Interview mit Katja F. über den Brustimplantate-Skandal
Frage: Du hast vor 5 Jahren Brustimplantate eingesetzt bekommen. Hat man Dich damals auf Gefahren und Risiken aufmerksam gemacht?
Antwort: Ja, das geschah im Rahmen der Operationsvorbereitungen. Ich wurde auf die allgemein üblichen und bekannten Risiken hingewiesen – natürlich nicht darauf, dass der Inhalt eventuell aus gefährlichem, giftigen oder krebserregenden Stoffen bestehen kann.
Ich hoffe, das hatte damals niemand geahnt.
F: Als der Skandal in Frankreich bekannt wurde und dort schnell alle betroffenen Frauen aufgefordert wurden, sich die Implantate der Firma PIP herausnehmen zu lassen, haben die deutschen zuständigen Stellen erst einmal gezögert. Wie hast du diese Informationspolitik empfunden?
A: Ich war verwirrt und ziemlich ratlos, und das bin ich teils immer noch.
Vor mehreren Monaten erhielt ich ein Schreiben von der Essener Uniklinik – dort wurde der Eingriff vorgenommen – in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich möglicherweise zu einem Kreis von Patientinnen gehöre, denen unter Umständen vielleicht Implantate einer gewissen Firma eingesetzt wurden, die nicht 100%ig einer bestimmten Norm entsprechen. Das Schreiben war vor allem seiner Schwammigkeit wegen beunruhigend.
Es teilte im Prinzip mit, das etwas Schlechtes geschehen sein könnte, aber da nichts sicher ist, solle man einfach locker bleiben.
Erst als bei uns vor kurzer Zeit die Wellen höher schlugen, begriff ich, dass ich ernsthaft betroffen sein könnte.
Ich bemühe mich seit knapp zwei Wochen um einen Lösung, einen Austausch der Implantate, habe jedoch in diesem Augenblick (20. Januar) noch keine Zusage zur Kostenübernahme.
Natürlich würde ich einerseits gerne jeden weiteren operativen Eingriff vermeiden, andererseits möchte ich natürlich erst Recht keine schwerwiegende Krankheit erleiden oder gar wegen dieser Sache sterben.
Eine uneigennützige, ehrliche Beratung zu bekommen, war definitiv nicht einfach.
F: Mittlerweile gibt es auch hier die Aufforderung, die Implantate entfernen zu lassen. Krankenkassen sagen, dass sie nur im Falle von medizinisch, und nicht ästhetisch begründeten Brust-Operationen zur Kostenübernahme bereit sind. Was hältst Du von dieser Position?
A: Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, mir ohne triftigen medizinischen Anlass die Oberweite vergrößern zu lassen. Dass das immer mehr und immer jüngere Frauen an sich machen lassen, halte ich für keinen guten Weg. Doch ist eine Diskussion darüber in diesem Moment fehl am Platze – Sexismus in der Gesellschaft muss an anderer Stelle bekämpft werden.
Diese Position der Krankenkassen halte ich für verwerflich und nicht juristisch begründbar.
Stell dir vor, du kaufst einen teuren und extrem leistungsfähigen Computer mit tausend sinnlosen Extras, die du definitiv nicht im täglichen Arbeitsleben benötigst.
Nach zwei Wochen geht das Ding kaputt, und der Verkäufer sagt dir, du müsstest dich an den Reparaturkosten beteiligen, weil du ihn ja nicht unbedingt im Leben benötigt hättest.
Klingt doch lächerlich, oder?
F: Nun handelt es sich bei Dir um eine eindeutig medizinisch begründete Implantation. Welche Erfahrungen hast Du mit Krankenkassen und anderen verantwortlichen Stellen gemacht?
A: Nicht die gewünschten. Ich habe Implantate der Marke Rofil, also nicht PIP, Rofil soll jedoch auch betroffen sein, sagten manche, aber ja vielleicht auch nicht, meinten andere.
An der Uniklinik Essen wurden zwei Beratungstelefone eingerichtet. Unter der einen (wohl auch die vom Sekretariat) wurde mir erklärt, dass das alles Blödsinn sei und überhaupt nichts bewiesen. Sprich: die bleiben drin!
Ein Chirurg von der Station, den ich zufällig am Telefon hatte, bestätigte mir das Gegenteil, die müssen unbedingt raus, das Risiko ist zu groß. Ebenso die zweite Beratungsstelle.
Bei der Krankenkasse waren die Mitarbeiter anfangs vollkommen ratlos. Entweder hatten sie noch gar nicht von den gefährlichen Implantaten gehört, oder sie konnten mir noch nichts über die Regelung der Kostenübernahme sagen.
Es galt ja immerhin zu beweisen, dass ich die Risikoimplantate im Körper habe – wie tun, wenn nicht nachschauen?
Ich blieb sehr hart am Ball und ließ nicht locker, so begannen die Mauern bald etwas zu bröckeln. Ich war bei etlichen Stellen die erste Patientin, die deshalb Welle machte, so wurde dann bald etwas in Bewegung gesetzt, und momentan sieht es so aus, dass die Krankenkasse alles endlich einmal halbwegs unbürokratisch und relativ zügig bearbeitet.
Resümierend muss ich jedoch festhalten, dass ich etliche schlaflose Nächte und kummervolle Stunden hinter mir habe.
Es ist klar, dass die elende informelle Salamitaktik aus der Politik nahtlos vom Gesundheitswesen übernommen wird.
F: Was sollte Deiner Meinung nach geschehen, um den betroffenen Frauen zu helfen und was kann man machen, um solche Skandale zu verhindern?
A: Um solche Skandale wirklich und endgültig zu vermeiden, hilft es nur, die bestehende Gesellschaftsordnung zu stürzen.
Das Prinzip der freien Marktwirtschaft besteht doch darin, ohne Wenn und Aber so viel Profit wie überhaupt nur möglich aus einem Geschäft zu schlagen, dafür geht man eben auch über Leichen.
Da ich mir nun aber sicher bin, dass die Revolution nicht in den nächsten zwei Wochen kommt, hier noch flink ein paar Tipps. Für Betroffene: Nicht locker lassen, bei Beratungsstellen und Krankenkassen endlos abnerven und immer die Gefahr für Gesundheit und Leben erwähnen. Nach einer Ablehnung einfach eine andere Stelle anrufen, E-Mails und Briefe schreiben.
Für Ausführende: Dies ist nicht nur ein Skandal, es ist eine echte Krisensituation. Es gilt, zügig zu handeln und die verängstigten Patientinnen nicht noch mehr leiden zu lassen.
Lieber ein paar im Endeffekt doch nicht brandgefährliche Implantate austauschen, als diese Giftdeponien noch länger in auch nur einem Körper lassen.
Die finanzielle Situation der Kassen entscheidet sich im Ränkespiel zwischen Pharmaindustrie und Bundesregierung, nicht bei ein paar kleinen Operationen für in Leib und Seele geschädigte Frauen.