Schon mit den ersten Seiten ist man mittendrin im modernen Amerika. Miles Heller jobbt bei Entrümpelungen. Er leert und reinigt Häuser, die enteignet wurden.
von Maren Albert, Karlsruhe
In den zurückgebliebenen Spuren liest Miles das Unglück und die Wut der Menschen, die überstürzt ausziehen mussten: Möbel und Gegenstände, die nicht in die kleineren Wohnungen passen werden, Spuren der Zerstörung und Müllberge. Er sammelt Fotos von den Gegenständen, die Menschen einmal etwas bedeutet haben müssen und nun im Container landen.
Später wird Miles Heller nach New York ziehen und dort in einem besetzten Haus am Sunset Park leben. Es steht einfach leer und solange es in der Nachbarschaft nicht auffällt, dass die Vier dort wohnen, können sie es kostenlos nutzen. Die Vier Miles, Bing, Ellen und Alice haben alle auf ihre Weise zu schlucken am Alltag der amerikanischen Gesellschaft. Weder kollektiver Widerstand noch eine Vision von einer anderen Gesellschaft spielen in diesem Roman, der Ende Juli bei Rowohlt auf Deutsch erschien, eine Rolle. Doch trotzdem ist es auch für linksdenkende Menschen ein erfrischend anderes Buch in dem Meer von aktuellen Romanen. Denn das ganze Setting wirft den unverstellten Blick auf den ganzen normalen Wahnsinn des amerikanischen Alltags.
Und Paul Auster kann einfach umwerfend gut Geschichten erzählen und damit Menschen lebendig werden lassen. Miles Heller hat sich aus der Gesellschaft ausgeklinkt, als sein Bruder bei einem Verkehrsunfall zu Tode kam. Er wurde überfahren, da Miles ihn auf die Straße gestoßen hat. Und er kann einfach nicht herausfinden, ob er es sogar in seiner Wut absichtlich gemacht hat. Da er vor seinen Eltern die Schuld nicht erträgt, hat er das College verlassen, ist untergetaucht und lebt ein Leben in Buße. Sein Ziel ist es, im Hier und Jetzt zu leben nichts wünschen, nichts wollen. Doch wie das Leben so spielt, treten nach und nach wieder andere Menschen in sein Leben und er kann nicht mehr in dieser Winterstarre verharren. Und so nimmt ein spannender Roman seinen Anfang.