Für Neueinstellungen statt Stellenabbau gehen Tausende PädagogInnen auf die Straße
Für den 7. September hatte die sächsische GEW einen Streiktag ausgerufen. Die Beteiligung war atemberaubend. Die GEW rechnete mit 10.000 TeilnehmerInnen an der zentralen Streikkundgebung. Doch es kamen
15.000! 50 Prozent aller PädagogInnen legten die Arbeit nieder. Dies gelang trotz der wenigen Tage Vorbereitungszeit am Schuljahresanfang.
von Steve Kühne, Dresden
Nicht, dass der Kapitalismus keine Widersprüche produzieren würde. Aber das Bild, welches die sächsische Bildungslandschaft abgibt, ist selbst vor diesem Hintergrund grotesk: In der PISA-Studie ganz vorn, beim Lehrerverdienst ganz hinten und trotz massenhaften Stundenausfalls kaum Einstellungen.
Die Personal- und Finanzpolitik von Schwarz-Gelb in Sachsen trägt nun ihre bitteren Früchte. Wer jahrelang nicht einstellt und ständig einspart, der legt der Gesellschaft für die Zukunft schwere Bürgschaften auf. In Sachsen fehlen LehrerInnen und die bauliche Substanz der Schulgebäude ist vielfach miserabel. Grund dafür ist die jahrelange Weigerung der Staatsregierung zu Neueinstellungen.
GEW geht zum Kampf über
Noch 2005 nahm die GEW zeitlich begrenzte Gehaltseinbußen von bis zu 15 Prozent hin. Auch während der Proteste der ReferendarInnen für ihre Übernahme hielt sich die Führungsriege der Gewerkschaft auffallend zurück. Den Rücktritt des sächsischen Kultusministers Roland Wöller (CDU) bedauerte sie ebenso wie den von Thomas Colditz, dem bildungspolitischen Sprecher der Union.
Und dennoch hat die GEW nun die Weichen in Richtung Kampf gestellt. Ihre Forderung nach Abschluss eines Demografie-Tarifvertrags wurde von Seiten der Staatsregierung immer abgelehnt. Dabei ist er im Angesicht der Situation nur allzu logisch. Das altersbedingte Ausscheiden von KollegInnen aus dem Dienst, welches ab 2015 zu einer schweren Hypothek werden wird, soll per Altersteilzeit geregelt und durch ausreichende Neueinstellungen ausgeglichen werden.
Landesregierung mauert
Wenig überraschend mauert die Landesregierung jedoch. Während demonstrierende LehrerInnen vor dem Landtag einen Demografietarifvertrag verlangten, erklärte Finanzminister Georg Unland (CDU): Die Altersteilzeit leiste keinen Beitrag zur Unterrichtsversorgung. Nun glaubt man den Zahlen des sächsischen Landesschülerrats von diesem Jahr, dann tut das Unlands Politik erst Recht nicht: 15 Prozent aller Stunden fallen aus oder werden, nicht selten fachfremd, vertreten.
Mehr und mehr erkennt man, was die tatsächlichen Absichten der Landesregierung sind: Wöller und Colditz treten zurück, weil die Haushaltsplanungen ihrer Partei weitere Einschnitte nach sich ziehen werden. Der Finanzminister lehnt einen Demografie-Tarifvertrag ab. Man kann daraus nur eins lesen: Man will Stellen einsparen.
Riesenbeteiligung am Streik und nun?
Im Angesicht dessen wirkte der Streikaufruf der GEW für den 7. September wie eine Befreiung. Der Ausstand war die richtige Antwort auf Unland und Co.! Nur leider folgen bislang keine weiteren Schritte nach. Auch in der Bevölkerung, unter Eltern und SchülerInnen, wurde der Streik äußerst positiv bewertet. Warum nutzt man diese Stimmung nicht? In Dresden gingen vor wenigen Monaten SchülerInnen gegen die skandalöse Schulnetzplanung der Kommune vor. Warum gibt es keine Verbindung dieser Kämpfe?
Der ganztägige Warnstreik zeigte die Wut der sächsischen LehrerInnen. Jetzt kommt es darauf an, diese in eine starke Protestbewegung umzumünzen.