Umfairteilen, die gewerkschaftliche Aktionswoche vorbereiten und den Widerstand aufbauen.
Die Eurokrise hat keine Sommerpause gemacht. Und nun hat auch in Deutschland der wirtschaftliche Abschwung eingesetzt. Nach dem Vorbild anderer europäischer Länder werden Unternehmer und Bundesregierung die Masse der Bevölkerung zahlen lassen wollen. Auch wenn größere Angriffe, wie Sparpakete und Massenentlassungen, nicht unmittelbar anstehen, müssen Gewerkschaften, soziale Bewegungen und DIE LINKE sich darauf vorbereiten und die Frage beantworten: Wie kann Widerstand gegen diese Politik aufgebaut werden?
von Michael Koschitzki und Holger Dröge
Am 29. September wird zum Aktionstag „Umfairteilen. Reichtum besteuern“ aufgerufen (siehe www.umfairteilen.de). In mehreren Städten soll bundesweit für eine Vermögenssteuer und eine Finanztransaktionssteuer auf die Straße gegangen werden. An dem Bündnis, das im Frühling von der DGB-Jugend initiiert wurde, beteiligen sich mittlerweile über 35 Organisationen und Verbände, darunter auch die Partei DIE LINKE, ihre Jugendverbände sowie die Gewerkschaften ver.di und GEW. Auch Bündnis 90/Die Grünen und der Berliner Landesverband der SPD unterstützen den Aufruf, was ausdrückt, dass die Forderungen sehr vage gehalten sind und die Höhe einer Vermögenssteuer beispielsweise offen gelassen wird.
Für den Aktionstag sind jetzt fünf regionale Kundgebungen in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Köln und Bochum geplant, die durch lokale Aktionen ergänzt werden können. Dies soll der Auftakt zu einer Kampagne sein, die auch im nächsten Jahr, dem Jahr der Bundestagswahl, weiter laufen soll.
Während europaweit Beschäftigte, Jugendliche und Erwerbslose für die Krise zahlen, konnten die Reichsten ihr Vermögen sogar noch ausbauen. Der 29. September ist eine Chance den Unmut dagegen auf die Straße zu tragen und ein Zeichen zu setzen, dass sich auch in Deutschland Widerstand gegen die Politik von Merkel und Konsorten im Interesse der Banken und Konzerne regt. Der 29. September ist damit nach den erfolgreichen Blockupy-Protesten im Mai nächster Bezugspunkt für den Protest gegen diese Politik. GewerkschafterInnen, DIE LINKE und Aktive sozialer Bewegungen sollten daher alles daran setzen, diesen Aktionstag zu einem Erfolg zu machen.
Ver.di-Aktionswoche
AktivistInnen sollten sich dafür einsetzen, dass die Gewerkschaften ver.di und GEW eine ernsthafte Mobilisierung in den Betrieben zum 29. September durchführen und den Druck auf andere Gewerkschaften erhöhen, sich an den Protesten zu beteiligen.
Die Mobilisierung zum 29.9. kann ein neuer Beginn sein, in den Betrieben eine Argumentationsoffensive gegen die gesellschaftlich dominierende Deutung der Krise, wie sie von den bürgerlichen Parteien und Medien vorgenommen wird, zu starten. Nicht nur der Aufruf sollte in verteilt werden, sondern auch über die wahren Hintergründe der Eurokrise aufgeklärt werden. Argumente gegen die Propaganda der Herrschenden sind nötig. Es muss deutlich gemacht werden, dass nicht ArbeiterInnen und Jugendliche in Griechenland, Spanien oder Italien diese Krise verursacht haben, sondern die Herren in den Chefetagen der Banken und Konzerne und ihr profitgetriebenes System.
Das wäre für ver.di eine gute Vorbereitung für die gewerkschaftliche Aktionswoche im November. Diese Aktionswoche soll zwischen dem 5. und 9. November 2012 stattfinden. Ziel der Aktion ist es „der politischen Umdeutung einer Finanzmarktkrise in eine Staatsschuldenkrise entgegenzuwirken“. Gegen den Fiskalpakt und für Besteuerung von Vermögen soll auf die Straße gegangen werden. Das nun eine der großen Einzelgewerkschaften im DGB beschlossen hat, Proteste durchzuführen, ist begrüßenswert und bietet eine Möglichkeit für linke und kämpferische AktivistInnen in den Betrieben und Gewerkschaften Aktivitäten zu entfalten. Die Aktionswoche sollte dazu genutzt werden, auch durch Betriebs- und Vertrauensleuteversammlungen die Diskussion unter Kolleginnen und Kollegen anzustoßen.
Die Aktionswoche wird koordiniert mit Gewerkschaften in Österreich und der Schweiz. Das ist ein erster Schritt, aber kämpferische und linke AktivistInnen in Betrieben und Gewerkschaften sollten für den weiteren Schulterschluss mit den Gewerkschaften in weiteren europäischen Ländern werben. Überall in Europa stellt sich die gleiche Frage: Wer soll für die Krise bezahlen? Damit am Ende nicht überall in Europa ArbeiterInnen und Jugendliche zahlen müssen, ist der Ausbau internationaler Verbindungen wichtig.
Diese begonnene Koordinierung sollte ergänzt werden mit Vorschläge an die anderen Gewerkschaften in Deutschland gemeinsam zu kämpfen. Aktionen könnten mit der GEW abgestimmt werden, die ebenfalls zu Umfairteilen aufruft und schon bei den Blockupy-Protesten als einzige DGB-Gewerkschaft bundesweit beteiligt war.
Vor allem aber die IG-Metall als größte Gewerkschaft sollte unter Druck gesetzt werden, dass die Gewerkschaftsführung ihre Stillhaltepolitik beendet und den Widerstand unterstützt. Wie im Falle von Opel sind ihre Mitglieder von Entlassungen bedroht und Beschäftigte in der Industrie werden von der kapitalistischen Krise stark betroffen sein. Dieses und letztes Jahr konnte die IG-Metall überdurchschnittlich viele Jugendliche organisieren. Sie können wichtige AktivistInnen in den kommenden Kämpfen werden und sollten in die Vorbereitung von nächsten Aktionen eingebunden werden.
Örtliche Proteste und Kämpfe
Auch dieses Jahr gab es Aktivitäten, Proteste und Arbeitskämpfe in Betrieben. Seien es die massiven Warnstreiks in den Tarifrunden im Frühjahr oder wichtige betriebliche Kämpfe wie bei Pflege und Wohnen in Hamburg, den Damp-Beschäftigten, die sich gegen die Entlassung von 1.000 KollegInnen wehren mussten, den Wicker-Kliniken oder Kita-Beschäftigten in Hamburg. Die Tarifrunden waren allerdings eine verpasste Chance, nach Jahren des Reallohnverlusts sich ein größeres Stück des Kuchens zu erkämpfen und so dem bestehenden Nachholbedarf gerecht zu werden. ver.di- und IG Metall-Führung haben aber auf die Organisierung einer koordinierten Streikbewegung verzichtet, weil sie zur Konfrontation mit Regierung und Kapital nicht bereit sind.
Gerade vor dem Hintergrund des besonderen Krisenverlaufs in Deutschland sind diese betrieblichen Proteste wichtig gewesen, um zu zeigen, dass KollegInnen bereit sind, Widerstand zu leisten. Wichtiger werden in diesem Zusammenhang gewerkschaftliche Kämpfe für Tarifverträge oder die Bildung von Betriebsräten und gewerkschaftlichen Vertretungsstrukturen in Betrieben und Unternehmen, wo solche nicht existieren. Hier sollten die Erfahrungen gemeinsam ausgewertet und solche Kämpfe koordiniert werden, um den gesellschaftspolitischen Charakter deutlich zu machen.
Für eine bundesweite Demonstration im Frühjahr 2013
Im nächsten Jahr steht mit den Bundestagswahlen ein wichtiger politischer Eckpunkt bereits im Kalender. In Wahljahren haben die Herrschenden immer ein besonderes Interesse an gesellschaftlicher Ruhe, das kann von den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zur Durchsetzung von Forderungen genutzt werden. Hier steht nicht zuletzt die Tarifrunde für die Länderbeschäftigten an, für die dringend eine Strategie von ver.di ausgearbeitet werden sollte. Außerdem bietet das Wahljahr die Chance für ver.di durch die Kampagne „Der Druck muss raus“ der Forderung nach einem Tarifvertrag zum Gesundheitsschutz Nachdruck zu verleihen. Hier ist auch DIE LINKE gefragt, die diese Kampagne durch die Forderung nach gesetzlichen Regelungen zum Beispiel zur Mindestbesetzung auf Krankenstationen unterstützen und die Auseinandersetzung auf eine politische Ebene heben kann.
Bisher kann Merkel sich weiterhin auf hohe Sympathiewerte stützen, das macht deutlich wie viel Aufklärung über die Gründe der Eurokrise notwendig ist. Die Hoffnung, der jetzige Abschwung könne wie die Krise 2009 gemeistert werden, also ohne einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit oder massive Kürzungsprogramme, kann sich aber schnell zerschlagen, wenn aus dem schon einsetzenden Wirtschaftsabschwung eine Krise wird oder der Euro zusammenbricht und das die deutsche Exportwirtschaft treffen wird.
Für linke und kämpferische AktivistInnen heißt dass, die Kräfte für 2013 zu sammeln. Diese Aufgabe stellt sich einerseits programmatisch: Mit welchem Programm soll gegen die Eurokrise und ihre Auswirkungen gekämpft werden? Aber andererseits heißt es auch Kräfte sammeln und einen kämpferischen Auftakt für 2013 zu organisieren. Der gewerkschaftspolitische Ratschlag im September 2012 kann eine wichtige Rolle dabei spielen, die linken und kämpferischen Kräfte in den Gewerkschaften auf diese Aufgabe vorzubereiten und eine bessere Vernetzung und Koordination zu erreichen.
Die Frage ist, wie man eine Vereinheitlichung von Bewegung und Protest erreichen kann. Zum einen sollte die Forderung nach einer breiten innergewerkschaftlichen Debatte über die Euro-Krise und ihre anstehenden Folgen in allen Gewerkschaften erhoben werden und Betriebs- und Vertrauensleuteversammlungen, öffentliche Veranstaltungen und Aktionen vorgeschlagen werden. Zum anderen sollten Gewerkschaftslinke, soziale Bewegungen und AktivistInnen der LINKEN für das Frühjahr 2013 eine bundesweite Großdemonstration vorschlagen. Eine solche könnte zentrale Forderungen nach einer Rücknahme der Rente mit 67 und der Hartz-Reformen, einem gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro, der Einführung einer Millionärssteuer von zehn Prozent, ein Ende der Leiharbeit etc. aufstellen und so eine breite Wirkung im Jahr der Bundestagswahl erzielen. Auch die Blockupy-Konferenz im Oktober sollte diskutieren, ob sie durch einen solchen Vorschlag eine breitere gesellschaftliche Mobilisierung zu konkreten Forderungen im Jahr 2013 erreichen kann.
Internationale Solidarität
Die Eurokrise bedeutet für Millionen von ArbeiterInnen und Jugendlichen, dass sie sich ihre soziale und wirtschaftliche Lage bereits massiv verschlechtert hat beziehungsweise sich verschlechtert. In Griechenland ist bittere Not für größere Teile der Arbeiterklasse mittlerweile Realität geworden. Internationale Solidarität, nicht nur im Kampf, sondern auch praktisch ist Notwendigkeit geworden.
Das kann in einzelnen Betrieben beginnen. So könnten ver.di-Betriebsgruppen von deutschen Krankenhäusern den Kontakt zu KollegInnen in griechischen Krankenhäusern herstellen. Gegenseitige Besuche organisieren und dabei neben den Fragen, wie der politische Protest ausgeweitet werden kann, auch konkrete Schritte von praktischer Solidarität diskutieren. Mittlerweile fehlt im griechischen Gesundheitswesen oft das nötigste. Das Sammeln von Medikamenten und Hilfsmitteln ist daher ein wichtiger Schritt die Lage von Hilfebedürftigen in Griechenland zu verbessern.
Kämpferische und linke KollegInnen aus verschiedenen Betrieben und Gewerkschaften sollten sich auf lokaler Ebene vernetzen und Schritte für den Aufbau von Solidarität mit der griechischen Arbeiterklasse unternehmen. In verschiedenen Städten haben sich zu diesem Zweck Griechenland-Solidaritätskomitees gegründet. Eine erste Rundreise linker und kämpferischer GewerkschafterInnen findet im September 2012 statt. Darauf kann aufgebaut werden.
Gleichzeitig sollte die Idee international koordinierter Gegenwehr propagiert werden. Auch wenn die Kämpfe in den verschiedenen europäischen Ländern nicht zeitgleich stattfinden und sich in unterschiedlichen Ländern verschieden Aufgaben stellen, sollten konkrete Vorschläge in diese Richtung entwickelt werden. Während für Griechenland, Spanien und andere von der Krise besonders betroffene Länder die Frage gleichzeitiger 24- oder 48-stündiger Generalstreiks der richtige Schritt werden, wird ein solcher Streik in Deutschland und anderen Ländern zur Zeit noch nicht möglich sein. Trotzdem können Streiktage in Südeuropa zum Anlass genommen werden, europaweite Aktionstage durchzuführen und dadurch den Gedanken des europaweiten Widerstands zu verankern. Auch sollten die europäischen Gewerkschaften und Linksparteien internationale Mobilisierungen nach Brüssel durchführen – zum Beispiel durch eine zentrale Demonstration anlässlich eines EU-Gipfeltreffens oder durch die Organisierung eines europaweiten Protestmarsches, der wie die Euromärsche gegen Erwerbslosigkeit in den 1990er Jahren, einen wichtigen Beitrag zur internationalen Vernetzung von unten und zu einer internationalistischen Gegenoffensive leisten könnte.
DIE LINKE
Die Partei DIE LINKE beteiligt sich bundesweit an den Vorbereitungen der Demonstrationen und bringt eigene Materialien dafür heraus, die über die begrenzten Forderungen des Bündnisses Umfairteilen hinaus gehen. Die gesamte Partei, von den Kreisverbänden an, sollte die Kampagne für den 29. September nutzen und aktiv die Demonstrationen vorbereiten. Der Parteivorstand schlägt vor, unter dem Motto „Reichtum ist teilbar – Millionärssteuer jetzt!“ dazu zu mobilisieren. Das erste Flugblatt lässt die Höhe der Vermögenssteuer noch offen, dabei wäre die Forderung nach einer 10-prozentigen Millionärssteuer, wie sie Michael Schlecht vorgeschlagen hat (www.bit.ly/Nbj7Ej) eine gute Konkretisierung. Es ist aber gerade auch an der Partei Die LINKE die Verbindung von der Verteilungsfrage zur Eigentumsfrage zu ziehen. Die Überführung von Banken in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung, wie es zahlreiche Verbände der LINKEN auch im Vorfeld der Blockupy-Mobilisierung gefordert haben, sollte einen prominenten Platz bei der Mobilisierung einnehmen. Die Antikapitalistische Linke (AKL) Köln hat eine gute Initiative gestartet und ruft DIE LINKE dazu auf, bei der Demonstration in Köln mit einem klar antikapitalistischen und internationalistischen Block aufzutreten.
Die Partei als aktiven Bestandteil des Widerstands aufzubauen und zu entwickeln, ist eine gute Vorbereitung für die Bundestagswahl 2013. DIE LINKE hat im Bundestag konsequent gegen die Bankenrettungspolitik der Bundesregierung sowie SPD und Grünen gestimmt. Sie muss darüber hinaus zeigen, dass sie einen Gebrauchswert für den Widerstand dagegen hat. Dafür spielen neben den bundesweiten Mobilisierungen auch lokale Themen eine Rolle. DIE LINKE muss treibende Kraft des Widerstand gegen örtliche Kürzungen, Privatisierungen, Wohnungsnot und ähnliches sein.