Der von der CTU geführte Streik der LehrerInnen in Chicago hat in vielerlei Hinsicht das Potenzial, das Blatt zugunsten US-amerikanischer Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes und sozialer Bewegungen zu wenden.
von Eckhard Geitz, Kassel
Der Streik von CTU Local 1 war von der allerersten Minute an ein Erfolg. Er sagte Bildungsprivatisierern und Unionbustern den Kampf an. Er löste Solidarität weit über die Grenzen Chicagos aus und gab damit allen Hoffnung, die sich nach einem gewerkschaftlichen Erfolg sehnten und nach einem Mittel im Kampf gegen ihre Zerschlagung. Der Streik ist das Resultat jahrelanger Arbeit.
CORE: Das Herz des Streiks
Maßgeblich ist die Übernahme der CTU-Führung durch CORE (Caucus of Rank and File Educators). Diese innergewerkschaftliche Oppositionsgruppe von Grassroots-AktivistInnen setzte 2010 die Kopfnicker-Führung ab, die der Zerstörung des Chicagoer öffentlichen Schulsystems tatenlos zusah. Die CORE-AktivistInnen orientierten die CTU darauf, Unterstützung in den Stadtteilen zu sammeln und Kampagnen gegen Schulschließungen zu führen.
Hunger, Angst und Armut machen Spaß am Lernen unmöglich, sind aber in Chicago ein weit verbreitetes Phänomen. 87 Prozent der Kinder an öffentlichen Schulen kommen aus Haushalten mit niedrigem Einkommen. LehrerInnen geben in den ärmsten Bezirken pro Jahr über 1.000 Dollar für Bücher, Papier und Stifte aus. Das ist eher die Regel als die Ausnahme. Diese Probleme und den oftmals erbärmlichen Zustand der Schulgebäude machte die CTU zum politischen Gegenstand der Auseinandersetzung.
Chicago is a union town
98 Prozent der 29.000 CTU-Mitglieder gaben im Juni der CTU-Führung das Votum für einen Streik im Falle des Scheiterns der Verhandlungen mit Bürgermeister Rahm Emanuels undemokratisch eingesetztem Schoolboard. Nach der überwältigenden Demonstration vom 23. Mai war dieses klare Votum keine Überraschung mehr.
Der Streik begann nach gescheiterten Verhandlungen am 10. September mit einer Demonstration von 35.000 LerhrerInnen, SchülerInnen und viel Unterstützung aus den Stadtteilen. Der Streik verändert, motiviert und inspiriert. Die CTU hat einen siebentägigen Streik geführt, der politisch war und gegen die gesamte Macht von Corporate America aufbegehrte.
Neoliberale Leistungsbezahlung wurde verhindert und die bisherige Gehaltsstruktur verteidigt. Elternzeit und Neueinstellungen für Unterricht in Kunst, Musik und Sport werden umgesetzt. SchülerInnen bekommen garantiert, dass sie die Bücher ab dem ersten Schultag erhalten.
Die CTU konnte sich nicht in allen Punkten durchsetzen. Die Neueinstellung von SozialarbeiterInnen, Verwaltungsangestellten und Schulkrankenschwestern wird von der Erhebung neuer Steuern abhängig gemacht. Im Bereich Kündigungsschutz gab es teilweise Verschlechterungen und inwieweit die Klassengrößen von teilweise 40 bis 50 Kindern auf 35 reduziert werden, ist noch fraglich. Das große Problem stupider Tests konnte nicht beseitigt werden, aber bezüglich der Unterrichtsgestaltung erkämpften sich die LehrerInnen mehr Freiraum.
Entscheidend ist, dass der September-Streik der CTU die Tore für weitere gewerkschaftliche Auseinandersetzungen weit geöffnet hat. In Illinois befinden sich zur Zeit Beschäftigte von Wal-Mart im Arbeitskampf und in L.A. gehen LehrerInnen in eine Auseinandersetzung.
Obama, der Wahlkampf und die LehrerInnen
Am 6. November wird in den USA gewählt. Ein noch längerer Streik in der heißen Wahlkampfphase wäre dem Establishment ungelegen gekommen. Timing und konsequente Haltung haben sich ausgezahlt. Rahm Emanuel, ehemaliger Personalchef im Weißen Haus, soll im teuersten Wahlkampf aller Zeiten, die letzten Superdollarpakete für Barack Obama schnüren. Obama hat sich zum Streik nicht positioniert, obwohl er keine Gelegenheit auslässt, um zu betonen, wie wichtig ihm die LehrerInnen seien.
Glen Ford von blackagendareport.com bezeichnete in einem Interview mit Amy Goodman (democracynow.org) Präsident Obama als das effektivere Übel, weil weniger Menschen sich gegen Kriege und Kürzungen demokratischer Präsidenten wehren als gegen solche der republikanischen Hardliner.
Der CTU-Streik hat einen Weg aufgezeigt, wie in Zukunft the more effective evil erfolgreich bekämpft werden kann.
Sozialistische Kandidatin mischt Wahlkampf auf
Im Bundesstaat Washington kandidiert mit Kshama Sawant ein Mitglied der Socialist Alternative.
Im 43. Wahlbezirk, in Seattle, fordert sie den Sprecher der Demokraten im dortigen Repräsentantenhaus, Frank Chopp, heraus. Bei der Vorwahl kam sie auf elf Prozent. Unterstützt wird sie unter anderem von der örtlichen Transportgewerkschaft und der Antikriegsaktivistin Cindy Sheehan.