Chávez unterstützen?

Foto: flickr.com/quecomunismo CC BY-NC-SA 2.0

Interview mit Gabriela Sanchez von Socialismo Revolucionario (Schwesterorganisation der SAV) zur Präsidentschaftswahl in Venezuela am 7. Oktober. Die Fragen stellte Frank Redelberger

Mit welchem Programm kämpft Präsident Hugo Chávez um seine Wiederwahl?

Das Programm der Chávez-Regierung wurde diesen Juni unter dem Namen „Zweiter sozialistischer Plan für 2013-19“ veröffentlicht. Die Ziele umfassen die Stärkung und Ausweitung der nationalen Unabhängigkeit und den Aufbau des „bolivarischen Sozialismus“ durch Umwandlung des Wirtschaftssystems, Aufbau einer neuen Internationale sowie den Schutz der Natur und die langfristige Rettung der Menschheit.

Das Programm, das viele Widersprüche enthält, beschreibt aber nicht, wie das konkret erreicht werden kann und propagiert in der Revolutionsfrage einen Etappenansatz: Die Lage muss erst perfekt sein – soziale Sicherheit, Gleichheit und so weiter –, bevor die Wirtschaft zum Sozialismus transformiert werden kann. So ein Szenario wird es im Kapitalismus nicht geben.

Die rechte Opposition hat es geschafft, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen. Wie groß ist die Gefahr, die von ihnen ausgeht, für die Arbeiterbewegung und die Linke?

Henrique Caprilles Radonski wurde von einer schwachen rechten Opposition gegen Chávez aufgestellt. Das einzige, was dieses Bündnis zusammenhält, ist die Opposition zu Chávez – wäre dieser besiegt, würde es zerbrechen. Trotzdem haben sie sich das erste Mal seit 13 Jahren auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können.

Obwohl wir keine Illusionen in Chávez haben, rufen wir zu seiner Wahl auf. Durch eine konservative Regierung würde es zu entscheidenden Kürzungen wie auch zu Angriffen auf die Arbeiterbewegung und neoliberale Maßnahmen kommen. Für die Linke würde es noch schwerer als jetzt werden, sich zu organisieren, da sie weniger Kritik zulassen würden.

Wird Eure Haltung in der Linken und der Bevölkerung geteilt?

Durch die Polarisierung in der Gesellschaft war die revolutionäre Linke einige Zeit zersplittert und geschwächt. Zusätzlich hat Chávez der Gewerkschaftsführung gesagt, wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. Jeder der gegen Chávez war, wurde als konterrevolutionär angesehen. Das ist jetzt anders.

Durch das Versagen der Regierung, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen, teilen immer mehr Menschen unsere Kritik. Vor vier Jahren hat die Mehrheit der Linken Chávez noch nicht kritisiert, jetzt ist das aber alltäglich. Sogar einzelne Mitglieder von Chávez‘ Partei PSUV und der Kommunistischen Partei, die Chávez sonst immer unterstützten, haben Kritik geäußert. Chávez selbst hat von der Gefahr der Bürokratisierung gesprochen, als der Ungehorsam stärker wurde.

Wir unterstützen Chavez weiterhin kritisch, weil wir glauben, dass es immer noch wichtige Unterschiede zwischen ihm und der rechten Opposition gibt und weil die revolutionäre Linke unter Chávez freier agieren kann.

Welche Perspektive haben linke Alternativen in der kommenden Zeit?

Um das genauer analysieren zu können, müssen wir den Wahlausgang abwarten. In den letzten zwei Jahren gab es bei Demos und Infoständen mehr Menschen, die nach politischen Ideen und einer Alternative gesucht haben. Früher fanden unsere Kritik und Positionen fast keine Unterstützung, jetzt stimmen viele mit uns überein. Bei dieser Wahl sagen wir, dass es nicht reicht, für Chávez zu wählen, und haben ein Programm erarbeitet, was zeigt, warum ein kompletter Bruch mit dem kapitalistischen System nötig ist. Unsere zentrale Aufgabe ist es jetzt, für eine unabhängige revolutionäre Alternative und für demokratischen Sozialismus zu streiten.