Zu viele Überstunden, keine klare Übernahme-Perspektive und verbreitete Überforderung – das sind die größten Probleme, die der neue Ausbildungsreport Pflegeberufe sichtbar macht.
Für die Studie hat die ver.di-Jugend über 4000 Azubis in der Gesundheits- und Krankenpflege, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und der Altenpflege befragt, die meisten davon in Baden-Württemberg, Bayern und Hamburg. Die meisten Pflege-Azubis werden nach Tarif bezahlt, insbesondere in der Altenpflege und in Ostdeutschland gibt es aber auch nicht tarifgerechte Ausbildungsvergütungen unter 750€. In Sachsen bekommen 14,5% der Azubis sogar weniger als 500€ im Monat – einen absoluten Hungerlohn für eine sehr anspruchsvolle, stressige Ausbildung. In der Altenpflege müssen Azubis in einigen Bundesländern für den schulischen Teil ihrer Ausbildung sogar noch selbst bezahlen. 30% der angehenden AltenpflegerInnen sind davon betroffen, die meisten von ihnen zahlen über 250 und einige sogar 750€ im Monat!
Schlechte Lernbedingungen
Viele Azubis finden, dass ihre PraxisanleiterInnen zu wenig Zeit für sie haben. Allgemein gibt es besonders in den Krankenhäusern zu wenige PraxisanleiterInnen – meinen mehr als zwei Drittel der Azubis. In manchen Betrieben bekommen die Azubis keinen Ausbildungsplan vorgelegt (in der Altenpflege 37,4% der Befragten), und besonders in Krankenhäusern wird häufig von den Plänen abgewichen, wenn Azubis bei Personalmangel zu Aushilfstätigkeiten auf anderen Stationen herangezogen werden. Dabei lernen sie oft wenig Neues.
Stress und Mobbing
Durch Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich verschlechtern sich seit Jahren die Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege. Immer weniger PflegerInnen müssen sich um immer mehr, immer ältere und immer kränkere Menschen kümmern. Das schadet nicht nur der Qualität der Pflege, sondern führt auch zu mehr Stress für die PflegerInnen und Azubis. Insgesamt 15% der Pflege-Azubis fühlen sich in der Ausbildung überfordert, in der Altenpflege sind es sogar 22%. Dazu tragen sicherlich auch die Überstunden bei, die in diesem Bereich 38% der Azubis regelmäßig machen müssen. 64% fühlen sich irgendwann während der Ausbildung von Vorgesetzten, AusbilderInnen oder KollegInnen im Betrieb ungerecht behandelt, 36% manchmal oder öfter. Besonders in der Altenpflege herrscht oft ein schlechtes Betriebsklima. Meistens äußert sich das in grundloser Kritik von Vorgesetzten und sinnlosen Aufgaben, die die Azubis machen müssen. 15% berichten von Mobbing wegen ihres Aussehens, 6,1% sind mit Sexismus konfrontiert, 4,8% mit Rassismus. Sogar sexuelle Übergriffe kommen vor, 2,5% der befragten Azubis haben angegeben, bei der Arbeit sexuell belästigt worden zu sein!
Perspektive?
Schon nach dem 1. Lehrjahr sind 5,9% sicher, dass sie nach der Ausbildung nicht mehr in der Pflege arbeiten möchten. Am Ende der Ausbildung wollen 73,7% sicher im Beruf bleiben. Sie wissen aber meistens nicht, ob sie in ihrem Betrieb weiter arbeiten können. In der Altenpflege, in der ständig von „Fachkräftemangel“ geredet wird, bekommen nur knapp ein Drittel der Azubis die Übernahme zugesagt, in den Krankenhäusern nicht mal 10%. Hier erfahren zwei Drittel erst am Ausbildungsende, ob sie übernommen werden oder sich einen neuen Job suchen müssen. Der in vielen Bereichen schlechtere Zustand in der Altenpflege hat viel mit der Größe der Ausbildungsbetriebe zu tun: Pflegedienste und Altenheime sind deutlich kleiner als Krankenhäuser, es gibt öfter keine Betriebsräte oder Jugend- und Auszubildendenvertretungen, und wenn man mit einer/einem Vorgesetzten nicht klarkommt muss man trotzdem ständig mit ihr/ihm arbeiten. Hier wie auch in allen Einrichtungen ist es notwendig, Vertretungen aufzubauen und sich gemeinsam zu wehren – durch den Aufbau von kämpferischen Gewerkschaften. Jan