Zum Kauf von Staatsanleihen durch EFSF und ESM
Nach einer Reihe von Versuchen, den Euro zu retten und die Staatsschuldenkrise zu überwinden, rücken ein Staatsbankrott Griechenlands und sein Hinausdrängen aus dem Euro immer näher. Die immer mehr Ländern von der Troika (EU-Kommission, Europäische Zentralbank EZB und Internationaler Währungsfonds IWF) oder ihren eigenen Regierungen aufgezwungenen Kürzungspakete bringen keine Rettung, sondern stoßen diese Länder in einen Teufelskreis: Kürzungspaket – einbrechende Massenkaufkraft und Nachfrage – schrumpfende Wirtschaft – geringere Steuereinnahmen und größere Sozialausgaben – größeres Haushaltsdefizit – noch härteres Kürzungspaket usw. Obwohl auch immer mehr bürgerliche Ökonomen zugeben, dass diese Medizin Gift für den Patienten ist, wird weiterhin verlangt, dass die Staaten in der Schuldenkrise das Gift wie verordnet einnehmen.
von Wolfram Klein
Deshalb richteten sich die Hoffnungen auf einen Ausweg aus der Krise immer mehr auf die Notenbanken. In Ländern wie den USA und Großbritannien betrieben die Zentralbanken eine Politik des billigen Geldes, senkten Zinsen und drehten den Geldhahn auf.
In der Eurozone besteht das zusätzliche Problem, dass der Euro von Anfang an eine Fehlkonstruktion war: Mehrere konkurrierende kapitalistische Nationalstaaten sollen eine gemeinsame Währung haben, aber trotzdem keine Zahlungsunion, keine Transferunion sein. Dadurch sind die Handlungsmöglichkeiten der EZB stark eingeschränkt. Das hat konkret zur Folge, dass der EZB verboten ist, den Mitgliedsstaaten der Eurozone Staatsanleihen abzukaufen und der Kauf auf dem Sekundärmarkt (also von Staatsanleihen, die bereits im Handel sind) umstritten ist.
Deshalb gab es schon im Spätsommer 2011 Diskussionen, dem Euro-Rettungsschirm EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität) eine Banklizenz zu verleihen. Nach einem weiteren Jahr Krise und zwei Finanzspritzen der EZB an die Banken von jeweils einer runden Billion Euro im Dezember und Februar (die sich als Strohfeuer erwiesen), gibt es jetzt diese Vorschläge wieder in Bezug auf die EFSF und ihren Nachfolger ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus).
Damit könnten sie sich bei der EZB Geld leihen (wie sich normale Banken auch bei der EZB Geld leihen können) und damit Staatsanleihen kaufen. Damit hätten EFSF bzw. ESM viel mehr Geld zur Verfügung als ihr Eigenkapital. Wenn die gekauften Staatsanleihen aber durch einen Staatsbankrott entwertet werden, ist der Verlust entsprechend größer.
Diese Konstruktion ist ein ziemlich durchsichtiger Versuch, die rechtlichen Beschränkungen der EZB zu umgehen, indem man EFSF bzw. ESM dazwischen schiebt. Sie reiht sich damit ein in die Versuche, den Konstruktionsfehler des Euro zu beseitigen (oder zumindest abzumildern), indem man Schritte zu einer politischen Union unternimmt.
Nehmen wir einmal für einen Moment an, der Kapitalismus wäre in der Lage, die Zersplitterung Europas in Nationalstaaten zu überwinden, dann könnte man die EZB in eine normale Notenbank verwandeln, sie könnte dann sogar direkt ohne den Umweg über EFSF und ESM Staatsanleihen kaufen. Was wäre damit gewonnen? Die besonderen Probleme durch die Fehlkonstruktion Euro wären beseitigt, die allgemeinen Probleme der strukturellen Krise des Kapitalismus bestünden immer noch. Denn die drastische Zunahme der Verschuldung der letzten Jahrzehnte (nicht nur der Staatsverschuldung, sondern auch der Verschuldung der KonsumentInnen, der Unternehmen und besonders des Finanzsektors) war weder eine Besonderheit der Eurozone noch geschah sie aus Jux und Tollerei. Sie war ein Versuch, die Spielräume des Kapitalismus künstlich auszudehnen, weil der Kapitalismus nach der Weltwirtschaftskrise 1974/75 nicht mehr in der Lage war, die Bedingungen für normales Wirtschaftswachstum wieder herzustellen.
Diese künstliche Ausdehnung stößt jetzt immer deutlicher an ihre Grenzen. Schließlich haben auch Staaten außerhalb der Eurozone wie zum Beispiel Großbritannien zu drastischen Kürzungsprogrammen gegriffen, die die Wirtschaft abwürgen. Die gegenwärtige Krise ist nicht nur eine Konjunkturkrise, sondern eine strukturelle Krise des Kapitalismus. Diese Krise lässt sich nicht überwinden, indem EFSF oder ESM Staatsanleihen kaufen, so wenig wie Staatsanleihenkäufe durch die Notenbanken der USA oder Großbritanniens die Krise überwunden haben. Es wären genauso Strohfeuer.
Wenn die Ausdehnung der Spielräume an ihren Grenzen stößt, wenn die Strohfeuer verbrannt sind, versuchen die Kapitalisten, die Folgen der Krise auf die Arbeiterklasse abzuwälzen – mit den schrecklichen Folgen, die man in Griechenland schon sehen kann. Der einzige Ausweg ist, den Klassenkampf gegen diese Abwälzung der Krisenfolgen aufzunehmen und ihn zu einem Kampf für die Überwindung des Kapitalismus zu entwickeln.