Imperialistische Intervention in Mali kann für den arbeitenden Teil der Bevölkerung kein Hoffnungsschimmer sein

Foto: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mali_relief_location_map.jpg CC BY-SA 3.0
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Stellungnahme des Democratic Socialist Movement (DSM) in Nigeria

Von Liberia über das ehemals belgisch besetzte Kongo bis hin zum ehemals französisch besetzten Kongo und nach Somalia, von Sierra Leone über Ruanda bis nach Burundi, vom Sudan über den Süd-Sudan bis nach Kenia, von der Elfenbeinküste über Nigeria bis ins heutige Mali: Bedeutende Teile des post-kolonialen wie auch des neo-kolonialen Afrika müssen erleben, wie ihre Staatssysteme zum Scheitern verurteilt sind.

von Lanre Arogundade, „Democratic Socialist Movement“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Nigeria), Lagos

Genau wie wir vom „Democratic Socialist Movement“ (DSM) immer wieder hervorgehoben haben, liegt diesen umfassenden Beispielen staatlichen Scheiterns die Unfähigkeit der einzelnen Staaten zu Grunde, die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Bedarfsgütern sicherzustellen. Und dabei spielt es keine Rolle, ob ein handfester Krieg, eine terroristische Rebellion, ein Putsch oder eine instabile Regierung der Grund für das letztendliche Scheitern der jeweiligen Staaten waren.

Damals wie heute verschlimmert das darauf dann folgende Abrutschen in Anarchie und Chaos die Situation noch und lässt die Nationalitäten-Frage ungelöst. Die Ursachen dafür liegen begründet in der künstlichen Aufteilung Afrikas, die darauf zurückgeht, dass man nur die Bodenschätze im Sinn hatte, und der daraus resultierenden Grenzziehung durch die einstigen Kolonialmächte.

Hinzu kommt das Problem der Integration neo-kolonialer afrikanischer Länder in den weltweiten Sog des Kapitalismus. In Wirklichkeit geht dabei die Re-Kolonialisierung dieser Länder vonstatten, was mit der Umsetzung einer neoliberalen und gegen die verarmte Bevölkerung gerichteten Wirtschaftspolitik verbunden ist. Dadurch wiederum wird die Verteilung des Reichtums auf nur wenige Schultern manifestiert, während gleichzeitig die übergroße Mehrheit der verarmten Bevölkerung der Arbeiterklasse unter materieller Knappheit zu leiden hat.

Die wirkliche Tragödie Afrikas ist aber, dass diese Staaten eigentlich ein unheimliches Potential an menschlichen und naturellen Ressourcen haben. Das Phänomen Armut sollte in diesen Ländern also an und für sich ein Ding der Unmöglichkeit sein. Wie uns aber jeden Tag aufs Neue immer wieder ins Bewusstsein gebracht wird, so konnten diese Ressourcen nur wenig dazu beitragen das Problem zu lösen – im Gegenteil. Manchmal sind ausgerechnet die Länder – wie die Demokratische Republik Kongo oder Nigeria, die man noch am ehesten mit den Begriffen „Krieg“, „Chaos“ oder „Bürgerkrieg“ in Verbindung bringt, auch noch besonders reich an Bodenschätzen.

Wenn man von diesen Gesichtspunkten ausgeht, dann ist die derzeitige Krise in Mali nur das jüngste Kapitel einer schmutzigen Geschichte. Die Realität ist, dass diese momentane Intervention des französischen Imperialismus und der ECOWAS-Kräfte nicht die letzte bleiben wird. Der Grund dafür ist die Fragilität der sogenannten afrikanischen Demokratien. Es ist genau diese Fragilität, die die malische herrschende Klasse (sowohl deren militärischer wie auch deren ziviler Teil) dazu brachte, für ein Eingreifen von außen zu votieren. Die USA haben Unteroffiziere ausgebildet, die anfangs einen Putsch gegen die Zivilregierung durchgeführt haben, dann aber abgezogen wurden, weil man erkennen musste, wie schlecht ausgestattet und in der Tat auch schlecht motiviert die eigenen Truppen waren. Und so lange das kapitalistische, auf Ausbeutung basierende System alles andere beherrscht, kann auch ein Zurückdrängen der islamistischen Kräfte im Norden Malis genauso wenig dazu führen, dass die große Mehrheit der Einwohner Malis aus der Armut befreit wird.

Während die eigentliche Ursache für die derzeitige Krise darin besteht, dass die Überbleibsel der Tuareg-Kräfte Druck ausüben und eine Bewegung anführen, die mit Gewalt fast ein ganzes Land in Besitz nimmt, ist der Umkehreffekt (der am Ende alles nur noch leichter machte), dass die Regierung in Bamako praktisch jede Legitimität verloren hat. Letzteres geschah deshalb, weil man nicht in der Lage war, irgendeines der grundlegenden Probleme zu lösen, mit denen die malische Gesellschaft konfrontiert ist.

Indem sie dann eine ausländische Militärintervention forderte, handelte die malische herrschende Klasse ganz typisch. Damit machte sie die eigene Volkswirtschaft vollkommen abhängig von ausländischer Hilfe, so dass sie eigenständig kaum mehr überleben konnte. Wie Walter Rodney in seinem berühmten Buch „How Europe Underdeveloped Africa“ schon feststellte: „Wenn die ökonomische Macht sich außerhalb der nationalstaatlichen Grenzen Afrikas konzentriert, dann liegt auch die politische und militärische Macht – wie immer sie auch geartet sei – außerhalb. Dieser Zusammenhang besteht so lange, wie die Massen der Kleinbauern und Arbeiter nicht mobilisiert werden, um eine Alternative zu einem System zu schaffen, das nur auf scheinbarer politischer Unabhängigkeit basiert“. (Anm. d. Übers.: Vgl.: Rodney, Walter: „Afrika – die Geschichte einer Unterentwicklung“, Berlin 1974.)

Und in der Tat: Es ist diese wirtschaftliche Abhängigkeit, die dafür sorgt, dass auch Mali von einer Krise auf dem internationalen Rohstoffmarkt in Mitleidenschaft gezogen wird. Schließlich hängt die malische Volkswirtschaft im Wesentlichen von zwei Säulen ab: dem Agraranbau und der Goldförderung. 2001 rückte Mali an die dritte Stelle der größten afrikanischen Goldlieferanten. Nach Südafrika (394 Tonnen) und Ghana (72 Tonnen) kam man auf 41 Tonnen Jahresausstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass die reichhaltigen Goldreserven des Landes auch für die Rebellen ein lukratives Ziel waren; schließlich waren auch in der Demokratischen Republik Kongo die dortigen umfassenden Mineralien-Vorkommen wiederholt der Grund für bewaffnete Rebellionen. Dasselbe gilt für das Geld aus den Blut-Diamanten, das bei den von Charles Taylor vom Zaun gebrochenen Rebellen-Kriegen eine zentrale Rolle spielte. In den 1990er Jahren und bis in die heutige Zeit war davon die Region rund um den Fluss Mano betroffen: Liberia, Sierra Leone und die Elfenbeinküste.

Bislang gehört Mali zu den 25 ärmsten Ländern der Welt. Das Wirtschaftswachstum ist laut dem Jahreswirtschaftsbericht „African Economic Outlook“ dort im Jahr 2011 auf nur noch 1,1 Prozent abgefallen. Das ist eine Entwicklung, die demnach auf die „Krise nach den Wahlen in der Elfenbeinküste, den Libyen-Krieg und den Anstieg der Öl-, Gas- und Lebensmittelpreise” zurückzuführen ist. Infolgedessen breitet sich die Armut aus, und die Erwerbslosigkeit trifft gerade auch die jüngeren Altersklassen in der Bevölkerung. 15,4 Prozent der 15- bis 39-Jährigen sind ohne Erwerbsarbeit, und „81,5 Prozent aller erwerbslosen Menschen sind junge Arbeitssuchende“. Zu alldem kam es, nachdem das Land einen Kredit des „Internationalen Währungsfonds“ (IWF) erhalten hatte. Und danach folgte dann der Einmarsch der Rebellen in Nord-Mali.

Bedauerlicherweise wird dieses Ausmaß an Armut die Imperialisten nicht daran hindern, das Land für die Kosten der aktuellen Kriegshandlungen zur Kasse zu bitten. Dasselbe geschah auch schon im Falle des Irak, wo die Kosten für den Golfkrieg mit den Einnahmen aus den Ölexporten verrechnet wurden und werden. Auch der Staat Liberia soll mit seinen reichlich vorhandenen Gummi-Plantagen, die jetzt rücksichtslos und im Interesse der ausländischen Wirtschaftsmächte verkauft werden, für alles aufkommen. Das erreicht ein Ausmaß, dass der drittgrößte Gummiproduzent der Welt innerhalb der eigenen Landesgrenzen keine einzige Gummifabrik mehr vorzuweisen hat – noch nicht einmal, um gewöhnliche Gummistiefel herstellen zu können.

In Mali wird das zu einer noch erbarmungsloseren Ausbeutung der Goldvorkommen führen und dazu, dass weitere neoliberale Wirtschaftsdogmen Einzug erhalten. Die Privatisierung der dominierenden Wirtschaftszweige wird dabei ganz obenan stehen.

Obwohl sie selbst von hartnäckigen inneren Krisen befallen sind, sind Länder wie Nigeria mittlerweile sehr eifrig bei der Sache, wenn es gilt, Truppen für Mali zur Verfügung zu stellen. Schon jetzt ist die nigerianische herrschende Klasse vollkommen abhängig von ausländischen Geheimdiensten (aus den USA, Israel, Großbritannien), um mit den durchorganisierten Bombenserien der islamistischen Gruppierung „Boko Haram“ fertig zu werden. Die Intervention dient ganz offensichtlich auch dazu, Warnsignale auszusenden: Brachiale Gewaltanwendung durch den Staat ist eine Option, und sie wird von ausländischen Mächten unterstützt.

Und dennoch: Wir müssen im Vorfeld davor warnen, dass diese gewaltsame und militärische Maßnahme grundlegend und elend darin scheitern wird, die Bedrohung, die „Boko Haram“ darstellt, einzudämmen. In diesem Zusammenhang sei nur daran erinnert, dass es die brutalen Militäraktionen waren – darunter auch der kaltblütige Mord an Muhammed Yusuf, dem Führer von „Boko Haram“, im Jahr 2009, die zur Eskalation beigetragen haben und zu zunehmender Aktivität von „Boko Haram“ führten. Damit einher gingen auch die willkürlichen Morde und die zielgerichtete und bewusste Zerstörung von staatlichen Einrichtungen und Kirchen, die zu feindlichen Zielen erklärt wurden.

Gleichzeitig kosteten die über Jahre hinweg von den führenden kapitalistischen Weltmächten durchgeführten Kriegs- und Beutezüge, bei denen die Vereinigten Staaten stets an vorderster Front standen, Milliarden von US-Dollar. Sowohl unter den schutzlos den Kampfhandlungen ausgesetzten ZivilistInnen als auch auf Seiten der militärischen und paramilitärischen Einheiten kam es zu Hunderttausenden, wenn nicht gar zu Millionen von Todesopfern. Länder wie Afghanistan, der Irak, Pakistan, Libyen u.a., in denen die imperialistischen Kräfte Kriege gegen einen sogenannten Terrorismus geführt haben, waren danach noch instabiler, noch mehr von Armut gebeutelt, noch undemokratischer und noch mehr in sich gespalten. Es ist schon jetzt abzusehen, dass sich die gesellschaftspolitische Situation in Mali wie auch in Nigeria (das ebenfalls Kontingente für die ECOWAS-Truppen zur Verfügung stellt) nach dieser imperialistisch-kapitalistischen Expedition, nach diesem militärischen Abenteuer in Mali nur noch schlimmer gestalten wird. Die Aufständischen haben bereits Soldaten aufgelauert und getötet, die nach Mali verlegt worden sind.

SozialistInnen und aufrechte AktivistInnen aus der Arbeiterklasse werden fortwährend Widerstand gegen die imperialistische Intervention in Mali und anderen Teilen Afrikas leisten, da diese für den arbeitenden Teil der Bevölkerung kein Hoffnungsschimmer sein können. Weil es aber an einem entschiedenen Einschreiten der Arbeiterklasse in Solidarität mit den verarmten LandgebräucherInnen sowie Bäuerinnen und Bauern mangelt, wird es immer wieder dazu kommen, dass die Kräfte, die für ein noch höheres Maß an Desintegration sorgen, immer wieder zum Vorschein kommen.

Deshalb gilt es, das soziale Bewusstsein der Arbeiterklasse zu heben. Erreicht werden kann dies durch den Aufbau einflussreicher politischer Bewegungen, die danach trachten, die Macht zu übernehmen – auf Grundlage sozialistischer Vorstellungen. So ist zum Beispiel nur eine Regierung, die die ArbeiterInnen und verarmten Bäuerinnen und Bauern repräsentiert, in der Lage, den gewaltsamen und demokratisch nicht legitimierten Bemächtigungsversuchen bewaffneter Gruppierungen den alternativen Ansatz entgegen zu setzen, wonach eine jede und ein jeder das Recht auf Selbstbestimmung hat.

Von Mali über Nigeria, Liberia, Kenia bis in die Staaten Sudans – eine solche Regierung wird auch entscheidende Schritte in Richtung Verstaatlichung der Schlüsselindustrien gehen müssen. Diese müssen der demokratischen Kontrolle und Geschäftsführung der Arbeiterklasse unterstellt werden, um die Bodenschätze und anderen Ressourcen der Bevölkerung zu Gute kommen zu lassen. Auf diese Weise würde ein Programm zur Schaffung von öffentlichen Arbeitsplätzen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wohnungswirtschaft, Infrastruktur und so weiter möglich.