt will PSA 8.000 Arbeitsplätze vernichten.

Streikkomitee

Die Streikenden haben ein Streikkomitee gewählt. Die Gewerkschaftsvertreter sind darin willkommen, ohne besondere Rechte gewährt zu bekommen. Das Streikkomitee ist von Anfang an bestrebt gewesen, den Kampf auf andere Standorte und Betriebe auszuweiten. Schon am 18. Januar gingen 170 Streikende zum PSA-Standort Saint-Ouen (in einer Nachbarkommune von Paris, Nord) und drangen durch ein Loch in der Mauer in die Fabrik ein. Mit den dortigen Beschäftigten marschierten sie durch den Betrieb. Auch bei PSA Saint-Ouen sollen 65 Arbeitsplätze abgebaut werden.

Am 23. Januar organisierte die CGT beim französischen Autohersteller Renault Streiks an allen Standorten, um gegen die Vernichtung von 8.260 Arbeitsplätzen zu kämpfen. Das Streikkomitee und die CGT von PSA Aulnay besuchten gemeinsam mit der CGT-Vertretung bei Renault zu Hunderten das Werk von Renault Flins (40 Kilometer westlich von Paris). Am 1. Februar waren 130 Streikende im Betrieb Renault Cléon (bei Rouen).

Vernetzung von Belegschaften

Am 24. Januar waren viele PSA-Streikende unter den 500 TeilnehmerInnen einer Kundgebung von gegen Kündigungen und Werkschließungen kämpfenden Betrieben. Diese Aktion wurde am Pariser Institut der Politischen Wissenschaften von der Gewerkschaft Sud étudiant und von den politischen Organisationen Front de Gauche und Nouveau Parti Anticapitaliste organisiert. Neben den Delegierten der CGT von PSA Aulnay, Jean-Pierre Mercier und Philippe Julien, nahmen weitere führende Vertreter von Belegschaften, die in Auseinandersetzungen stecken, teil, darunter Manu Georget von der CGT bei Philips in Dreux (Normandie) und Mickaël Wamen von der CGT bei Goodyear in Amiens. Das Goodyear-Werk in Amiens mit seinen 1.200 Beschäftigten soll ebenfalls geschlossen werden. Alle genannten Aktivisten streiten auch für eine neue kämpferische Arbeiterpartei und waren bei den Parlamentswahlen vom Juni 2012 Kandidaten, allerdings für die konkurrierenden Parteien Lutte Ouvrière, NPA und PCF.

Allen in Frankreich ist klar: Die Arbeiterklasse startet einen erneuten Anlauf, gemeinsam Werkschließungen und Kündigungen zu verhindern. Beschäftigte der Autoindustrie stehen an der Spitze der Bewegung, aber auch andere betroffene Betriebe beginnen mit Mobilisierungen.

Die Bosse reagieren mit Verleumdungen und Repression. Beim Besuch der Streikenden in Saint-Ouen und Poissy (im Westen von Paris) hat PSA Polizei und vor allem die unter Charles de Gaulle gegründete Aufstandsbekämpfungstruppe CRS angefordert und von der Regierung unter Francois Hollande auch prompt zugestanden bekommen.

Im Gegensatz zu den anderen Gewerkschaften lehnten die Gewerkschaftsverbände CGT und CGT-Force-Ouvrière es ab, die miserable „Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung“ vom 11. Januar zu unterschreiben. Thierry Lepaon, der designierte Nachfolger von Bernard Thibault an der Spitze der CGT, erklärte kürzlich: „Die Stunde der Mobilisierung hat geschlagen.“

Jetzt kommt es darauf an, diese Mobilisierung konsequent durchzuführen und eine „Konvergenz der Kämpfe“ oder altmodischer das „Tous ensemble“ zu realisieren. Arbeiter Arbeiterinnen in der Pariser Region haben damit schon angefangen.