Interview: Monatelanger Kampf für einen Tarifvertrag
Unter dem Motto „Engel brauchen keinen Lohn – wir schon!“ werden seit November in den sechs hessischen Standorten der Wicker-Kliniken Warnstreiks organisiert. Auch während des Warnstreiks im öffentlichen Dienst, fanden solidarische Arbeitsniederlegungen statt.
Grund für die Auseinandersetzung sind die fehlenden Tarifverträge für Pflege- und Krankenhauspersonal und Löhne, die dreißig bis vierzig Prozent unter dem Bundesdurchschnitt liegen. Laut Verdi-Sekretär Fabian Rehm könne hier „eine Krankenpflegerin im Jahr fast 10.000 Euro weniger bekommen als in vergleichbaren Kliniken“ (Frankfurter Rundschau, 3. November 2011).
Gespräch mit Stefanie Lohnes, Sozialpädagogin und ver.di Mitglied angestellt in der Wicker-Klinik in Bad Homburg*
Wie viele ArbeitnehmerInnen sind insgesamt von der Auseinandersetzung betroffen?
Insgesamt geht es um ungefähr 1.500 KollegInnen, die in sechs Kliniken die Warnstreiks durchführen, der Konzern hat etwa 3.500 Beschäftigte. Im Konzern befinden sich sechs Kliniken in Bad Homburg, Bad Wildungen, Bad Zwesten und in Kassel in der Auseinandersetzung um den Tarifvertrag. In Bad Homburg haben von den ca. 200 KollegInnen im nichtärztlichen Bereich etwa 70 seit November 16 Warnstreiktage hinter sich gebracht. Unser Arbeitgeber verweigert aber bisher jede Verhandlung mit der Gewerkschaft. Wir haben mittlerweile einen relativ hohen Organisationsgrad bei uns erreicht.
Was habt ihr bisher für Aktionen durchgeführt?
Wir haben wie gesagt 16 Warnstreiktage hinter uns. Ver.di ruft bei uns momentan unangekündigt und tageweise zu Streiks auf, um dem Arbeitgeber möglichst wenig Vorlaufzeit zu geben in den Kliniken Streikbrecher einzusetzen.
Ver.di hat darüber hinaus zwei große Aktionen organisiert, wo alle Beschäftigten der Kliniken, die sich in der Auseinandersetzung befinden, zusammengekommen sind. Zum einen in Kassel, kurz vor Weihnachten und einmal in Bad Homburg, am 2. November im letzten Jahr.
In Bad Homburg wurde zudem mit Unterstützung des DGB über die Katholische Erwachsenenbildung eine Podiumsdiskussion zum Thema „Lohnentwicklung, Ursachen und Folgen für unsere Gesellschaft“ organisiert, und das wurde am Beispiel unseres Hauses und unserer Auseinandersetzung dort diskutiert. Damit sind wir zumindest in die Presse gekommen.
Zudem hat die LINKE einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung in Bad Homburg eingebracht, der das Parlament dazu aufrief, sich mit den Beschäftigten zu solidarisieren. Dieser wurde abgelehnt – auch von der SPD, deren Mitglieder uns sonst oft besuchen kamen. Die haben uns am Morgen vor der Sitzung noch ihre Solidarität ausgesprochen und uns aber auch erklärt, dass sie mit dem Argument der Tarifautonomie leider einem solchen Antrag nicht zustimmen könnten.
Bisher hat ver.di die Ebene der Warnstreiks nicht verlassen, um die Kluft zwischen denen die streiken und denen, die gegen den Streik sind, weil sie Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, nicht noch weiter zu vergrößern.
Unter den Streikenden ist die Bereitschaft, weiter zu machen auch nach Monaten ungebrochen. Für viele Kollegen und Kolleginnen ist es ganz neu, dass man sich organisiert, so ein Solidaritätsgefühl entwickelt, gemeinsam für eine Sache kämpft. Und egal wie das ausgeht, dieses Gefühl das nimmt uns keiner mehr.