Mit folgendem Flugblatt hat die SAV zu den Protesten beim Aktionstag „One BIllion Rising“ mobilisiert und wird es heute verteilen. OBR_Flugblatt
Gewalt gegen Frauen und Sexismus den Boden entziehen
Die Affäre Rainer Brüderle hat eine Sexismusdebatte in Deutschland ausgelöst. Das ist erst einmal gut. Vielen Menschen ist bewusst geworden, dass Erniedrigung von Frauen durch sexistische Sprüche aber auch sexuelle Belästigung und Gewalt tagtäglich stattfinden. Jede vierte Frau hat beispielsweise Erfahrungen mit häuslicher Gewalt. 60.000 Frauen haben ihre eigenen Erfahrungen unter #Aufschrei getwittert.
Die Talkshowdebatten zu Sexismus blieben jedoch so flach wie die meisten Fernsehbildschirme. Sie wurden weitgehend losgelöst von der gesellschaftlich strukturellen Diskriminierung von Frauen diskutiert. Durch eine Individualisierung des Problems kommen Machos wie der Kachelmann-Anwalt Ralf Höcker und Wolfgang Kubicki in der Talkshow von Maybrit Illner am 31. Januar 2013 dann zu so grandiosen Vorschlägen, eine Frau müsse einfach lernen, schlagfertig verbal zu reagieren und sich dann umzudrehen und zu gehen.
Großartiger Tip! Auf solche Vorschläge kann nur jemand kommen, der männlich und nicht abhängig beschäftigt ist. Als die Quandt-Erbin Susanne Klatten (reichste Frau Deutschlands) im Jahr 2008 Opfer von Psychoterror und Erpressung durch einen Liebhaber wurde, konnte sie sich teure Anwälte leisten und in die Offensive gehen. Die Realität von Millionen von Frauen sieht jedoch bekanntlich anders aus.
Christina Frank von ver.di Baden-Württemberg hat sich in ihrem Leben mit etlichen Fällen von sexueller Belästigung von männlichen Vorgesetzten und Kollegen am Arbeitsplatz beschäftigt und versucht Frauen zu helfen. Die Bilanz: In lediglich zwei von diesen Fällen hatte sexistisches Verhalten von Männern für diese Konsequenzen. In allen anderen Fällen hatten die Frauen das Nachsehen. Die meisten Frauen können sich nicht wie Susanne Klatten einen teuren Anwalt leisten. Wenn sie dies tun, verlieren sie höchst wahrscheinlich ihren Arbeitsplatz. Auch im Falle häuslicher Gewalt können sich viele Frauen aufgrund der ökonomischen Abhängigkeit von ihrem Mann nicht einfach umdrehen und aus dem Haus spazieren.
Strukturelle Ursachen
Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die Gefahr für Frauen zwischen 15 und 44 Jahren, durch Männer verstümmelt oder getötet zu werden, ist größer als die Gefahr durch Krebs, Malaria, Krieg und Verkehrsunfälle zusammen gerechnet. Verbale und physische Demütigungen von Frauen, aber auch frauenverachtende Pornographie und sexistische Darstellung von Frauen in Werbung und Medien sind ein Spiegelbild ihrer sozialen Diskriminierung in einer Klassengesellschaft wie dem Kapitalismus. Im Kapitalismus profitieren Unternehmer (meist männlich) davon, dass Frauen in Deutschland 23 Prozent weniger als Männer verdienen. Sie profitieren davon, dass vor allem Frauen zu Hause Familienangehörige pflegen und kostenlos Kinder erziehen. Die Regierung unterstützt dieses Interesse durch Ehegattensplitting, Betreuungsgeld und die Ausweitung des Niedriglohnsektors, in dem vor allem Frauen beschäftigt sind. Der Kapitalismus basiert auf Ungleichheit und Ausbeutung zu Gunsten einer Minderheit von Kapitalbesitzern und Vermögenden. Ihr Versuch, die Mehrheit in Alt und Jung, deutsch und nicht-deutsch, Frau und Mann zu spalten, ist alt. Das System, in dem wir leben, stützt sich auf rückständige Ideen, die vor vielen Tausend Jahren entstanden sind. Diese machen auch vor persönlichen Beziehungen nicht Halt. Ein wirksamer Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und sexuelle Belästigung sollte einher gehen mit Forderungen nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit, nach kostenloser Kinderbetreuung und einem Ende des Niedriglohnsektors. Es ist vor allem die Aufgabe der Gewerkschaften und der Linkspartei als einziger Partei, welche die Interessen von abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen vertritt, hier aktiv zu werden. Gleichzeitig ist es von großer Bedeutung, heute täglich gegen jegliche Form von sexueller Belästigung und Gewalt gegen Frauen vorzugehen und Frauen den Rücken zu stärken, sich zur Wehr zu setzen.
Gemeinsame Interessen
Die neoliberale Offensive, Lohndumping, prekäre Arbeitsverhältnisse und die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen treffen Frauen im Besonderen. Doch auch ein Großteil der Männer ist davon betroffen.
Frauen und Männer, die nicht zu den oberen zehn Prozent der Gesellschaft gehören, haben gemeinsame Interessen. Kostenlose flächendeckende Kinderbetreuung zum Beispiel, die Einführung gleicher Löhne für gleichwertige Arbeit und die Einführung eines Mindestlohns verbessern die Arbeits- und Kampfbedingungen von erwerbstätigen Männern und Frauen. Im gemeinsamen Einstehen für eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen entsteht Achtung und Respekt und ein Bewusstsein, dass nur gemeinsam Ausbeutung und Ungleichbehandlung beendet werden kann. So kann die Grundlage geschaffen werden, sich zusammen gegen ein System zur Wehr zu setzen, dass die Diskriminierung von Frauen fördert oder billigend in Kauf nimmt.
Am internationalen Aktionstag gegen Gewalt gegen Frauen ‚One billion rising‘ am 14. Februar und am internationalen Frauentag am 8. März werden viele Frauen und auch Männer auf die Straße gehen, um ein Zeichen gegen Sexismus zu setzen.
Aktiv werden:
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