„Die Menschen haben genug von Privatisierungen“

Beim Bürgerentscheid über die Zukunft der kommunalen Krankenhäuser in Dresden mussten die Privatisierer eine erdrutschartige Niederlage hinnehmen. Es stimmten mehr DresdnerInnen für den Erhalt der städtischen Eigenbetriebe als für die amtierende Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU).


 

Interview mit Dorit Wallenburger (Vorsitzende der ver.di-Betriebsgruppe im Krankenhaus Dresden-Neustadt und aktiv bei der SAV)

Am 29.01. fand in Dresden ein Bürgerentscheid statt, worum ging es?

Es ging um die Frage, ob die beiden städtischen Krankenhäuser Dresden Neustadt und Dresden Friedrichstadt Eigenbetriebe der Stadt Dresden bleiben sollen oder in eine GmbH überführt und fusioniert werden sollen.

Es war der Höhepunkt einer Kampagne, die schon seit 2006 läuft. Seitdem gibt es die Bestrebungen der Stadt, die Rechtsform zu ändern. Die Linke hatte damals mit einem Bürgerbegehren erst einmal für einen Aufschub der Pläne gesorgt. Im Sommer 2010 sind dann aber Bündnis90/Die Grünen auf die Gegenseite gewechselt, so dass die GmbH-Gründung wieder konkret auf der Tagesordnung stand. Inhalt der Stadtratsvorlage war neben der Fusionierung beider Häuser z.B. Einsparungen an den Einkommen der Beschäftigten, Pläne zur Ausgliederung von Servicebereichen und Zusammenlegung von Bereichen – also Betten- und Stellenabbau.

Die Privatisierungsbefürworter wurden für ihre Absichten abgestraft. Wie kam dieses Ergebnis Deiner Meinung nach zustande?

Es war ein Wahnsinnserfolg. Obwohl wir in den letzten Wochen wirklich mit aller Kraft gekämpft haben, hätten wir nicht gedacht, dass das Ergebnis so deutlich ausfallen würde. Meiner Meinung nach zeigt es unmissverständlich, dass die Menschen genug von Privatisierungen haben. Dass sie nach dem Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Dresden, der Rechtsformänderungen bei Altenheimen, Stromversorgung, Verkehrsbetrieben und so weiter erkannt haben, dass Privatisierungen für die Bevölkerung keine Vorteile bringen, sondern im Normalfall das Angebot verringert und die Preise erhöht werden. Ich glaube auch, dass die GmbH-Befürworter die DresdnerInnen unterschätzt haben. Sie haben bis kurz vor Schluss darauf gesetzt, den Bürgerentscheid nicht zum Thema zu machen, damit wir das Quorum der Beteiligung nicht erreichen. Viele Menschen, mit denen wir gesprochen haben, hatten aber einfach genug von den Reformen, die im Normalfall Verschlechterungen für die kleinen Leute bedeuten. Sie brauchten oft nicht viel Agitation und haben trotzdem nach ihrem Bauchgefühl für den Erhalt der Eigenbetriebe gestimmt.

Klar ist aber auch, dass wir einen sehr entschlossenen und aufwändigen Kampf geführt haben, ohne den wir den Erfolg nicht gehabt hätten. So wurden z.B. allein von unseren ver.di-Flugblättern 30.000 Stück verteilt. Die Stadt war bunt plakatiert und wir haben viel Pressearbeit gemacht, drei größere öffentliche Aktionen und haben an etlichen Diskussionsveranstaltungen teilgenommen, vorzugsweise an denen der Gegner. Denn gerade bei den Grünen gab es schon auch Differenzen zwischen „Profis“ und Basis. Dort hat es Sinn gemacht, auf den Veranstaltungen unsere Argumente zu äußern.

Wer hat auf der Seite der Privatisierungsgegner den Kampf geführt?

Es gab ein Bündnis, an dem SPD, Die Linke, ver.di, DGB, die SAV und die Bürgerinitiative „Hände weg von unseren Krankenhäusern“ beteiligt war.

Als SAV-Mitglied interessieren mich die Aktivitäten meiner Gruppe natürlich besonders. Kannst Du dazu etwas sagen?

Wir sind ja hier in Dresden nur zwei Aktive. Trotzdem würde ich sagen: ohne uns hätte es die Kampagne in diesem Umfang nicht gegeben. Wir haben am Anfang die Bürgerinitiative gegründet, um damit Druck auf die anderen Bündnismitglieder auszuüben. Wir haben unermüdlich Vorschläge gemacht und die öffentlichen Aktionen vorbereitet, die meiste praktische Arbeit übernommen. Z.B. drei Kundgebungen vorbereitet, eine größere Veranstaltung mit Rene Kiesel und Dr. Böhm aus Stuttgart organisiert, wir haben die ver.di-Flyer entworfen und uns um den Druck gekümmert und wir haben etliche Infostände durchgeführt. Die Bündnistreffen wären ohne uns vor allem in den ersten Wochen reine Austausch- und Diskussionsrunden gewesen.

Durch die Organisation in der SAV hatte ich immer den politischen Austausch und die Ermutigung, dass es auch gegen Widerstände Sinn macht, weiter zu kämpfen.

Was hat sich bei Euch im Krankenhaus verändert? Hatte der Kampf Auswirkungen auf Eure Betriebsgruppe?

Während zur Auftaktkundgebung am 3.11. noch ca. 50 Leute auf die Kundgebung gekommen sind (und viele Bündnismitglieder gleich daraus schlossen, dass die Beschäftigten kein Interesse am Thema hätten), waren es einen Monat später schon ca. 400 Beschäftigte, die vor dem Krankenhaus eine Lichterkette gebildet haben. Naja, und gestern haben 134.521 Menschen, 84,2%, für uns gestimmt…

Wir haben uns selbst gezeigt, dass wir etwas bewirken können, wenn wir uns solidarisieren und uns nicht entmutigen lassen. Ich denke, die Beschäftigten hören jetzt zukünftig vielleicht wohlwollender darauf, was wir als Betriebsgruppe zu sagen haben.

Andererseits befürchte ich auch, dass viele Beschäftigte es jetzt „vermessen“ finden würden, noch weitere Forderungen zu stellen, z.B. im Rahmen der anstehenden Tarifrunde. Die meisten Bündnismitglieder haben im Vorfeld immer argumentiert, dass die nötigen Reformen auch im Eigenbetrieb möglich seien. Das wird die ver.di-Mitglieder jetzt vor die Herausforderung stellen, zu entscheiden, ob sie sich gegen mögliche Einsparungen auf Kosten des Personals ebenfalls zur Wehr setzen.

Ausgesprochen schade finde ich es, dass ver.di und auch Die Linke die Chance verspielt haben, eine tragende Rolle in der Kampagne einzunehmen. Durch die Sparpolitik innerhalb der Gewerkschaft hatten wir nicht mal einen zuständigen Sekretär. Die SPD hingegen hat ein Abgeordnetenbüro für’s Plakatekleben bereit gestellt und hat viele praktische Aktionen in die Hand genommen. Dadurch sind viele Leute, die sich durch die Kampagne erstmals politisch betätigt haben, vor allem zur SPD gekommen.

Wie wird es nun weitergehen?

Tja, es gibt zwei mögliche Szenarien, die beide Gegenwehr erfordern: die eine ist, dass die Stadtverwaltung gar nichts tut und die drei Jahre Bindefrist abwartet, bis die Krankenhäuser richtig rote Zahlen schreiben und dann gleich einen Verkauf einleitet.

Die andere ist, dass sie jetzt im Rahmen der Eigenbetriebe ordentlich einsparen wollen, z.B. mit einem Tarifvertrag zur Zukunftssicherung.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass es keine verschlechterten Arbeitsbedingungen gibt, und dass beispielsweise Küche und Reinigung wieder in den Eigenbetrieb überführt werden.

Außerdem wollen wir ver.di und Die Linke auffordern, eine gesundheitspolitische Konferenz einzuberufen, auf der sich alle Beteiligten darüber austauschen, was unsere gemeinsamen Forderungen sein können und wie wir diese erkämpfen wollen. Dazu sollten auch VertreterInnen aus anderen Krankenhäusern kommen. Denn es wird extrem wichtig sein, sich mit anderen Krankenhausbeschäftigten zu vernetzen, um den Schritt aus der Defensive in die Offensive zu schaffen (sich z.B. für einen Tarifvertrag zur Personalbemessung zu engagieren). Ohne ein gemeinsames Bewusstsein und gegenseitige Solidarität wird das nicht möglich sein.