Zum hohen Ergebnis der Piratenpartei bei der Berliner Wahl
8,9 Prozent sind knapp 130.000 Stimmen. So viele BerlinerInnen machten am 18. September ihr Kreuz bei den Piraten. Das ist mehr als ein Achtungserfolg. Im Piraten-Wahlkampf wurden viele traditionell linke Themen aufgegriffen und soziale Forderungen wie Mindestlöhne oder kostenloser Nahverkehr aufgestellt. Eine Antwort auf die Frage, wer das wie umsetzen soll, blieben die Piraten jedoch schuldig.
von René Kiesel, Berlin
Die Piratenpartei erschien vielen als eine Alternative zu den etablierten Parteien. Gerade DIE LINKE wurde von einer Schicht von jüngeren WählerInnen oder allgemein Linken als unglaubwürdig angesehen. Wer Wohnungen verkauft, Wasserbetriebe teilprivatisiert und Hartz IV umsetzt, erscheint kaum ehrlich, wenn er behauptet, dass „es um das Soziale geht“.
Forderungen der Piraten wie die Abschaffung der Residenzpflicht oder Klassengrößen von 15 SchülerInnen sind Positionen, die in der Regel aus sozialen und linken Bewegungen kommen. Solche Forderungen und ihr gegen das Establishment gerichtete Auftreten kamen an. Die Stimmen für die Piraten waren überwiegend linke Proteststimmen. Da ihr Profil so vage war, fanden sich auch liberale Mittelständler in der Partei wieder.
Wo eine Absichtserklärung ist…
Die Partei redet in ihrem Programm sehr viel über Dinge wie Transparenz, Basis- und direkte Demokratie, Mitbestimmung und Teilhabe durch neue Medien. Während MarxistInnen versuchen, ausgehend von einer Analyse der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse ein Programm zu entwickeln, leitet die Piratenpartei ihres von ethischen Grundsätzen ab. Das sagen sie offen. Daher fehlt eine Erklärung, welche gesellschaftlichen Schichten oder Klassen heute existieren und wer welche Interessen verfolgt. Es ist zum Beispiel kein Zufall, dass die Herrschenden gerade in Krisenzeiten den Demokratieabbau forcieren.
Wie ihr Programm umgesetzt werden kann, bleibt bei den Piraten offen. Es wird nicht auf Mobilisierung und Organisierung gesetzt. Schon ein leichterer Zugang zu Informationen und Online-Abstimmungen würden angeblich eine Besserung herbeiführen. Es wird davon ausgegangen, dass bereits die Einrichtung von Plattformen mit Abstimmungsmöglichkeiten für mehr Demokratie und eine umfassende Beteiligung sorgen könnten.
…ist nicht immer ein Weg
In einer Gesellschaft, die aus Klassen besteht, beziehen sie keine Stellung. Dies wird den Piraten teuer zu stehen kommen, denn schon bald werden sie die kapitalistischen „Sachzwänge“ einholen. Dann müssen sie sich entscheiden, ob sie auf der Seite der Beschäftigten oder der Unternehmer stehen.
Die Piraten sind in erster Linie eine Wahlpartei. Sie sind nicht aus großen Protestbewegungen hervorgegangen. Zudem signalisierten sie in Berlin nach der Wahl, dass sie sich eine Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien vorstellen können. Verbunden mit ihrem Lavieren zwischen liberalen und sozialen Ideen birgt dies alles die Gefahr, vom parlamentarischen Klein-Klein paralysiert zu werden.
Guter Wille reicht jedenfalls nicht, um sich gegen kapitalistische Bedingungen durchzusetzen. Die Frage ist nicht ob, sondern wann die Piraten an der Realität des bürgerlichen Alltags scheitern werden.