Dieser Artikel erschien am 14. Februar in englischer Sprache auf socialistworld.net
Arbeiterklasse leidet unter schwerer Krise der eigenen politischen Führung
von Eddie McCabe, „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland), Dublin
Am Samstag, dem 9. Februar, organisierte der Gewerkschaftsbund „Irish Congress of Trade Unions“ (ICTU) einen landesweiten Aktionstag und führte unter dem Motto „Die Last nehmen: Arbeit statt Schulden“ in den größeren Städten des Landes Proteste durch: Dublin, Cork, Galway, Waterford, Limerick und Sligo.
Laut ICTU zielte dieser Protesttag darauf ab, ein Signal an Europa zu senden, dass die 64 Milliarden Euro Bankschulden, für die die ArbeiterInnen aufkommen sollen, untragbar sind. In Wirklichkeit hatte die Führungsriege des ICTU damit aber auch im Sinn, die Austeritätsbemühungen der irischen Koalitionsregierung zu unterstützen. Vor allem dem kleineren Koalitionspartner, der sozialdemokratischen „Labour Party“, wollte man beistehen, um sicherzustellen, dass es „bessere Konditionen“ gibt. Das ist die Fortsetzung der ICTU-Politik der Kooperation mit der Regierung, um die Unzufriedenhait in der Gesellschaft zu ersticken, Kämpfe nicht aufkommen zu lassen und die Durchführung von Kürzungsprogrammen zu ermöglichen.
Man kann sich kaum vorstellen, wie der ICTU noch eklatanter zum Ausdruck bringen könnte, dass er darauf verzichtet, seine Rolle als Verteidiger der Interessen der ArbeiterInnen wahrzunehmen. Dieses Duckmäusertum folgt zwei kompletten Jahren, in denen die Gewerkschaftsführung sich an keinem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Diskurs in Irland mehr beteiligt hat. Die letzte größere Aktion, die der ICTU organisiert hat, war eine Demonstration in Dublin im November 2010, an der rund 80.000 Menschen teilnahmen. Zuvor jedoch war es zwischen den Gewerkschaften und der Regierung hinsichtlich Austerität und Kürzungen zu einer Einigung gekommen, die als „Croke Park Deal“ bekannt wurde.
Dies ging einher mit dem schwerwiegendsten Austeritätsvorhaben gegenüber den Menschen aus der Arbeiterklasse in der Geschichte des Landes und führte zur Demoralisierung von ArbeiterInnen und Erwerbslosen auf breiter Linie.
Unter dem Druck derer, die Widerstand gegen die Kürzungen leisten, wie etwa der „Campaign Against Household and Water Taxes“ (CAHWT), und in einem Versuch diesen Widerstand in eine harmlosere Richtung zu kanalisieren, wurde zu den Protesten aufgerufen. Die Intention der ICTU-Führer, die dahinter steckt, ist, dass sie gesehen werden wollen, als würden sie etwas tun. Ganz egal, wie wenig effektiv man dabei ist oder es das ist, wofür die eigenen Mitglieder tatsächlich eintreten. Wie andere auch hat der ICTU in der Vergangenheit Veranstaltungen organisiert. Und die Idee, die wiederum dahinter steckt, ist, dass der Druck sich verringert, wenn man nur lange genug durch die Straßen marschiert. Die Gewerkschaftsführung kann sich dann nämlich zeitgleich wieder zu „Gesprächen“ mit der Regierung zurückziehen. Doch diese Taktik wird immer durchsichtiger, und dass es dem ICTU offenbar an jeglicher Strategie fehlt, wird immer deutlicher.
Indem sie von 110.000 Menschen spricht, die überall in Irland an den Protesten vom 9. Februar teilgenommen hätten, bemüht sich die ICTU-Führung verzweifelt, Stärke und Autorität zu zeigen. Das aber steht im diametralen Widerspruch zu dem, was die TeilnehmerInnen im Sinn haben, die ehrlich und aufrichtig an den Protesten teilgenommen haben. Schließlich handelte es sich bei ihnen in erster Linie um „einfache“ Gewerkschaftsmitglieder, von denen viele die Kundgebungen angewidert verließen. Statt eine Kampfstrategie der Gewerkschaftsbewegung vorzustellen, machte in Dublin der Generalsekretär der ICTU, David Blegg, einen kurzen Beitrag, noch bevor die große Masse der Leute sich überhaupt vor der Bühne eingefunden hatte. Dann wurde die Bühne frei gemacht für verschiedene Comedians und Musikgruppen. „Wir sind nicht hierher gekommen, um unterhalten zu werden!“, so eine aufgebrachte Frau, die die Stimmung vieler anderer zusammenfasste.
Die Rolle der Kampagne gegen ungerechte Steuern
Diese Abneigung der ICTU-Vorderen, sich den tausenden von Protestierenden zu stellen, ist das Ergebnis davon, dass sie in der Vergangenheit bei solchen Anlässen ausgebuht worden sind. Vor allem bei der Demonstration im November vor zwei Jahren war das der Fall und auch beim Demozug gegen den Haushaltsentwurf, der im ‚November letzten Jahres in Dublin stattfand.
Realistischere Schätzungen gehen davon aus, dass am 9. Februar rund 60.000 Menschen an den Protesten teilgenommen haben. In Waterford, einer Stadt mit kämpferischer Gewerkschaftstradition, in der im letzten November 15.000 Menschen an der Demonstration gegen die Schließung des hiesigen Krankenhauses teilgenommen haben, sind nur 2.000 Leute zu den Aktionen am 9. Februar gekommen. Dies und die Beteiligung insgesamt (vermutlich nur die Hälfte von dem, was der ICTU gehofft hatte) ist zweifellos ein Zeichen für die schwindende Autorität die der ICTU bei den Menschen hat, die zur Arbeiterklasse gehören.
Die irische Arbeiterklasse leidet unter der Krise der eigenen Führung. Dadurch entsteht Raum für aufrichtige und echte Kampagnen, die für die Kürzungspolitik eine Herausforderung darstellen und in der Lage sind, diese Lücke zu schließen. In diesem Zusammenhang werden die „Campaign Against Household and Water Taxes (CAHWT) und der Kampf gegen die „Eigentumssteuer“ eine entscheidende Rolle zu spielen haben. 50 Prozent der Haushalte setzen ihren Boykott gegen die Haushaltssteuer fort. Die mit nichts zu rechtfertigende und vielfach berichtete Bedrohung von CAHWT-Aktiven durch ICTU-Funktionäre bei den Demonstrationen am 9. Februar, zeigt, dass vielleicht auch die ICTU-Bürokratie diese Möglichkeit versteht.
Auf Vorschlag der „Socialist Party“ führte die CAHWT am 11. Februar Proteste mit direkten Aktionen und Besetzungen von Gemeinderatssitzungen durch. Damit sollte der politische Druck auf die Koalitionsparteien „Labour“ und die konservative „Fine Gael“ erhöht werden. Bei einem dieser Proteste wurden fünf Personen verhaftet, darunter Paul Murphy (Europaabgeordneter der SP) sowie drei weitere Mitglieder der „Socialist Party“. Die irischen Medien berichteten ausführlich über diese Geschehnisse. Ähnliche Aktionen, mit denen der politische Druck erhöht werden soll, werden in den kommenden Monaten Teil der Aktivitäten der „tax campaign“ sein.