Am 8. August folgten rund 200 der 750 bei der Vereinigung Kita Servicegesellschaft mbH (VKSG) angestellten Mitarbeiter dem Aufruf ver.dis zum Warnstreik.
Die Streikenden gehören einer Servicegesellschaft an, die 2005 vom größten Hamburger Kita-Träger, der städtischen Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten, mit 178 Einrichtungen ausgegliedert wurde. Unter Androhung von Kündigung mussten die betroffenen Hauswirtschafterinnen neue Arbeitsverträge unterschreiben, welche sie vom Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes ausschlossen und so deutlich schlechter stellten als ihre KollegInnen. Die Mehrheit der ausgegliedert Angestellten musste laut ver.di Hartz IV zur Aufstockung beantragen oder einen Nebenjob annehmen. Innerhalb der neuen Tochtergesellschaft gibt es Gehaltsunterschiede von durchschnittlich 30 Prozent, im pädagogischen Bereich anfallende Zusatzleistungen, welche täglich mehrfach geleistet werden, bleiben unbezahlt. Die Arbeitsbedingungen dieser 750 Kita-MitarbeiterInnen sind damit deutlich schlechter als beispielsweise beim privaten Träger AWO. Ein Mitarbeiter berichtete von einem Gehaltsverlust von nahezu 1000 Euro im Zuge der Vertragsänderung, eine Wäscherin erzählte, dass sie für eine 30-Stunden-Woche nun noch 900 Euro netto monatlich bekommt und ihr jetziges Brutto-Gehalt ihrem früheren Netto-Gehalt entspricht. Die städtische Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten ist tatsächlich der einzige größere Träger, der die Hauswirtschaftskräfte ausgegliedert hat und ihnen keinen an den öffentlichen Dienst angelehnten Tarif bezahlt. Während die KollegInnen der Hauswirtschaft versuchen sich mit Zweit- oder Drittjobs über Wasser zu halten, spart sich die Vereinigung laut eigener Aussage jedes Jahr 3,2 Millionen Euro Lohnkosten durch diese Praxis.
Bemerkenswert war am Mittwoch, dass knapp die Hälfte der Streikenden keine Gewerkschaftsmitglieder waren. Wie eine Streikende erzählt, gab es eine Anzahl an Austritten aus der Gewerkschaft, nachdem ver.di die Vertragsänderungen 2005 widerstandslos hingenommen hatte. Im Zuge des jetzigen Warnstreiks überlegen jedoch einige, wieder bei ver.di einzutreten.
Abhängig wird das wohl auch davon sein, was die Tarifverhandlungen bringen, die am 9. August nach mehrmaligen Verweigerungen seitens der Geschäftsführung wieder aufgenommen werden. Ziel der Streikenden ist ein Tariflohn wie im öffentlichen Dienst. Ob es eine länger andauernde Welle von Streiks geben wird ist noch unklar. Einem Mitglied der Streikleitung zufolge ist bei weiteren Streiks mit zunehmender Teilnahme zu rechnen. Viele KollegInnen in der Hauswirtschaft sind erst mal unsicher, ob sie mitstreiken können, obwohl sie keine Gewerkschaftsmitglieder sind. Die Angestellten berichteten aber auch von der großen Solidarität, die sie von ihren KollegInnen und den Eltern der Kinder erfahren.
Dass es keine Gleichbezahlung innerhalb des Tarifvertrags im öffentlichen Dienst, wie sie ver.di vom Arbeitgeberverband AKH fordert, geben wird, stellte Kantja Nienaber, kaufmännische Geschäftsführerin der VKSG, jedoch schon am Mittwoch vor allen Angestellten klar. Nach ihrer Aussage sind die Forderungen der Streikenden „unrealistisch und nicht finanzierbar“. Ihr zufolge zahle die VKSG bereits mehr als den branchenüblichen Tarif für „Gebäudereiniger und Caterer“. Mehr wollte sie den Angestellten „um die Spannung zu halten“ am Mittwoch nicht sagen. Hört man von den Leistungen, die die Angestellten täglich neben ihrer Arbeit als Bezugspersonen für Kinder und Eltern erbringen, ist diese Aussage ein guter Beweis dafür, dass die Geschäftsleistung die Situation in den Kitas ganz offensichtlich nicht richtig nachvollziehen will. Am Donnerstag stellte sich dann heraus, dass das Angebot der Geschäftsführerin den Beschäftigten ganze 33€ mehr im Monat vorsieht (entspricht 300.000 von den 3,2 Millionen eingesparten Lohnkosten), Ver.di war das zu Recht viel zu wenig.
Die Situation in den Hamburger Kitas ist angespannt. Der Betreuungsschlüssel ErzieherIn pro Kind liegt real bei etwas 1:7, was mehr als doppelt so hoch ist wie zum Beispiel bei Kitas in Baden-Württemberg. Laut der AOK ist der Krankenstand von Kita-ErzieherInnen der höchste im Vergleich zu allen anderen Branchen in Hamburg. Seit Jahren wird über die Kita-Pauschale, das Geld, das der Träger pro Kind bekommt, die realen Lohnkosten nicht abgedeckt. In den nächsten Jahren fehlen mindestens 1500-2000 ErzieherInnen um den Betrieb bei steigender Kinderzahl aufrechtzuerhalten. In dieser Situation hat der Senat angekündigt weitere 11 Millionen Euro pro Jahr einzusparen, indem die Lohnerhöhungen von der Tarifrunde im öffentlichen Dienst nicht in die Kita-Pauschale eingehen werden. Die Träger bekommen eine nur um 0,88% angehobene Pauschale, die damit noch nicht mal die steigenden Betriebskosten abdeckt. Es wird sehr wahrscheinlich versucht werden die Kostenlücke durch Lohnkürzungen bei den Beschäftigten zu schließen. In diesem Zusammenhang könnte der Kampf der VKSG-KollegInnen um einen Tarifvertrag rückblickend nur die Vorhut von weiteren alle Kita-Beschäftigten betreffenden Lohnkämpfen werden.