Die Europameisterschaft ist und bleibt ein Mega-Ereignis. Aus Sportler-Kreisen war immer wieder zu hören, dass Sport und Politik nichts miteinander zu tun hätten. Doch ist das tatsächlich so? Wie sieht es vor Ort aus, was bedeutet diese EM konkret für die Menschen in Polen und der Ukraine und welche Verbindung gibt es zwischen Sport und Politik?
von Lukas Zöbelein und Patrik Schulte, SAV Bremerhaven und ehemalige Mitglieder der Socialist Supporters (linker Fan-Club des Bremen-Ligisten OSC Bremerhaven)
Mega-Investitionen für die EM
22 Milliarden Euro wurden allein in Polen in neue Stadien, Infrastruktur und Hotels investiert. In der Ukraine sprach Präsident Janukowitsch von über 4 Milliarden. Eine Offenlegung der Kosten wurde abgelehnt. So bleibt unklar, welche Summen tatsächlich ausgegeben wurden. Experten rechnen mit der doppelten Summe. So wurden Stadien und Flughäfen umgebaut und andere Prestigeprojekte finanziert. Die Korruption zeigt sich an dem Umstand, dass viele Aufträge an Firmen aus der Region Donezk – der Heimat des Präsidenten- vergeben wurden. Das Land hat sich mit der Ausrichtung der EM total übernommen.
Wer zahlt die Zeche?
Die Zahlen machen deutlich, dass auch in der Ukraine und Polen die Zeche für das Mega-Projekt durch die arbeitenden Menschen bezahlt wird. In Polen liegt die Arbeitslosenquote bei nahezu 10 Prozent, in der Ukraine sieht es nicht viel anders aus. Im ersten Halbjahr 2009 brach das BIP in der Ukraine im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 18 Prozent ein. Es kam zu einer Destabilisierung des Bankensektors, einer Abwertung der Landeswährung Hrywnja und die Produktion brach stark ein. Der IWF stellte daraufhin einen Kredit in Höhe von 16,4 Milliarden Euro zur Verfügung, um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. So werden weitere Sozialkürzungen nur eine Frage der Zeit sein. Auf dem Land betreiben viele Menschen eine Subsistenzwirtschaft, da Renten und Löhnen seit jeher nicht rechtzeitig ausbezahlt werden. Den einfachen Menschen bringt die EM also gar nichts.
So profitieren von der EM nur die Oligarchen und die Wirtschaftsbosse, die maßgeblich an der Finanzierung insbesondere der EM-Stadien und dem Ausbau der Infrastruktur beteiligt waren. Ihnen gehören auch ausnahmslos die Klubs der Nationalliga. Sie haben zudem ein „nationales Interesse“, dass die Ukraine im Turnier möglichst weit kommt, damit die Kassen klingeln, das nationale Ansehen steigt und die Diskussion über soziale Probleme erst mal im Hintergrund bleibt.
Nationalismus durch die Hintertür
Bereits im Vorfeld der EM wurde insbesondere in der Linken über das Thema „Nationalismus und Fußball“ debattiert. Fakt ist: Jedes große Turnier wird von den nationalen Regierungen der beteiligten Ländern benutzt um die „nationale Karte“ zu spielen und die Klassengegensätze für den Zeitraum des Turniers zu verwischen. So kann dann oftmals gnadenlos Sozialabbau im Windschatten der Spiele durchgezogen werden. Auf einmal zählt dann nicht mehr die Frage, wo man politisch steht, sondern nur noch die Nationalität. Wir dürfen nicht grundsätzlich jedem Fußball-Fan mit Fahne und Trikot Nationalismus unterstellen. Dass sich aber angesichts der Krise, Arbeitslosigkeit und Armut einige „Fans“ in tumben Nationalstolz flüchten bzw. es zeitweilig zu handfesten Streitigkeiten unter den Fan-Gruppen kommt, ist nicht zu übersehen und hat mit Fußball und Party nichts zu tun. Das politische Geschehen spielt dann oftmals eine untergeordnete Rolle, was sich daran zeigt, dass die Bundesregierung im allgemeinen Fußballtrubel Fiskalpakt und Betreuungsgeld durchdrücken wollte. Fakt ist daher auch: Wir sind nicht Deutschland, die Ukraine, Polen etc. Denn die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern, sondern den Klassen!
Es ist notwendig darauf hinzuweisen, dass Fußball ein globales Milliarden-Geschäft ist und daran insbesondere die reichen Eliten verdienen. Die „kleinen“ Fußball-Fans aber werden nach der EM die Rechnung präsentiert bekommen, wenn kein Widerstand dagegen organisiert wird.